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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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angetroffen, als itzo. Die Alten glaubeten nicht, daß man die Setzkunst ohne Unterweisung lernen könnte. Man hielte, den Generalbaß zu wissen, für nöthig, aber nicht für zulänglich, die Composition dadurch ohne weitere Anweisung, zu erlernen. Es waren nur wenige, die sich mit der Composition zu schaffen machten; und die, so es unternahmen, bemüheten sich dieselbe gründlich zu erlernen. Heut zu Tage aber, will fast ein jeder, der nur etwas mittelmäßiges auf einem Instrumente zu spielen weis, zu gleicher Zeit auch die Composition erlernet haben. Hierdurch kommen eben so viele Misgeburten zur Welt; so daß es kein Wunder seyn würde, wenn die Musik mehr ab, als zunähme. Denn, wenn die gelehrten und erfahrnen Componisten nach und nach abgehen; wenn die neuern, wie itzo von vielen geschieht, sich auf das pure Naturell verlassen, und die Regeln der Setzkunst zu erlernen für überflüßig, oder wohl gar dem guten Geschmacke, und guten Gesange, für schädlich halten; wenn der, an sich selbst vortreffliche, Opernstyl gemisbrauchet, und in Stücke eingemischet wird, wohin er nicht gehöret, so daß, wie in Welschland bereits geschieht, die Kirchen- und die Instrumentalmusiken nach demselben eingerichtet werden, und alles nach Opernarien schmecken muß: so hat man gegründete Ursachen zu befürchten, daß die Musik ihren vorigen Glanz nach und nach verlieren dörfte; und daß es mit dieser Kunst bey den Deutschen, und bey andern Völkern, endlich ergehen möchte, wie es mit andern verlohrnen Künsten ergangen ist. Die Italiäner haben in vorigen Zeiten den Deutschen allezeit den Ruhm beygeleget, daß, wenn sie auch nicht so viel Geschmack besäßen, sie doch die Regeln der Setzkunst gründlicher verstünden, als ihre Nachbarn. Sollte nun die deutsche Nation, bey welcher der gute Geschmack in den Wissenschaften sich immer weiter ausbreitet, sich nicht bestreben, einem Vorwurfe, der ihr, wenn ihre angehenden Componisten die Unterweisung und ein fleißiges Nachforschen verabsäumen, und sich dem puren Naturelle ganz und gar anvertrauen, vielleicht mit der Zeit gemacht werden könnte, vorzubeugen; und sollte sie sich nicht bemühen, den Ruhm ihrer Vorfahren zu erhalten? denn nur dadurch, wenn ein hervorragendes Naturell, durch gründliche Anweisung, durch Fleiß, Mühe, und Nachforschen unterstützet wird; nur dadurch, sage ich, kann ein besonderer Grad der Vollkommenheit erreichet werden.

angetroffen, als itzo. Die Alten glaubeten nicht, daß man die Setzkunst ohne Unterweisung lernen könnte. Man hielte, den Generalbaß zu wissen, für nöthig, aber nicht für zulänglich, die Composition dadurch ohne weitere Anweisung, zu erlernen. Es waren nur wenige, die sich mit der Composition zu schaffen machten; und die, so es unternahmen, bemüheten sich dieselbe gründlich zu erlernen. Heut zu Tage aber, will fast ein jeder, der nur etwas mittelmäßiges auf einem Instrumente zu spielen weis, zu gleicher Zeit auch die Composition erlernet haben. Hierdurch kommen eben so viele Misgeburten zur Welt; so daß es kein Wunder seyn würde, wenn die Musik mehr ab, als zunähme. Denn, wenn die gelehrten und erfahrnen Componisten nach und nach abgehen; wenn die neuern, wie itzo von vielen geschieht, sich auf das pure Naturell verlassen, und die Regeln der Setzkunst zu erlernen für überflüßig, oder wohl gar dem guten Geschmacke, und guten Gesange, für schädlich halten; wenn der, an sich selbst vortreffliche, Opernstyl gemisbrauchet, und in Stücke eingemischet wird, wohin er nicht gehöret, so daß, wie in Welschland bereits geschieht, die Kirchen- und die Instrumentalmusiken nach demselben eingerichtet werden, und alles nach Opernarien schmecken muß: so hat man gegründete Ursachen zu befürchten, daß die Musik ihren vorigen Glanz nach und nach verlieren dörfte; und daß es mit dieser Kunst bey den Deutschen, und bey andern Völkern, endlich ergehen möchte, wie es mit andern verlohrnen Künsten ergangen ist. Die Italiäner haben in vorigen Zeiten den Deutschen allezeit den Ruhm beygeleget, daß, wenn sie auch nicht so viel Geschmack besäßen, sie doch die Regeln der Setzkunst gründlicher verstünden, als ihre Nachbarn. Sollte nun die deutsche Nation, bey welcher der gute Geschmack in den Wissenschaften sich immer weiter ausbreitet, sich nicht bestreben, einem Vorwurfe, der ihr, wenn ihre angehenden Componisten die Unterweisung und ein fleißiges Nachforschen verabsäumen, und sich dem puren Naturelle ganz und gar anvertrauen, vielleicht mit der Zeit gemacht werden könnte, vorzubeugen; und sollte sie sich nicht bemühen, den Ruhm ihrer Vorfahren zu erhalten? denn nur dadurch, wenn ein hervorragendes Naturell, durch gründliche Anweisung, durch Fleiß, Mühe, und Nachforschen unterstützet wird; nur dadurch, sage ich, kann ein besonderer Grad der Vollkommenheit erreichet werden.

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angetroffen, als itzo. Die Alten glaubeten nicht, daß man die Setzkunst ohne Unterweisung lernen könnte. Man hielte, den Generalbaß zu wissen, für nöthig, aber nicht für zulänglich, die Composition dadurch ohne weitere Anweisung, zu erlernen. Es waren nur wenige, die sich mit der Composition zu schaffen machten; und die, so es unternahmen, bemüheten sich dieselbe gründlich zu erlernen. Heut zu Tage aber, will fast ein jeder, der nur etwas mittelmäßiges auf einem Instrumente zu spielen weis, zu gleicher Zeit auch die Composition erlernet haben. Hierdurch kommen eben so viele Misgeburten zur Welt; so daß es kein Wunder seyn würde, wenn die Musik mehr ab, als zunähme. Denn, wenn die gelehrten und erfahrnen Componisten nach und nach abgehen; wenn die neuern, wie itzo von vielen geschieht, sich auf das pure Naturell verlassen, und die Regeln der Setzkunst zu erlernen für überflüßig, oder wohl gar dem guten Geschmacke, und guten Gesange, für schädlich halten; wenn der, an sich selbst vortreffliche, Opernstyl gemisbrauchet, und in Stücke eingemischet wird, wohin er nicht gehöret, so daß, wie in Welschland bereits geschieht, die Kirchen- und die Instrumentalmusiken nach demselben eingerichtet werden, und alles nach Opernarien schmecken muß: so hat man gegründete Ursachen zu befürchten, daß die Musik ihren vorigen Glanz nach und nach verlieren dörfte; und daß es mit dieser Kunst bey den Deutschen, und bey andern Völkern, endlich ergehen möchte, wie es mit andern verlohrnen Künsten ergangen ist. Die Italiäner haben in vorigen Zeiten den Deutschen allezeit den Ruhm beygeleget, daß, wenn sie auch nicht so viel Geschmack besäßen, sie doch die Regeln der Setzkunst gründlicher verstünden, als ihre Nachbarn. Sollte nun die deutsche Nation, bey welcher der gute Geschmack in den Wissenschaften sich immer weiter ausbreitet, sich nicht bestreben, einem Vorwurfe, der ihr, wenn ihre angehenden Componisten die Unterweisung und ein fleißiges Nachforschen verabsäumen, und sich dem puren Naturelle ganz und gar anvertrauen, vielleicht mit der Zeit gemacht werden könnte, vorzubeugen; und sollte sie sich nicht bemühen, den Ruhm ihrer Vorfahren zu erhalten? denn nur dadurch, wenn ein hervorragendes Naturell, durch gründliche Anweisung, durch Fleiß, Mühe, und Nachforschen unterstützet wird; nur dadurch, sage ich, kann ein besonderer Grad der Vollkommenheit erreichet werden.</p>
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[15/0029] angetroffen, als itzo. Die Alten glaubeten nicht, daß man die Setzkunst ohne Unterweisung lernen könnte. Man hielte, den Generalbaß zu wissen, für nöthig, aber nicht für zulänglich, die Composition dadurch ohne weitere Anweisung, zu erlernen. Es waren nur wenige, die sich mit der Composition zu schaffen machten; und die, so es unternahmen, bemüheten sich dieselbe gründlich zu erlernen. Heut zu Tage aber, will fast ein jeder, der nur etwas mittelmäßiges auf einem Instrumente zu spielen weis, zu gleicher Zeit auch die Composition erlernet haben. Hierdurch kommen eben so viele Misgeburten zur Welt; so daß es kein Wunder seyn würde, wenn die Musik mehr ab, als zunähme. Denn, wenn die gelehrten und erfahrnen Componisten nach und nach abgehen; wenn die neuern, wie itzo von vielen geschieht, sich auf das pure Naturell verlassen, und die Regeln der Setzkunst zu erlernen für überflüßig, oder wohl gar dem guten Geschmacke, und guten Gesange, für schädlich halten; wenn der, an sich selbst vortreffliche, Opernstyl gemisbrauchet, und in Stücke eingemischet wird, wohin er nicht gehöret, so daß, wie in Welschland bereits geschieht, die Kirchen- und die Instrumentalmusiken nach demselben eingerichtet werden, und alles nach Opernarien schmecken muß: so hat man gegründete Ursachen zu befürchten, daß die Musik ihren vorigen Glanz nach und nach verlieren dörfte; und daß es mit dieser Kunst bey den Deutschen, und bey andern Völkern, endlich ergehen möchte, wie es mit andern verlohrnen Künsten ergangen ist. Die Italiäner haben in vorigen Zeiten den Deutschen allezeit den Ruhm beygeleget, daß, wenn sie auch nicht so viel Geschmack besäßen, sie doch die Regeln der Setzkunst gründlicher verstünden, als ihre Nachbarn. Sollte nun die deutsche Nation, bey welcher der gute Geschmack in den Wissenschaften sich immer weiter ausbreitet, sich nicht bestreben, einem Vorwurfe, der ihr, wenn ihre angehenden Componisten die Unterweisung und ein fleißiges Nachforschen verabsäumen, und sich dem puren Naturelle ganz und gar anvertrauen, vielleicht mit der Zeit gemacht werden könnte, vorzubeugen; und sollte sie sich nicht bemühen, den Ruhm ihrer Vorfahren zu erhalten? denn nur dadurch, wenn ein hervorragendes Naturell, durch gründliche Anweisung, durch Fleiß, Mühe, und Nachforschen unterstützet wird; nur dadurch, sage ich, kann ein besonderer Grad der Vollkommenheit erreichet werden.

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/29>, abgerufen am 23.11.2024.