Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.oder andere unnütze Dinge mehr als die Musik liebet, der hat sich keinen besondern Fortgang zu versprechen. Viele, welche sich der Musik widmen, versehen es in diesem Stücke. Sie verabscheuen die damit verknüpften Beschwerlichkeiten. Sie möchten wohl gerne geschikt werden: den gehörigen Fleiß aber wollen sie nicht anwenden. Sie glauben die Musik führe nichts als lauter Vergnügen mit sich; es sey nur ein Spielwerk dieselbe zu erlernen; und brauche weder Kräfte des Leibes, noch der Seele; es gehöre weder Wissenschaft noch Erfahrung dazu; und komme nur blos auf die Lust und ein gutes Naturell an. Es ist wahr, Naturell und Lust sind die ersten Gründe, auf welche eine gründliche Wissenschaft gebauet werden muß. Allein um dieses Gebäude völlig aufzuführen, wird eine gründliche Anweisung, und von seiten des Lernenden viel Fleiß und Nachdenken unumgänglich erfordert. Hat ein Lehrbegieriger das Glück, gleich anfangs einen guten Meister angetroffen zu haben; so muß er ein vollkommenes Vertrauen zu ihm fassen. Er muß nicht widerspenstig, sondern in allem folgsam seyn; daß er das, was ihm sein Meister aufgiebt, nicht nur in währender Lection mit allem Eifer und Begierde auszuüben und nachzumachen suche: sondern er muß solches auch vor sich allein, mit vielem Fleiß oftmals wiederholen; und sofern er etwas nicht recht begriffen, oder vergessen haben sollte, muß er den Meister bey der folgenden Lection darum befragen. Ein Lehrbegieriger muß sich nicht verdrießen lassen, wenn er wegen einerley Sache öfter ermahnet wird, sondern er muß solche Erinnerungen für ein übles Merckmaal seiner Unachtsamkeit, und für des Meisters Schuldigkeit; den Meister selber aber, der ihn so öfters verbessert, für den besten halten. Er muß deswegen auf seine Fehler wohl Achtung geben: Denn wenn er solche zu erkennen anfängt, hat er schon halb gewonnen. Erfodert es aber die Nothwendigkeit, daß der Meister ihn über einerley Sache öfters verbessern muß; so kann er gewiß versichert seyn, daß er es in der Musik nicht weit bringen wird: weil er darinne unzählige Dinge zu erlernen hat, die ihm kein Meister zeigen wird, noch zeigen kann; sondern die er gleichsam abstehlen muß. Dieser erlaubte Diebstahl macht eigentlich die größten Meister. Dasjenige was ihm öfters verwiesen worden, muß er nicht eher verlassen, bis er es so spielen kann, wie es der Meister verlanget. Er muß dem Meister nicht vorschreiben, was für Stücke er ihm aufgeben soll: Denn der Meister muß am besten wissen, was dem Scholaren vortheilhaft seyn kann. Hat er, wie oder andere unnütze Dinge mehr als die Musik liebet, der hat sich keinen besondern Fortgang zu versprechen. Viele, welche sich der Musik widmen, versehen es in diesem Stücke. Sie verabscheuen die damit verknüpften Beschwerlichkeiten. Sie möchten wohl gerne geschikt werden: den gehörigen Fleiß aber wollen sie nicht anwenden. Sie glauben die Musik führe nichts als lauter Vergnügen mit sich; es sey nur ein Spielwerk dieselbe zu erlernen; und brauche weder Kräfte des Leibes, noch der Seele; es gehöre weder Wissenschaft noch Erfahrung dazu; und komme nur blos auf die Lust und ein gutes Naturell an. Es ist wahr, Naturell und Lust sind die ersten Gründe, auf welche eine gründliche Wissenschaft gebauet werden muß. Allein um dieses Gebäude völlig aufzuführen, wird eine gründliche Anweisung, und von seiten des Lernenden viel Fleiß und Nachdenken unumgänglich erfordert. Hat ein Lehrbegieriger das Glück, gleich anfangs einen guten Meister angetroffen zu haben; so muß er ein vollkommenes Vertrauen zu ihm fassen. Er muß nicht widerspenstig, sondern in allem folgsam seyn; daß er das, was ihm sein Meister aufgiebt, nicht nur in währender Lection mit allem Eifer und Begierde auszuüben und nachzumachen suche: sondern er muß solches auch vor sich allein, mit vielem Fleiß oftmals wiederholen; und sofern er etwas nicht recht begriffen, oder vergessen haben sollte, muß er den Meister bey der folgenden Lection darum befragen. Ein Lehrbegieriger muß sich nicht verdrießen lassen, wenn er wegen einerley Sache öfter ermahnet wird, sondern er muß solche Erinnerungen für ein übles Merckmaal seiner Unachtsamkeit, und für des Meisters Schuldigkeit; den Meister selber aber, der ihn so öfters verbessert, für den besten halten. Er muß deswegen auf seine Fehler wohl Achtung geben: Denn wenn er solche zu erkennen anfängt, hat er schon halb gewonnen. Erfodert es aber die Nothwendigkeit, daß der Meister ihn über einerley Sache öfters verbessern muß; so kann er gewiß versichert seyn, daß er es in der Musik nicht weit bringen wird: weil er darinne unzählige Dinge zu erlernen hat, die ihm kein Meister zeigen wird, noch zeigen kann; sondern die er gleichsam abstehlen muß. Dieser erlaubte Diebstahl macht eigentlich die größten Meister. Dasjenige was ihm öfters verwiesen worden, muß er nicht eher verlassen, bis er es so spielen kann, wie es der Meister verlanget. Er muß dem Meister nicht vorschreiben, was für Stücke er ihm aufgeben soll: Denn der Meister muß am besten wissen, was dem Scholaren vortheilhaft seyn kann. Hat er, wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0024" n="10"/> oder andere unnütze Dinge mehr als die Musik liebet, der hat sich keinen besondern Fortgang zu versprechen. Viele, welche sich der Musik widmen, versehen es in diesem Stücke. Sie verabscheuen die damit verknüpften Beschwerlichkeiten. Sie möchten wohl gerne geschikt werden: den gehörigen Fleiß aber wollen sie nicht anwenden. Sie glauben die Musik führe nichts als lauter Vergnügen mit sich; es sey nur ein Spielwerk dieselbe zu erlernen; und brauche weder Kräfte des Leibes, noch der Seele; es gehöre weder Wissenschaft noch Erfahrung dazu; und komme nur blos auf die Lust und ein gutes Naturell an. Es ist wahr, Naturell und Lust sind die ersten Gründe, auf welche eine gründliche Wissenschaft gebauet werden muß. Allein um dieses Gebäude völlig aufzuführen, wird eine gründliche Anweisung, und von seiten des Lernenden viel Fleiß und Nachdenken unumgänglich erfordert. Hat ein Lehrbegieriger das Glück, gleich anfangs einen guten Meister angetroffen zu haben; so muß er ein vollkommenes Vertrauen zu ihm fassen. Er muß nicht widerspenstig, sondern in allem folgsam seyn; daß er das, was ihm sein Meister aufgiebt, nicht nur in währender Lection mit allem Eifer und Begierde auszuüben und nachzumachen suche: sondern er muß solches auch vor sich allein, mit vielem Fleiß oftmals wiederholen; und sofern er etwas nicht recht begriffen, oder vergessen haben sollte, muß er den Meister bey der folgenden Lection darum befragen. Ein Lehrbegieriger muß sich nicht verdrießen lassen, wenn er wegen einerley Sache öfter ermahnet wird, sondern er muß solche Erinnerungen für ein übles Merckmaal seiner Unachtsamkeit, und für des Meisters Schuldigkeit; den Meister selber aber, der ihn so öfters verbessert, für den besten halten. Er muß deswegen auf seine Fehler wohl Achtung geben: Denn wenn er solche zu erkennen anfängt, hat er schon halb gewonnen. Erfodert es aber die Nothwendigkeit, daß der Meister ihn über einerley Sache öfters verbessern muß; so kann er gewiß versichert seyn, daß er es in der Musik nicht weit bringen wird: weil er darinne unzählige Dinge zu erlernen hat, die ihm kein Meister zeigen wird, noch zeigen kann; sondern die er gleichsam abstehlen muß. Dieser erlaubte Diebstahl macht eigentlich die größten Meister. Dasjenige was ihm öfters verwiesen worden, muß er nicht eher verlassen, bis er es so spielen kann, wie es der Meister verlanget. Er muß dem Meister nicht vorschreiben, was für Stücke er ihm aufgeben soll: Denn der Meister muß am besten wissen, was dem Scholaren vortheilhaft seyn kann. Hat er, wie </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0024]
oder andere unnütze Dinge mehr als die Musik liebet, der hat sich keinen besondern Fortgang zu versprechen. Viele, welche sich der Musik widmen, versehen es in diesem Stücke. Sie verabscheuen die damit verknüpften Beschwerlichkeiten. Sie möchten wohl gerne geschikt werden: den gehörigen Fleiß aber wollen sie nicht anwenden. Sie glauben die Musik führe nichts als lauter Vergnügen mit sich; es sey nur ein Spielwerk dieselbe zu erlernen; und brauche weder Kräfte des Leibes, noch der Seele; es gehöre weder Wissenschaft noch Erfahrung dazu; und komme nur blos auf die Lust und ein gutes Naturell an. Es ist wahr, Naturell und Lust sind die ersten Gründe, auf welche eine gründliche Wissenschaft gebauet werden muß. Allein um dieses Gebäude völlig aufzuführen, wird eine gründliche Anweisung, und von seiten des Lernenden viel Fleiß und Nachdenken unumgänglich erfordert. Hat ein Lehrbegieriger das Glück, gleich anfangs einen guten Meister angetroffen zu haben; so muß er ein vollkommenes Vertrauen zu ihm fassen. Er muß nicht widerspenstig, sondern in allem folgsam seyn; daß er das, was ihm sein Meister aufgiebt, nicht nur in währender Lection mit allem Eifer und Begierde auszuüben und nachzumachen suche: sondern er muß solches auch vor sich allein, mit vielem Fleiß oftmals wiederholen; und sofern er etwas nicht recht begriffen, oder vergessen haben sollte, muß er den Meister bey der folgenden Lection darum befragen. Ein Lehrbegieriger muß sich nicht verdrießen lassen, wenn er wegen einerley Sache öfter ermahnet wird, sondern er muß solche Erinnerungen für ein übles Merckmaal seiner Unachtsamkeit, und für des Meisters Schuldigkeit; den Meister selber aber, der ihn so öfters verbessert, für den besten halten. Er muß deswegen auf seine Fehler wohl Achtung geben: Denn wenn er solche zu erkennen anfängt, hat er schon halb gewonnen. Erfodert es aber die Nothwendigkeit, daß der Meister ihn über einerley Sache öfters verbessern muß; so kann er gewiß versichert seyn, daß er es in der Musik nicht weit bringen wird: weil er darinne unzählige Dinge zu erlernen hat, die ihm kein Meister zeigen wird, noch zeigen kann; sondern die er gleichsam abstehlen muß. Dieser erlaubte Diebstahl macht eigentlich die größten Meister. Dasjenige was ihm öfters verwiesen worden, muß er nicht eher verlassen, bis er es so spielen kann, wie es der Meister verlanget. Er muß dem Meister nicht vorschreiben, was für Stücke er ihm aufgeben soll: Denn der Meister muß am besten wissen, was dem Scholaren vortheilhaft seyn kann. Hat er, wie
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