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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Von den Clavieristen insbesondere.

Zur zweyten Classe forte gehören:

Die Secunde mit der übermäßigen Quarte,
Die falsche Quinte mit der kleinen Sexte.

Der dritten Classe fortissimo zähle man zu:

Die übermäßige Secunde mit der übermäßigen Quarte,
Die kleine Terze mit der übermäßigen Quarte,
Die falsche Quinte mit der großen Sexte,
Die übermäßige Sexte,
Die mangelhafte Septime,
Die große Septime mit der Secunde und Quarte.

Jch habe zu diesem Beyspiele ein Adagio erwählet; denn dieses Zeit-
maaß ist, zu genauer und deutlicher Ausdrückung der Verschiedenheit der
Dissonanzen, das bequemste. Jch setze dabey voraus, daß man die conso-
nirenden Accorde des Adagio zu einem Solo nicht in der äußersten Stär-
ke, sondern überhaupt mezzo piano accompagniren müsse, damit man
den Vortheil behalte, wo es nöthig ist, schwächer und stärker spielen zu
können. Wenn aber an einigen Orten piano oder pianissimo dabey ge-
setzet ist; so müssen alsdenn, die darinne vorkommenden Dissonanzen,
mit einer proportionirlichen Stärke ausgedrücket werden; dergestalt, daß
beym Pianissimo die Dissonanzen aus der dritten Classe, nur die Stärke
von der ersten; und beym Piano die Stärke von der zweyten Classe be-
kommen: die übrigen aber nach diesem Verhältniß auch gemäßiget wer-
den: widrigenfalls würde der Abfall, wenn solcher mit einer allzu großen
Heftigkeit geschähe, dem Gehöre mehr Verdruß, als Vergnügen erwecken.
Man will durch diese Art zu accompagniren, eine Nachahmung der Men-
schenstimme, und solcher Jnstrumente, welche das Wachsen und Verlie.
ren des Tones in ihrer Gewalt haben, anstellen. Es muß aber freylich
auch, bey dieser Art mit dem Clavicymbal zu accompagniren, die gute
Beurtheilungskraft, und eine feine Empfindung der Seele, ein Vieles wir-
ken. Wem diese beyden Stücke fehlen, der wird es darinne nicht weit brin-
gen: es sey denn, daß er sich durch ein ernstliches Bemühen, und durch
viele Erfahrung dazu fähig machte: weil man durch Fleiß sich Erkennt-
niß zuwege bringen; durch Erkenntniß aber der Natur zu Hülfe kommen
kann.

(*)
15. §. Noch
(*) Wo das Mezzo forte steht, muß man nicht die Note über dem M, son-
dern die über dem F verstehen: weil es der Raum nicht anders zu schreiben er-
laubet, s. die Anmerkung zum 19 §. des folgenden Abschnitts.
F f 3
Von den Clavieriſten insbeſondere.

Zur zweyten Claſſe forte gehoͤren:

Die Secunde mit der uͤbermaͤßigen Quarte,
Die falſche Quinte mit der kleinen Sexte.

Der dritten Claſſe fortiſſimo zaͤhle man zu:

Die uͤbermaͤßige Secunde mit der uͤbermaͤßigen Quarte,
Die kleine Terze mit der uͤbermaͤßigen Quarte,
Die falſche Quinte mit der großen Sexte,
Die uͤbermaͤßige Sexte,
Die mangelhafte Septime,
Die große Septime mit der Secunde und Quarte.

Jch habe zu dieſem Beyſpiele ein Adagio erwaͤhlet; denn dieſes Zeit-
maaß iſt, zu genauer und deutlicher Ausdruͤckung der Verſchiedenheit der
Diſſonanzen, das bequemſte. Jch ſetze dabey voraus, daß man die conſo-
nirenden Accorde des Adagio zu einem Solo nicht in der aͤußerſten Staͤr-
ke, ſondern uͤberhaupt mezzo piano accompagniren muͤſſe, damit man
den Vortheil behalte, wo es noͤthig iſt, ſchwaͤcher und ſtaͤrker ſpielen zu
koͤnnen. Wenn aber an einigen Orten piano oder pianiſſimo dabey ge-
ſetzet iſt; ſo muͤſſen alsdenn, die darinne vorkommenden Diſſonanzen,
mit einer proportionirlichen Staͤrke ausgedruͤcket werden; dergeſtalt, daß
beym Pianiſſimo die Diſſonanzen aus der dritten Claſſe, nur die Staͤrke
von der erſten; und beym Piano die Staͤrke von der zweyten Claſſe be-
kommen: die uͤbrigen aber nach dieſem Verhaͤltniß auch gemaͤßiget wer-
den: widrigenfalls wuͤrde der Abfall, wenn ſolcher mit einer allzu großen
Heftigkeit geſchaͤhe, dem Gehoͤre mehr Verdruß, als Vergnuͤgen erwecken.
Man will durch dieſe Art zu accompagniren, eine Nachahmung der Men-
ſchenſtimme, und ſolcher Jnſtrumente, welche das Wachſen und Verlie.
ren des Tones in ihrer Gewalt haben, anſtellen. Es muß aber freylich
auch, bey dieſer Art mit dem Clavicymbal zu accompagniren, die gute
Beurtheilungskraft, und eine feine Empfindung der Seele, ein Vieles wir-
ken. Wem dieſe beyden Stuͤcke fehlen, der wird es darinne nicht weit brin-
gen: es ſey denn, daß er ſich durch ein ernſtliches Bemuͤhen, und durch
viele Erfahrung dazu faͤhig machte: weil man durch Fleiß ſich Erkennt-
niß zuwege bringen; durch Erkenntniß aber der Natur zu Huͤlfe kommen
kann.

(*)
15. §. Noch
(*) Wo das Mezzo forte ſteht, muß man nicht die Note uͤber dem M, ſon-
dern die uͤber dem F verſtehen: weil es der Raum nicht anders zu ſchreiben er-
laubet, ſ. die Anmerkung zum 19 §. des folgenden Abſchnitts.
F f 3
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[229/0247] Von den Clavieriſten insbeſondere. Zur zweyten Claſſe forte gehoͤren: Die Secunde mit der uͤbermaͤßigen Quarte, Die falſche Quinte mit der kleinen Sexte. Der dritten Claſſe fortiſſimo zaͤhle man zu: Die uͤbermaͤßige Secunde mit der uͤbermaͤßigen Quarte, Die kleine Terze mit der uͤbermaͤßigen Quarte, Die falſche Quinte mit der großen Sexte, Die uͤbermaͤßige Sexte, Die mangelhafte Septime, Die große Septime mit der Secunde und Quarte. Jch habe zu dieſem Beyſpiele ein Adagio erwaͤhlet; denn dieſes Zeit- maaß iſt, zu genauer und deutlicher Ausdruͤckung der Verſchiedenheit der Diſſonanzen, das bequemſte. Jch ſetze dabey voraus, daß man die conſo- nirenden Accorde des Adagio zu einem Solo nicht in der aͤußerſten Staͤr- ke, ſondern uͤberhaupt mezzo piano accompagniren muͤſſe, damit man den Vortheil behalte, wo es noͤthig iſt, ſchwaͤcher und ſtaͤrker ſpielen zu koͤnnen. Wenn aber an einigen Orten piano oder pianiſſimo dabey ge- ſetzet iſt; ſo muͤſſen alsdenn, die darinne vorkommenden Diſſonanzen, mit einer proportionirlichen Staͤrke ausgedruͤcket werden; dergeſtalt, daß beym Pianiſſimo die Diſſonanzen aus der dritten Claſſe, nur die Staͤrke von der erſten; und beym Piano die Staͤrke von der zweyten Claſſe be- kommen: die uͤbrigen aber nach dieſem Verhaͤltniß auch gemaͤßiget wer- den: widrigenfalls wuͤrde der Abfall, wenn ſolcher mit einer allzu großen Heftigkeit geſchaͤhe, dem Gehoͤre mehr Verdruß, als Vergnuͤgen erwecken. Man will durch dieſe Art zu accompagniren, eine Nachahmung der Men- ſchenſtimme, und ſolcher Jnſtrumente, welche das Wachſen und Verlie. ren des Tones in ihrer Gewalt haben, anſtellen. Es muß aber freylich auch, bey dieſer Art mit dem Clavicymbal zu accompagniren, die gute Beurtheilungskraft, und eine feine Empfindung der Seele, ein Vieles wir- ken. Wem dieſe beyden Stuͤcke fehlen, der wird es darinne nicht weit brin- gen: es ſey denn, daß er ſich durch ein ernſtliches Bemuͤhen, und durch viele Erfahrung dazu faͤhig machte: weil man durch Fleiß ſich Erkennt- niß zuwege bringen; durch Erkenntniß aber der Natur zu Huͤlfe kommen kann. (*) 15. §. Noch (*) Wo das Mezzo forte ſteht, muß man nicht die Note uͤber dem M, ſon- dern die uͤber dem F verſtehen: weil es der Raum nicht anders zu ſchreiben er- laubet, ſ. die Anmerkung zum 19 §. des folgenden Abſchnitts. F f 3

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/247>, abgerufen am 11.12.2024.