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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Des XVII. Hauptstücks. VII. Abschnitt.
41. §.

Wenn in einem Ritornell die letzte Note ein halber Tact ist, und
darauf eine Pause von einem andern halben Tacte folget; das Solo aber
erst im folgenden Tacte anfängt: so muß die Endigungsnote des Ritor-
nells nicht zu kurz abgebrochen werden. Wenn das Ritornell im Nieder-
schlage, das folgende Solo aber im Aufschlage des Tactes, mit einem neuen
Gedanken, es sey durch ein Viertheil oder Achttheil, anfängt; wel-
ches die Accompagnisten nicht allemal wissen können; so thut der Concer-
tist wohl, wenn er nach der Strenge des Tactes anfängt, und den Nie-
derschlag markiret: damit keine Unordnung entstehen möge.

42. §.

Weil ein geschwindes Stück von allen zugleich, und in einerley Ge-
schwindigkeit angefangen werden muß: so ist nöthig, daß ein jeder von
seiner Stimme den ersten Tact ins Gedächtniß fasse; damit er auf den
Anführer sehen, und mit ihm zugleich das Tempo recht ergreifen könne.
Dieses ist besonders in einem Orchester, oder sonst an einem großen Or-
te, wo das Accompagnement zahlreich ist, und die Spielenden von ein-
ander entfernet, nöthig. Denn weil der Ton in der Ferne später gehöret
wird, als in der Nähe; und man sich also nicht so wie an einem kleinen
Orte nach dem Gehöre richten kann: so muß man, nicht allein im An-
fange, sondern auch öfters bey weiterem Fortgange des Spielens, so-
fern sich etwa eine kleine Unordnung eräugnen sollte, das Gesicht mit
zu Hülfe nehmen, und öfters auf den Anführer blicken. Wer etwas von
der Violine versteht, wird sich am besten und fichersten nach des Anfüh-
rers Bogenstriche richten können. Könnten aber nicht alle Accompagni-
sten den Anführer sehen, oder hören: so hat sich in diesem Falle, ein jeder
nach seinem Nachbar, von des Anführers Seite her, zu richten; um in
einerley Tempo zu bleiben.

43. §.

Wie lange man nach einer Fermate, oder Generalpause, welche
durch einen Bogen, mit dem Puncte, über einer Note oder Pause an-
gedeutet wird, inne halten solle; ist eigentlich keine gewisse Regel gege-
ben. Bey einem Solo, welches nur unter zwo oder drey Personen ge-
spielet wird, verursachet diese Ungewißheit wenig Nachtheil; bey einem
zahlreichen Accompagnement aber, desto mehr. Nach einer kleinen Stil-
le, müssen alle Stimmen, eben sowohl, wie es beym Anfange eines Stü-
ckes erfodert wird, zugleich wieder mit einander anfangen. Geschieht

dieses
Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.
41. §.

Wenn in einem Ritornell die letzte Note ein halber Tact iſt, und
darauf eine Pauſe von einem andern halben Tacte folget; das Solo aber
erſt im folgenden Tacte anfaͤngt: ſo muß die Endigungsnote des Ritor-
nells nicht zu kurz abgebrochen werden. Wenn das Ritornell im Nieder-
ſchlage, das folgende Solo aber im Aufſchlage des Tactes, mit einem neuen
Gedanken, es ſey durch ein Viertheil oder Achttheil, anfaͤngt; wel-
ches die Accompagniſten nicht allemal wiſſen koͤnnen; ſo thut der Concer-
tiſt wohl, wenn er nach der Strenge des Tactes anfaͤngt, und den Nie-
derſchlag markiret: damit keine Unordnung entſtehen moͤge.

42. §.

Weil ein geſchwindes Stuͤck von allen zugleich, und in einerley Ge-
ſchwindigkeit angefangen werden muß: ſo iſt noͤthig, daß ein jeder von
ſeiner Stimme den erſten Tact ins Gedaͤchtniß faſſe; damit er auf den
Anfuͤhrer ſehen, und mit ihm zugleich das Tempo recht ergreifen koͤnne.
Dieſes iſt beſonders in einem Orcheſter, oder ſonſt an einem großen Or-
te, wo das Accompagnement zahlreich iſt, und die Spielenden von ein-
ander entfernet, noͤthig. Denn weil der Ton in der Ferne ſpaͤter gehoͤret
wird, als in der Naͤhe; und man ſich alſo nicht ſo wie an einem kleinen
Orte nach dem Gehoͤre richten kann: ſo muß man, nicht allein im An-
fange, ſondern auch oͤfters bey weiterem Fortgange des Spielens, ſo-
fern ſich etwa eine kleine Unordnung eraͤugnen ſollte, das Geſicht mit
zu Huͤlfe nehmen, und oͤfters auf den Anfuͤhrer blicken. Wer etwas von
der Violine verſteht, wird ſich am beſten und ficherſten nach des Anfuͤh-
rers Bogenſtriche richten koͤnnen. Koͤnnten aber nicht alle Accompagni-
ſten den Anfuͤhrer ſehen, oder hoͤren: ſo hat ſich in dieſem Falle, ein jeder
nach ſeinem Nachbar, von des Anfuͤhrers Seite her, zu richten; um in
einerley Tempo zu bleiben.

43. §.

Wie lange man nach einer Fermate, oder Generalpauſe, welche
durch einen Bogen, mit dem Puncte, uͤber einer Note oder Pauſe an-
gedeutet wird, inne halten ſolle; iſt eigentlich keine gewiſſe Regel gege-
ben. Bey einem Solo, welches nur unter zwo oder drey Perſonen ge-
ſpielet wird, verurſachet dieſe Ungewißheit wenig Nachtheil; bey einem
zahlreichen Accompagnement aber, deſto mehr. Nach einer kleinen Stil-
le, muͤſſen alle Stimmen, eben ſowohl, wie es beym Anfange eines Stuͤ-
ckes erfodert wird, zugleich wieder mit einander anfangen. Geſchieht

dieſes
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[258/0276] Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. 41. §. Wenn in einem Ritornell die letzte Note ein halber Tact iſt, und darauf eine Pauſe von einem andern halben Tacte folget; das Solo aber erſt im folgenden Tacte anfaͤngt: ſo muß die Endigungsnote des Ritor- nells nicht zu kurz abgebrochen werden. Wenn das Ritornell im Nieder- ſchlage, das folgende Solo aber im Aufſchlage des Tactes, mit einem neuen Gedanken, es ſey durch ein Viertheil oder Achttheil, anfaͤngt; wel- ches die Accompagniſten nicht allemal wiſſen koͤnnen; ſo thut der Concer- tiſt wohl, wenn er nach der Strenge des Tactes anfaͤngt, und den Nie- derſchlag markiret: damit keine Unordnung entſtehen moͤge. 42. §. Weil ein geſchwindes Stuͤck von allen zugleich, und in einerley Ge- ſchwindigkeit angefangen werden muß: ſo iſt noͤthig, daß ein jeder von ſeiner Stimme den erſten Tact ins Gedaͤchtniß faſſe; damit er auf den Anfuͤhrer ſehen, und mit ihm zugleich das Tempo recht ergreifen koͤnne. Dieſes iſt beſonders in einem Orcheſter, oder ſonſt an einem großen Or- te, wo das Accompagnement zahlreich iſt, und die Spielenden von ein- ander entfernet, noͤthig. Denn weil der Ton in der Ferne ſpaͤter gehoͤret wird, als in der Naͤhe; und man ſich alſo nicht ſo wie an einem kleinen Orte nach dem Gehoͤre richten kann: ſo muß man, nicht allein im An- fange, ſondern auch oͤfters bey weiterem Fortgange des Spielens, ſo- fern ſich etwa eine kleine Unordnung eraͤugnen ſollte, das Geſicht mit zu Huͤlfe nehmen, und oͤfters auf den Anfuͤhrer blicken. Wer etwas von der Violine verſteht, wird ſich am beſten und ficherſten nach des Anfuͤh- rers Bogenſtriche richten koͤnnen. Koͤnnten aber nicht alle Accompagni- ſten den Anfuͤhrer ſehen, oder hoͤren: ſo hat ſich in dieſem Falle, ein jeder nach ſeinem Nachbar, von des Anfuͤhrers Seite her, zu richten; um in einerley Tempo zu bleiben. 43. §. Wie lange man nach einer Fermate, oder Generalpauſe, welche durch einen Bogen, mit dem Puncte, uͤber einer Note oder Pauſe an- gedeutet wird, inne halten ſolle; iſt eigentlich keine gewiſſe Regel gege- ben. Bey einem Solo, welches nur unter zwo oder drey Perſonen ge- ſpielet wird, verurſachet dieſe Ungewißheit wenig Nachtheil; bey einem zahlreichen Accompagnement aber, deſto mehr. Nach einer kleinen Stil- le, muͤſſen alle Stimmen, eben ſowohl, wie es beym Anfange eines Stuͤ- ckes erfodert wird, zugleich wieder mit einander anfangen. Geſchieht dieſes

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/276>, abgerufen am 13.11.2024.