Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.Das XVIII. Hauptstück. Wis ein Musikus gleich auch ihren Theil, und ist damit verbunden. Beyde Arten abersind nicht nur überhaupt, in ihren Absichten, und folglich auch in ihrer Einrichtung, gar sehr von einander unterschieden: sondern auch jede Un- tereintheilung derselben, hat wieder ihre besondern Gesetze, und erfodert ihre besondere Schreibart. Die Vocalmusik ist entweder der Kirche, oder dem Theater, oder der Kammer gewidmet. Die Jnstrumentalmu- sik findet an allen diesen drey Orten auch ihren Platz. 19. §. Die Kirchenmusik muß man auf zweyerley Art betrachten, näm- 20. §. Bey (*) Die Moteten von der alten Art, welche aus vielstimmig, und ohne Jnstrumen-
te, im Capellstyl, gesetzeten biblischen Sprüchen, bey denen zuweilen der Can- tus firmus eines Choralgesanges mit eingeflochten ist, bestehen, sind in der rö- mischkatholischen Kirche wenig, oder gar nicht mehr gebräuchlich. Die Fran- zosen nennen alle ihre Kirchenstücke, ohne Unterschied: des Motets. Von bey- den Arten ist hier die Rede nicht. Jn Jtalien benennet man, heutiges Tages, eine lateinische geistliche Solocantate, welche aus zwoen Arien und zweyen Reci- tativen besteht, und sich mit einem Halleluja schließt, und welche unter der Messe, nach dem Credo, gemeiniglich von einem der besten Sänger gesungen wird, mit diesem Namen. Diese verstehe ich hier. Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wis ein Muſikus gleich auch ihren Theil, und iſt damit verbunden. Beyde Arten aberſind nicht nur uͤberhaupt, in ihren Abſichten, und folglich auch in ihrer Einrichtung, gar ſehr von einander unterſchieden: ſondern auch jede Un- tereintheilung derſelben, hat wieder ihre beſondern Geſetze, und erfodert ihre beſondere Schreibart. Die Vocalmuſik iſt entweder der Kirche, oder dem Theater, oder der Kammer gewidmet. Die Jnſtrumentalmu- ſik findet an allen dieſen drey Orten auch ihren Platz. 19. §. Die Kirchenmuſik muß man auf zweyerley Art betrachten, naͤm- 20. §. Bey (*) Die Moteten von der alten Art, welche aus vielſtimmig, und ohne Jnſtrumen-
te, im Capellſtyl, geſetzeten bibliſchen Spruͤchen, bey denen zuweilen der Can- tus firmus eines Choralgeſanges mit eingeflochten iſt, beſtehen, ſind in der roͤ- miſchkatholiſchen Kirche wenig, oder gar nicht mehr gebraͤuchlich. Die Fran- zoſen nennen alle ihre Kirchenſtuͤcke, ohne Unterſchied: des Motets. Von bey- den Arten iſt hier die Rede nicht. Jn Jtalien benennet man, heutiges Tages, eine lateiniſche geiſtliche Solocantate, welche aus zwoen Arien und zweyen Reci- tativen beſteht, und ſich mit einem Halleluja ſchließt, und welche unter der Meſſe, nach dem Credo, gemeiniglich von einem der beſten Saͤnger geſungen wird, mit dieſem Namen. Dieſe verſtehe ich hier. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0306" n="288"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">XVIII.</hi> Hauptſtuͤck. Wis ein Muſikus</hi></fw><lb/> gleich auch ihren Theil, und iſt damit verbunden. Beyde Arten aber<lb/> ſind nicht nur uͤberhaupt, in ihren Abſichten, und folglich auch in ihrer<lb/> Einrichtung, gar ſehr von einander unterſchieden: ſondern auch jede Un-<lb/> tereintheilung derſelben, hat wieder ihre beſondern Geſetze, und erfodert<lb/> ihre beſondere Schreibart. Die Vocalmuſik iſt entweder der Kirche,<lb/> oder dem Theater, oder der Kammer gewidmet. Die Jnſtrumentalmu-<lb/> ſik findet an allen dieſen drey Orten auch ihren Platz.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>19. §.</head><lb/> <p>Die <hi rendition="#fr">Kirchenmuſik</hi> muß man auf zweyerley Art betrachten, naͤm-<lb/> lich: als die <hi rendition="#fr">roͤmiſchkatholiſche,</hi> und als die <hi rendition="#fr">proteſtantiſche.</hi> Jn<lb/> der <hi rendition="#fr">roͤmiſchen Kirche</hi> kommen vor: <hi rendition="#fr">die Meſſe, die Veſperpſal-<lb/> men, das Te Deum laudamus, die Bußpſalmen, die Re-<lb/> quiem oder Seelenmeſſen, einige Hymni, die Mote-<lb/> ten</hi><note place="foot" n="(*)">Die Moteten von der alten Art, welche aus vielſtimmig, und ohne Jnſtrumen-<lb/> te, im Capellſtyl, geſetzeten bibliſchen Spruͤchen, bey denen zuweilen der Can-<lb/> tus firmus eines Choralgeſanges mit eingeflochten iſt, beſtehen, ſind in der roͤ-<lb/> miſchkatholiſchen Kirche wenig, oder gar nicht mehr gebraͤuchlich. Die Fran-<lb/> zoſen nennen alle ihre Kirchenſtuͤcke, ohne Unterſchied: <hi rendition="#aq">des Motets.</hi> Von bey-<lb/> den Arten iſt hier die Rede nicht. Jn Jtalien benennet man, heutiges Tages,<lb/> eine lateiniſche geiſtliche Solocantate, welche aus zwoen Arien und zweyen Reci-<lb/> tativen beſteht, und ſich mit einem Halleluja ſchließt, und welche unter der<lb/> Meſſe, nach dem Credo, gemeiniglich von einem der beſten Saͤnger geſungen<lb/> wird, mit dieſem Namen. Dieſe verſtehe ich hier.</note>, <hi rendition="#fr">die Oratoria, Concerte, Sinfonien, Paſtoralen,<lb/> u. d. m.</hi> Jedes von dieſen Stuͤcken hat wieder ſeine beſondern Theile in<lb/> ſich, und muß nach ſeinem Entzwecke, und nach ſeinen Worten, eingerich-<lb/> tet ſeyn: damit nicht ein Requiem oder Miſerere einem Te Deum,<lb/> oder einer Auferſtehungsmuſik, oder in der Meſſe das Kyrie dem Gloria,<lb/> oder ein Motet einer luſtigen Opernarie, aͤhnlich ſey. Ein <hi rendition="#fr">Orato-<lb/> rium,</hi> oder eine dramatiſch abgehandelte geiſtliche Geſchichte, unterſchei-<lb/> det ſich nur mehrentheils durch den Jnhalt, und einigermaßen durch<lb/> das Recitativ, von einer theatraliſchen Muſik. Ueberhaupt aber wird<lb/> in der Kirchenmuſik der Katholiſchen mehr Lebhaftigkeit anzubringen<lb/> erlaubet, als in der Proteſtanten ihrer. Doch ſind die Ausſchweifungen,<lb/> die zuweilen hierbey begangen werden, vielleicht niemanden als den Com-<lb/> poniſten beyzumeſſen.</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">20. §. Bey</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0306]
Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wis ein Muſikus
gleich auch ihren Theil, und iſt damit verbunden. Beyde Arten aber
ſind nicht nur uͤberhaupt, in ihren Abſichten, und folglich auch in ihrer
Einrichtung, gar ſehr von einander unterſchieden: ſondern auch jede Un-
tereintheilung derſelben, hat wieder ihre beſondern Geſetze, und erfodert
ihre beſondere Schreibart. Die Vocalmuſik iſt entweder der Kirche,
oder dem Theater, oder der Kammer gewidmet. Die Jnſtrumentalmu-
ſik findet an allen dieſen drey Orten auch ihren Platz.
19. §.
Die Kirchenmuſik muß man auf zweyerley Art betrachten, naͤm-
lich: als die roͤmiſchkatholiſche, und als die proteſtantiſche. Jn
der roͤmiſchen Kirche kommen vor: die Meſſe, die Veſperpſal-
men, das Te Deum laudamus, die Bußpſalmen, die Re-
quiem oder Seelenmeſſen, einige Hymni, die Mote-
ten (*), die Oratoria, Concerte, Sinfonien, Paſtoralen,
u. d. m. Jedes von dieſen Stuͤcken hat wieder ſeine beſondern Theile in
ſich, und muß nach ſeinem Entzwecke, und nach ſeinen Worten, eingerich-
tet ſeyn: damit nicht ein Requiem oder Miſerere einem Te Deum,
oder einer Auferſtehungsmuſik, oder in der Meſſe das Kyrie dem Gloria,
oder ein Motet einer luſtigen Opernarie, aͤhnlich ſey. Ein Orato-
rium, oder eine dramatiſch abgehandelte geiſtliche Geſchichte, unterſchei-
det ſich nur mehrentheils durch den Jnhalt, und einigermaßen durch
das Recitativ, von einer theatraliſchen Muſik. Ueberhaupt aber wird
in der Kirchenmuſik der Katholiſchen mehr Lebhaftigkeit anzubringen
erlaubet, als in der Proteſtanten ihrer. Doch ſind die Ausſchweifungen,
die zuweilen hierbey begangen werden, vielleicht niemanden als den Com-
poniſten beyzumeſſen.
20. §. Bey
(*) Die Moteten von der alten Art, welche aus vielſtimmig, und ohne Jnſtrumen-
te, im Capellſtyl, geſetzeten bibliſchen Spruͤchen, bey denen zuweilen der Can-
tus firmus eines Choralgeſanges mit eingeflochten iſt, beſtehen, ſind in der roͤ-
miſchkatholiſchen Kirche wenig, oder gar nicht mehr gebraͤuchlich. Die Fran-
zoſen nennen alle ihre Kirchenſtuͤcke, ohne Unterſchied: des Motets. Von bey-
den Arten iſt hier die Rede nicht. Jn Jtalien benennet man, heutiges Tages,
eine lateiniſche geiſtliche Solocantate, welche aus zwoen Arien und zweyen Reci-
tativen beſteht, und ſich mit einem Halleluja ſchließt, und welche unter der
Meſſe, nach dem Credo, gemeiniglich von einem der beſten Saͤnger geſungen
wird, mit dieſem Namen. Dieſe verſtehe ich hier.
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