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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Des XVII. Hauptstücks. VII. Abschnitt.
Gedanken von dem Componisten verfertiget wird, auch keine andere Ab-
sicht, als die Critik, und das Lachen zum Grunde hat, muß, wenn es
seinen Zweck erreichen soll, von den begleitenden Stimmen, zumal in
den lächerlichen Arien, nicht wie eine ernsthafte Oper, sondern auf eine
niedrige, und ganz gemeine Art accompagniret werden. Ein gleiches ist
bey einem Ballet von gemeinem Charakter zu beobachten: weil, wie schon
gesaget worden, das Accompagnement, nicht nur an dem Ernsthaften,
sondern auch an dem Komischen, Antheil nehmen muß.

14. §.

Der Vortrag muß aber nicht allein gut, und jedem Stücke gemäß;
sondern auch bey allen Mitgliedern eines guten Orchesters gleich und über-
einstimmend seyn. Man wird einräumen, daß eine Rede von dem einen
mehr Eindruck als von dem andern machet. Wollte man eine deutsche
Tragödie, in welcher lauter Personen, die in eben demselben Lande ge-
bohren sind, vorkämen, mit Leuten vorstellen, deren Mundart unterschie-
den wäre, als: Hochdeutsch, Niederdeutsch, Oesterreichisch, Schwä-
bisch, Tyrolisch, Schweitzerisch, u. s. w. so würde solcher Unterschied der
Aussprache auch die allerernsthafteste Tragödie lächerlich machen. Mit
der Musik hat es fast eine gleiche Bewandtniß, wenn bey solcher ein jedes
Mitglied seine besondere Art zu spielen hat. Z. E. Wollte man ein Or-
chester aus solchen Personen zusammen setzen, deren einige nur nach ita-
liänischem, andere nur nach französischem Geschmacke, andere außer die-
sen beyden Arten spieleten: so würde, wenn auch ein jeder in seiner Art
geschikt genug wäre, doch die Ausführung, wegen der Verschiedenheit
des Vortrages, eben dieselbe Wirkung thun, welche oben von der Tra-
gödie gesagt worden. Ja der Schade würde noch viel größer seyn: weil
bey der Tragödie doch nur einer nach dem andern redet; bey der Musik
aber, die meiste Zeit, von allen zugleich gespielet wird. Man glaubet
oftmals, daß, wenn nur die Hauptimme mit geschikten Leuten besetzet
sey, es mit den übrigen nicht viel zu sagen habe. Wie aber ein wenig
Essig auch den besten Wein verdirbt: also geschieht es auch in der Musik;
wenn nur einige Stimmen gut, die andern aber, und sollte es auch nur
eine einzige seyn, schlecht gespielet werden.

15. §.

Ein jeder Concertist muß, wenn er eine Ripienstimme spielet, seiner
Geschiklichkeit, die er im Concertiren und im Solospielen besitzet, auf
gewisse Art entsagen; und sich aus der Freyheit, die ihm, wenn er allein

hervor-

Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.
Gedanken von dem Componiſten verfertiget wird, auch keine andere Ab-
ſicht, als die Critik, und das Lachen zum Grunde hat, muß, wenn es
ſeinen Zweck erreichen ſoll, von den begleitenden Stimmen, zumal in
den laͤcherlichen Arien, nicht wie eine ernſthafte Oper, ſondern auf eine
niedrige, und ganz gemeine Art accompagniret werden. Ein gleiches iſt
bey einem Ballet von gemeinem Charakter zu beobachten: weil, wie ſchon
geſaget worden, das Accompagnement, nicht nur an dem Ernſthaften,
ſondern auch an dem Komiſchen, Antheil nehmen muß.

14. §.

Der Vortrag muß aber nicht allein gut, und jedem Stuͤcke gemaͤß;
ſondern auch bey allen Mitgliedern eines guten Orcheſters gleich und uͤber-
einſtimmend ſeyn. Man wird einraͤumen, daß eine Rede von dem einen
mehr Eindruck als von dem andern machet. Wollte man eine deutſche
Tragoͤdie, in welcher lauter Perſonen, die in eben demſelben Lande ge-
bohren ſind, vorkaͤmen, mit Leuten vorſtellen, deren Mundart unterſchie-
den waͤre, als: Hochdeutſch, Niederdeutſch, Oeſterreichiſch, Schwaͤ-
biſch, Tyroliſch, Schweitzeriſch, u. ſ. w. ſo wuͤrde ſolcher Unterſchied der
Ausſprache auch die allerernſthafteſte Tragoͤdie laͤcherlich machen. Mit
der Muſik hat es faſt eine gleiche Bewandtniß, wenn bey ſolcher ein jedes
Mitglied ſeine beſondere Art zu ſpielen hat. Z. E. Wollte man ein Or-
cheſter aus ſolchen Perſonen zuſammen ſetzen, deren einige nur nach ita-
liaͤniſchem, andere nur nach franzoͤſiſchem Geſchmacke, andere außer die-
ſen beyden Arten ſpieleten: ſo wuͤrde, wenn auch ein jeder in ſeiner Art
geſchikt genug waͤre, doch die Ausfuͤhrung, wegen der Verſchiedenheit
des Vortrages, eben dieſelbe Wirkung thun, welche oben von der Tra-
goͤdie geſagt worden. Ja der Schade wuͤrde noch viel groͤßer ſeyn: weil
bey der Tragoͤdie doch nur einer nach dem andern redet; bey der Muſik
aber, die meiſte Zeit, von allen zugleich geſpielet wird. Man glaubet
oftmals, daß, wenn nur die Hauptimme mit geſchikten Leuten beſetzet
ſey, es mit den uͤbrigen nicht viel zu ſagen habe. Wie aber ein wenig
Eſſig auch den beſten Wein verdirbt: alſo geſchieht es auch in der Muſik;
wenn nur einige Stimmen gut, die andern aber, und ſollte es auch nur
eine einzige ſeyn, ſchlecht geſpielet werden.

15. §.

Ein jeder Concertiſt muß, wenn er eine Ripienſtimme ſpielet, ſeiner
Geſchiklichkeit, die er im Concertiren und im Soloſpielen beſitzet, auf
gewiſſe Art entſagen; und ſich aus der Freyheit, die ihm, wenn er allein

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[246/0264] Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. Gedanken von dem Componiſten verfertiget wird, auch keine andere Ab- ſicht, als die Critik, und das Lachen zum Grunde hat, muß, wenn es ſeinen Zweck erreichen ſoll, von den begleitenden Stimmen, zumal in den laͤcherlichen Arien, nicht wie eine ernſthafte Oper, ſondern auf eine niedrige, und ganz gemeine Art accompagniret werden. Ein gleiches iſt bey einem Ballet von gemeinem Charakter zu beobachten: weil, wie ſchon geſaget worden, das Accompagnement, nicht nur an dem Ernſthaften, ſondern auch an dem Komiſchen, Antheil nehmen muß. 14. §. Der Vortrag muß aber nicht allein gut, und jedem Stuͤcke gemaͤß; ſondern auch bey allen Mitgliedern eines guten Orcheſters gleich und uͤber- einſtimmend ſeyn. Man wird einraͤumen, daß eine Rede von dem einen mehr Eindruck als von dem andern machet. Wollte man eine deutſche Tragoͤdie, in welcher lauter Perſonen, die in eben demſelben Lande ge- bohren ſind, vorkaͤmen, mit Leuten vorſtellen, deren Mundart unterſchie- den waͤre, als: Hochdeutſch, Niederdeutſch, Oeſterreichiſch, Schwaͤ- biſch, Tyroliſch, Schweitzeriſch, u. ſ. w. ſo wuͤrde ſolcher Unterſchied der Ausſprache auch die allerernſthafteſte Tragoͤdie laͤcherlich machen. Mit der Muſik hat es faſt eine gleiche Bewandtniß, wenn bey ſolcher ein jedes Mitglied ſeine beſondere Art zu ſpielen hat. Z. E. Wollte man ein Or- cheſter aus ſolchen Perſonen zuſammen ſetzen, deren einige nur nach ita- liaͤniſchem, andere nur nach franzoͤſiſchem Geſchmacke, andere außer die- ſen beyden Arten ſpieleten: ſo wuͤrde, wenn auch ein jeder in ſeiner Art geſchikt genug waͤre, doch die Ausfuͤhrung, wegen der Verſchiedenheit des Vortrages, eben dieſelbe Wirkung thun, welche oben von der Tra- goͤdie geſagt worden. Ja der Schade wuͤrde noch viel groͤßer ſeyn: weil bey der Tragoͤdie doch nur einer nach dem andern redet; bey der Muſik aber, die meiſte Zeit, von allen zugleich geſpielet wird. Man glaubet oftmals, daß, wenn nur die Hauptimme mit geſchikten Leuten beſetzet ſey, es mit den uͤbrigen nicht viel zu ſagen habe. Wie aber ein wenig Eſſig auch den beſten Wein verdirbt: alſo geſchieht es auch in der Muſik; wenn nur einige Stimmen gut, die andern aber, und ſollte es auch nur eine einzige ſeyn, ſchlecht geſpielet werden. 15. §. Ein jeder Concertiſt muß, wenn er eine Ripienſtimme ſpielet, ſeiner Geſchiklichkeit, die er im Concertiren und im Soloſpielen beſitzet, auf gewiſſe Art entſagen; und ſich aus der Freyheit, die ihm, wenn er allein hervor-

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/264>, abgerufen am 25.11.2024.