Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Das XIV. Hauptstück.
staben, den Ort der Veränderungen, an. Unter diesen sind etliche nicht
auf eben denselben Tönen, wie sie in den Tabellen stehen, sondern entwe-
der höher oder niedriger gesetzet: um zu weisen, daß wie oben bereits
gemeldet worden, die Veränderungen, so wohl in Modulationen mit
der großen, als mit der kleinen Terze versetzet werden können.

24. §.

Diese Art zu verändern will ich nun zwar keinem puren Anfänger,
der noch nicht einmal den simpeln Gesang recht zu spielen weis, zumu-
then: sondern ich gebe solche nur den schon Geübten, welchen es aber,
an der wahren Anführung gefehlet hat, zum Nachforschen; um sich hier-
durch immer mehr und mehr vollkommener zu machen. Jch verlange
auch nicht, daß man alle Adagio wie dieses einrichten, und so mit Ma-
nieren überhäufen solle: sondern es ist dergleichen nur da, wo es der platte
Gesang, wie hier, erfodert, anzubringen. Jch bleibe im übrigen bey der
Meynung, wie ich schon vorher gemeldet habe: je simpler und properer
ein Adagio mit Affecte gespielet wird; jemehr nimmt es den Zuhörer ein:
und je weniger werden des Componisten seine guten Gedanken, so er mit
Fleiß und Nachsinnen erfunden, verdunkelt oder vernichtet. Denn es
ist etwas rares, so gleich im Spielen etwas bessers, als ein anderer, der
vielleicht lange darauf gedacht hat, zu erfinden.

25. §.

Jch muß nun auch noch zeigen, wie jede Note in diesem Exempel,
absonderlich in Ansehung des abwechselnden Forte und Piano, gut vorzu-
tragen sey. Jch gebe hierdurch die im 14. §. des XI. Hauptstücks ver-
sprochene Erläuterung der Mannigfaltigkeit des guten Vortrages: und
weil ich glaube, daß es den Liebhabern dieses guten Vortrages nicht zu-
wider seyn wird; so will ich alle die Veränderungen, die ich über die sim-
peln Jntervalle gegeben habe, auf diese Art durchgehen, und was durch
Worte auszudrücken möglich ist, dabey bemerken: das übrige aber der
Beurtheilungskraft, und der eigenen Empfindung eines aufmerksamen
Ausführers überlassen. Die Ziffern weisen auf die Tabellen, und auf die
Hauptexempel oder Figuren bey jedem Jntervalle: die Buchstaben aber
auf die darinn befindlichen Gänge, wovon die Rede seyn wird. Jm Vor-
aus erinnere ich noch, daß, so lange nichts vom Allegro gemeldet wird,
allezeit das langsame Zeitmaaß dabey verstanden werde. Die abgekürze-
ten Worte sind folgender Gestalt zu verstehen: wa. wachsend, oder
mit zunehmender Stärke des Tones; abn. abnehmend, oder mit

abneh-

Das XIV. Hauptſtuͤck.
ſtaben, den Ort der Veraͤnderungen, an. Unter dieſen ſind etliche nicht
auf eben denſelben Toͤnen, wie ſie in den Tabellen ſtehen, ſondern entwe-
der hoͤher oder niedriger geſetzet: um zu weiſen, daß wie oben bereits
gemeldet worden, die Veraͤnderungen, ſo wohl in Modulationen mit
der großen, als mit der kleinen Terze verſetzet werden koͤnnen.

24. §.

Dieſe Art zu veraͤndern will ich nun zwar keinem puren Anfaͤnger,
der noch nicht einmal den ſimpeln Geſang recht zu ſpielen weis, zumu-
then: ſondern ich gebe ſolche nur den ſchon Geuͤbten, welchen es aber,
an der wahren Anfuͤhrung gefehlet hat, zum Nachforſchen; um ſich hier-
durch immer mehr und mehr vollkommener zu machen. Jch verlange
auch nicht, daß man alle Adagio wie dieſes einrichten, und ſo mit Ma-
nieren uͤberhaͤufen ſolle: ſondern es iſt dergleichen nur da, wo es der platte
Geſang, wie hier, erfodert, anzubringen. Jch bleibe im uͤbrigen bey der
Meynung, wie ich ſchon vorher gemeldet habe: je ſimpler und properer
ein Adagio mit Affecte geſpielet wird; jemehr nimmt es den Zuhoͤrer ein:
und je weniger werden des Componiſten ſeine guten Gedanken, ſo er mit
Fleiß und Nachſinnen erfunden, verdunkelt oder vernichtet. Denn es
iſt etwas rares, ſo gleich im Spielen etwas beſſers, als ein anderer, der
vielleicht lange darauf gedacht hat, zu erfinden.

25. §.

Jch muß nun auch noch zeigen, wie jede Note in dieſem Exempel,
abſonderlich in Anſehung des abwechſelnden Forte und Piano, gut vorzu-
tragen ſey. Jch gebe hierdurch die im 14. §. des XI. Hauptſtuͤcks ver-
ſprochene Erlaͤuterung der Mannigfaltigkeit des guten Vortrages: und
weil ich glaube, daß es den Liebhabern dieſes guten Vortrages nicht zu-
wider ſeyn wird; ſo will ich alle die Veraͤnderungen, die ich uͤber die ſim-
peln Jntervalle gegeben habe, auf dieſe Art durchgehen, und was durch
Worte auszudruͤcken moͤglich iſt, dabey bemerken: das uͤbrige aber der
Beurtheilungskraft, und der eigenen Empfindung eines aufmerkſamen
Ausfuͤhrers uͤberlaſſen. Die Ziffern weiſen auf die Tabellen, und auf die
Hauptexempel oder Figuren bey jedem Jntervalle: die Buchſtaben aber
auf die darinn befindlichen Gaͤnge, wovon die Rede ſeyn wird. Jm Vor-
aus erinnere ich noch, daß, ſo lange nichts vom Allegro gemeldet wird,
allezeit das langſame Zeitmaaß dabey verſtanden werde. Die abgekuͤrze-
ten Worte ſind folgender Geſtalt zu verſtehen: wa. wachſend, oder
mit zunehmender Staͤrke des Tones; abn. abnehmend, oder mit

abneh-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0162" n="144"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">XIV.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
&#x017F;taben, den Ort der Vera&#x0364;nderungen, an. Unter die&#x017F;en &#x017F;ind etliche nicht<lb/>
auf eben den&#x017F;elben To&#x0364;nen, wie &#x017F;ie in den Tabellen &#x017F;tehen, &#x017F;ondern entwe-<lb/>
der ho&#x0364;her oder niedriger ge&#x017F;etzet: um zu wei&#x017F;en, daß wie oben bereits<lb/>
gemeldet worden, die Vera&#x0364;nderungen, &#x017F;o wohl in Modulationen mit<lb/>
der großen, als mit der kleinen Terze ver&#x017F;etzet werden ko&#x0364;nnen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>24. §.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Art zu vera&#x0364;ndern will ich nun zwar keinem puren Anfa&#x0364;nger,<lb/>
der noch nicht einmal den &#x017F;impeln Ge&#x017F;ang recht zu &#x017F;pielen weis, zumu-<lb/>
then: &#x017F;ondern ich gebe &#x017F;olche nur den &#x017F;chon Geu&#x0364;bten, welchen es aber,<lb/>
an der wahren Anfu&#x0364;hrung gefehlet hat, zum Nachfor&#x017F;chen; um &#x017F;ich hier-<lb/>
durch immer mehr und mehr vollkommener zu machen. Jch verlange<lb/>
auch nicht, daß man alle Adagio wie die&#x017F;es einrichten, und &#x017F;o mit Ma-<lb/>
nieren u&#x0364;berha&#x0364;ufen &#x017F;olle: &#x017F;ondern es i&#x017F;t dergleichen nur da, wo es der platte<lb/>
Ge&#x017F;ang, wie hier, erfodert, anzubringen. Jch bleibe im u&#x0364;brigen bey der<lb/>
Meynung, wie ich &#x017F;chon vorher gemeldet habe: je &#x017F;impler und properer<lb/>
ein Adagio mit Affecte ge&#x017F;pielet wird; jemehr nimmt es den Zuho&#x0364;rer ein:<lb/>
und je weniger werden des Componi&#x017F;ten &#x017F;eine guten Gedanken, &#x017F;o er mit<lb/>
Fleiß und Nach&#x017F;innen erfunden, verdunkelt oder vernichtet. Denn es<lb/>
i&#x017F;t etwas rares, &#x017F;o gleich im Spielen etwas be&#x017F;&#x017F;ers, als ein anderer, der<lb/>
vielleicht lange darauf gedacht hat, zu erfinden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>25. §.</head><lb/>
            <p>Jch muß nun auch noch zeigen, wie jede Note in die&#x017F;em Exempel,<lb/>
ab&#x017F;onderlich in An&#x017F;ehung des abwech&#x017F;elnden Forte und Piano, gut vorzu-<lb/>
tragen &#x017F;ey. Jch gebe hierdurch die im 14. §. des <hi rendition="#aq">XI.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;cks ver-<lb/>
&#x017F;prochene Erla&#x0364;uterung der <hi rendition="#fr">Mannigfaltigkeit</hi> des guten Vortrages: und<lb/>
weil ich glaube, daß es den Liebhabern die&#x017F;es guten Vortrages nicht zu-<lb/>
wider &#x017F;eyn wird; &#x017F;o will ich alle die Vera&#x0364;nderungen, die ich u&#x0364;ber die &#x017F;im-<lb/>
peln Jntervalle gegeben habe, auf die&#x017F;e Art durchgehen, und was durch<lb/>
Worte auszudru&#x0364;cken mo&#x0364;glich i&#x017F;t, dabey bemerken: das u&#x0364;brige aber der<lb/>
Beurtheilungskraft, und der eigenen Empfindung eines aufmerk&#x017F;amen<lb/>
Ausfu&#x0364;hrers u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en. Die Ziffern wei&#x017F;en auf die Tabellen, und auf die<lb/>
Hauptexempel oder Figuren bey jedem Jntervalle: die Buch&#x017F;taben aber<lb/>
auf die darinn befindlichen Ga&#x0364;nge, wovon die Rede &#x017F;eyn wird. Jm Vor-<lb/>
aus erinnere ich noch, daß, &#x017F;o lange nichts vom Allegro gemeldet wird,<lb/>
allezeit das lang&#x017F;ame Zeitmaaß dabey ver&#x017F;tanden werde. Die abgeku&#x0364;rze-<lb/>
ten Worte &#x017F;ind folgender Ge&#x017F;talt zu ver&#x017F;tehen: <hi rendition="#fr">wa. wach&#x017F;end,</hi> oder<lb/>
mit zunehmender Sta&#x0364;rke des Tones; <hi rendition="#fr">abn. abnehmend,</hi> oder mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">abneh-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0162] Das XIV. Hauptſtuͤck. ſtaben, den Ort der Veraͤnderungen, an. Unter dieſen ſind etliche nicht auf eben denſelben Toͤnen, wie ſie in den Tabellen ſtehen, ſondern entwe- der hoͤher oder niedriger geſetzet: um zu weiſen, daß wie oben bereits gemeldet worden, die Veraͤnderungen, ſo wohl in Modulationen mit der großen, als mit der kleinen Terze verſetzet werden koͤnnen. 24. §. Dieſe Art zu veraͤndern will ich nun zwar keinem puren Anfaͤnger, der noch nicht einmal den ſimpeln Geſang recht zu ſpielen weis, zumu- then: ſondern ich gebe ſolche nur den ſchon Geuͤbten, welchen es aber, an der wahren Anfuͤhrung gefehlet hat, zum Nachforſchen; um ſich hier- durch immer mehr und mehr vollkommener zu machen. Jch verlange auch nicht, daß man alle Adagio wie dieſes einrichten, und ſo mit Ma- nieren uͤberhaͤufen ſolle: ſondern es iſt dergleichen nur da, wo es der platte Geſang, wie hier, erfodert, anzubringen. Jch bleibe im uͤbrigen bey der Meynung, wie ich ſchon vorher gemeldet habe: je ſimpler und properer ein Adagio mit Affecte geſpielet wird; jemehr nimmt es den Zuhoͤrer ein: und je weniger werden des Componiſten ſeine guten Gedanken, ſo er mit Fleiß und Nachſinnen erfunden, verdunkelt oder vernichtet. Denn es iſt etwas rares, ſo gleich im Spielen etwas beſſers, als ein anderer, der vielleicht lange darauf gedacht hat, zu erfinden. 25. §. Jch muß nun auch noch zeigen, wie jede Note in dieſem Exempel, abſonderlich in Anſehung des abwechſelnden Forte und Piano, gut vorzu- tragen ſey. Jch gebe hierdurch die im 14. §. des XI. Hauptſtuͤcks ver- ſprochene Erlaͤuterung der Mannigfaltigkeit des guten Vortrages: und weil ich glaube, daß es den Liebhabern dieſes guten Vortrages nicht zu- wider ſeyn wird; ſo will ich alle die Veraͤnderungen, die ich uͤber die ſim- peln Jntervalle gegeben habe, auf dieſe Art durchgehen, und was durch Worte auszudruͤcken moͤglich iſt, dabey bemerken: das uͤbrige aber der Beurtheilungskraft, und der eigenen Empfindung eines aufmerkſamen Ausfuͤhrers uͤberlaſſen. Die Ziffern weiſen auf die Tabellen, und auf die Hauptexempel oder Figuren bey jedem Jntervalle: die Buchſtaben aber auf die darinn befindlichen Gaͤnge, wovon die Rede ſeyn wird. Jm Vor- aus erinnere ich noch, daß, ſo lange nichts vom Allegro gemeldet wird, allezeit das langſame Zeitmaaß dabey verſtanden werde. Die abgekuͤrze- ten Worte ſind folgender Geſtalt zu verſtehen: wa. wachſend, oder mit zunehmender Staͤrke des Tones; abn. abnehmend, oder mit abneh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/162
Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/162>, abgerufen am 18.12.2024.