einzuführen wissen. Haben seine Verdienste ihm Hochachtung, und sein freundliches Bezeigen und leutseliger Umgang ihm Liebe erworben, so wird solches nicht schwer seyn.
8. §.
Für richtige und gleiche Einstimmung der Jnstrumente muß er besondere Sorge tragen. Je allgemeiner der Mangel des richtigen Zu- sammenstimmens ist; ie mehr Schaden richtet er an. Der Ton des Or- chesters mag hoch oder tief stehen, so wird er doch nicht vermögend seyn, die Verhinderung, so eine ungleiche Stimmung an der guten Ausnahme machet, zu ersetzen. Der Anführer muß also, wenn er eine richtige Stim- mung erhalten will, sein Jnstrument, bey Aufführung einer Musik, zu- erst nach dem Claviere rein stimmen; und darauf, nach demselben, einen jeden Jnstrumentisten insbesondere einstimmen lassen. Damit aber die Jnstrumente, so ferne die Musik nicht sogleich angeht, nicht wieder ver- stimmet werden; muß er nicht gestatten, daß ein jeder die Freyheit habe, nach eigenem Gefallen zu präludiren und zu phantasiren: welches ohnedem sehr unangenehm zu hören ist, und verursachet, daß öfters ein jeder sein Jnstrument noch nachstimmet, und endlich von der allgemeinen Stim- mung abweichet.
9. §.
Sollten unter dem Ripienisten sich einige befinden, deren Vortrag von andern noch unterschieden wäre: muß er solche insbesondere zur Ue- bung vornehmen, um ihnen die rechte Art beyzubringen: damit nicht ei- ner z. E. einen Triller hinsetze, wo andere simpel spielen; oder Noten schleife, welche von andern gestoßen werden; oder nach einem Vorschlage einen Mordanten mache, den die andern weglassen: weil doch die größte Schönheit der Ausführung darinne besteht, daß alle in einerley Art spielen.
10. §.
Er muß dahin sehen, daß alle seine Gefährten, mit ihm, nachdem es jede Sache erfodert, allezeit in gleicher Stärke oder Schwäche spie- len; besonders aber bey dem Wechsel des Piano und Forte, und ihrer verschiedenen Stufen, solche bey denen Noten, wo sie geschrieben stehen, alle zugleich ausdrücken. Er selbst muß sich nach der concertirenden Stimme, ob solche stark oder schwach ist, richten. Und weil er andern zum Muster und zum Anführer dienen soll, so wird es ihm rühmlich seyn, wenn er jederzeit gleiche Aufmerksamkeit bezeiget, und eine jede Composi-
tion,
Z 3
Von den Eigenſchaften eines Anfuͤhrers der Muſik.
einzufuͤhren wiſſen. Haben ſeine Verdienſte ihm Hochachtung, und ſein freundliches Bezeigen und leutſeliger Umgang ihm Liebe erworben, ſo wird ſolches nicht ſchwer ſeyn.
8. §.
Fuͤr richtige und gleiche Einſtimmung der Jnſtrumente muß er beſondere Sorge tragen. Je allgemeiner der Mangel des richtigen Zu- ſammenſtimmens iſt; ie mehr Schaden richtet er an. Der Ton des Or- cheſters mag hoch oder tief ſtehen, ſo wird er doch nicht vermoͤgend ſeyn, die Verhinderung, ſo eine ungleiche Stimmung an der guten Ausnahme machet, zu erſetzen. Der Anfuͤhrer muß alſo, wenn er eine richtige Stim- mung erhalten will, ſein Jnſtrument, bey Auffuͤhrung einer Muſik, zu- erſt nach dem Claviere rein ſtimmen; und darauf, nach demſelben, einen jeden Jnſtrumentiſten insbeſondere einſtimmen laſſen. Damit aber die Jnſtrumente, ſo ferne die Muſik nicht ſogleich angeht, nicht wieder ver- ſtimmet werden; muß er nicht geſtatten, daß ein jeder die Freyheit habe, nach eigenem Gefallen zu praͤludiren und zu phantaſiren: welches ohnedem ſehr unangenehm zu hoͤren iſt, und verurſachet, daß oͤfters ein jeder ſein Jnſtrument noch nachſtimmet, und endlich von der allgemeinen Stim- mung abweichet.
9. §.
Sollten unter dem Ripieniſten ſich einige befinden, deren Vortrag von andern noch unterſchieden waͤre: muß er ſolche insbeſondere zur Ue- bung vornehmen, um ihnen die rechte Art beyzubringen: damit nicht ei- ner z. E. einen Triller hinſetze, wo andere ſimpel ſpielen; oder Noten ſchleife, welche von andern geſtoßen werden; oder nach einem Vorſchlage einen Mordanten mache, den die andern weglaſſen: weil doch die groͤßte Schoͤnheit der Ausfuͤhrung darinne beſteht, daß alle in einerley Art ſpielen.
10. §.
Er muß dahin ſehen, daß alle ſeine Gefaͤhrten, mit ihm, nachdem es jede Sache erfodert, allezeit in gleicher Staͤrke oder Schwaͤche ſpie- len; beſonders aber bey dem Wechſel des Piano und Forte, und ihrer verſchiedenen Stufen, ſolche bey denen Noten, wo ſie geſchrieben ſtehen, alle zugleich ausdruͤcken. Er ſelbſt muß ſich nach der concertirenden Stimme, ob ſolche ſtark oder ſchwach iſt, richten. Und weil er andern zum Muſter und zum Anfuͤhrer dienen ſoll, ſo wird es ihm ruͤhmlich ſeyn, wenn er jederzeit gleiche Aufmerkſamkeit bezeiget, und eine jede Compoſi-
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Von den Eigenſchaften eines Anfuͤhrers der Muſik.
einzufuͤhren wiſſen. Haben ſeine Verdienſte ihm Hochachtung, und ſein
freundliches Bezeigen und leutſeliger Umgang ihm Liebe erworben, ſo
wird ſolches nicht ſchwer ſeyn.
8. §.
Fuͤr richtige und gleiche Einſtimmung der Jnſtrumente muß er
beſondere Sorge tragen. Je allgemeiner der Mangel des richtigen Zu-
ſammenſtimmens iſt; ie mehr Schaden richtet er an. Der Ton des Or-
cheſters mag hoch oder tief ſtehen, ſo wird er doch nicht vermoͤgend ſeyn,
die Verhinderung, ſo eine ungleiche Stimmung an der guten Ausnahme
machet, zu erſetzen. Der Anfuͤhrer muß alſo, wenn er eine richtige Stim-
mung erhalten will, ſein Jnſtrument, bey Auffuͤhrung einer Muſik, zu-
erſt nach dem Claviere rein ſtimmen; und darauf, nach demſelben, einen
jeden Jnſtrumentiſten insbeſondere einſtimmen laſſen. Damit aber die
Jnſtrumente, ſo ferne die Muſik nicht ſogleich angeht, nicht wieder ver-
ſtimmet werden; muß er nicht geſtatten, daß ein jeder die Freyheit habe,
nach eigenem Gefallen zu praͤludiren und zu phantaſiren: welches ohnedem
ſehr unangenehm zu hoͤren iſt, und verurſachet, daß oͤfters ein jeder ſein
Jnſtrument noch nachſtimmet, und endlich von der allgemeinen Stim-
mung abweichet.
9. §.
Sollten unter dem Ripieniſten ſich einige befinden, deren Vortrag
von andern noch unterſchieden waͤre: muß er ſolche insbeſondere zur Ue-
bung vornehmen, um ihnen die rechte Art beyzubringen: damit nicht ei-
ner z. E. einen Triller hinſetze, wo andere ſimpel ſpielen; oder Noten
ſchleife, welche von andern geſtoßen werden; oder nach einem Vorſchlage
einen Mordanten mache, den die andern weglaſſen: weil doch die groͤßte
Schoͤnheit der Ausfuͤhrung darinne beſteht, daß alle in einerley Art
ſpielen.
10. §.
Er muß dahin ſehen, daß alle ſeine Gefaͤhrten, mit ihm, nachdem
es jede Sache erfodert, allezeit in gleicher Staͤrke oder Schwaͤche ſpie-
len; beſonders aber bey dem Wechſel des Piano und Forte, und ihrer
verſchiedenen Stufen, ſolche bey denen Noten, wo ſie geſchrieben ſtehen,
alle zugleich ausdruͤcken. Er ſelbſt muß ſich nach der concertirenden
Stimme, ob ſolche ſtark oder ſchwach iſt, richten. Und weil er andern
zum Muſter und zum Anfuͤhrer dienen ſoll, ſo wird es ihm ruͤhmlich ſeyn,
wenn er jederzeit gleiche Aufmerkſamkeit bezeiget, und eine jede Compoſi-
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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/199>, abgerufen am 22.07.2024.
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