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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Von der Art das Allegro zu spielen.
26. §.

Der simple Gesang muß im Allegro, eben so wohl als im Adagio,
durch Vorschläge, und durch die andern kleinen wesentlichen Manieren, aus-
gezieret und gefälliger gemacht werden: nachdem es jedesmal die vor-
kommende Leidenschaft erheischet. Das Prächtige leidet wenig Zusatz:
was sich aber ja noch etwa dazu schicket, muß erhaben vorgetragen wer-
den. Das Schmeichelnde erfodert Vorschläge, schleifende Noten, und
einen zärtlichen Ausdruck. Das Lustige hingegen verlanget nett geendigte
Triller, Mordanten, und einen scherzhaften Vortrag.

27. §.

Von willkührlichen Veränderungen leidet das Allegro nicht viel; weil
es mehrentheils mit einem solchen Gesange, und solchen Passagien ge-
setzet wird, worinne nicht viel zu verbessern ist. Will man aber dennoch
was verändern, so muß es nicht eher als bey der Wiederholung geschehen;
welches in einem Solo, wo das Allegro aus zwo Reprisen besteht, am
füglichsten angeht. Schöne singende Gedanken aber, deren man nicht
leicht überdrüßig werden kann, ingleichen brillante Passagien, welche an
sich selbst eine hinreichende gefällige Melodie haben, darf man nicht ver-
ändern: sondern nur solche Gedanken, die eben keinen großen Eindruck
machen. Denn der Zuhörer wird nicht so wohl durch die Geschiklichkeit
des Ausführers, als vielmehr durch das Schöne, welches er mit Ge-
schiklichkeit vorzutragen weis, gerühret. Kommen aber durch das Ver-
sehen des Componisten, allzuöftere Wiederholungen vor, welche leicht Ver-
druß erwecken können: so ist in diesem Falle der Ausführer befuget, sol-
ches durch seine Geschiklichkeit zu verbessern. Jch sage verbessern, aber
ja nicht verstümmeln. Manche glauben, wenn sie nur immer verändern,
so sey der Sache schon geholfen; ob sie gleich dadurch öfters mehr verder-
ben, als gut machen.

Das
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Von der Art das Allegro zu ſpielen.
26. §.

Der ſimple Geſang muß im Allegro, eben ſo wohl als im Adagio,
durch Vorſchlaͤge, und durch die andern kleinen weſentlichen Manieren, aus-
gezieret und gefaͤlliger gemacht werden: nachdem es jedesmal die vor-
kommende Leidenſchaft erheiſchet. Das Praͤchtige leidet wenig Zuſatz:
was ſich aber ja noch etwa dazu ſchicket, muß erhaben vorgetragen wer-
den. Das Schmeichelnde erfodert Vorſchlaͤge, ſchleifende Noten, und
einen zaͤrtlichen Ausdruck. Das Luſtige hingegen verlanget nett geendigte
Triller, Mordanten, und einen ſcherzhaften Vortrag.

27. §.

Von willkuͤhrlichen Veraͤnderungen leidet das Allegro nicht viel; weil
es mehrentheils mit einem ſolchen Geſange, und ſolchen Paſſagien ge-
ſetzet wird, worinne nicht viel zu verbeſſern iſt. Will man aber dennoch
was veraͤndern, ſo muß es nicht eher als bey der Wiederholung geſchehen;
welches in einem Solo, wo das Allegro aus zwo Repriſen beſteht, am
fuͤglichſten angeht. Schoͤne ſingende Gedanken aber, deren man nicht
leicht uͤberdruͤßig werden kann, ingleichen brillante Paſſagien, welche an
ſich ſelbſt eine hinreichende gefaͤllige Melodie haben, darf man nicht ver-
aͤndern: ſondern nur ſolche Gedanken, die eben keinen großen Eindruck
machen. Denn der Zuhoͤrer wird nicht ſo wohl durch die Geſchiklichkeit
des Ausfuͤhrers, als vielmehr durch das Schoͤne, welches er mit Ge-
ſchiklichkeit vorzutragen weis, geruͤhret. Kommen aber durch das Ver-
ſehen des Componiſten, allzuoͤftere Wiederholungen vor, welche leicht Ver-
druß erwecken koͤnnen: ſo iſt in dieſem Falle der Ausfuͤhrer befuget, ſol-
ches durch ſeine Geſchiklichkeit zu verbeſſern. Jch ſage verbeſſern, aber
ja nicht verſtuͤmmeln. Manche glauben, wenn ſie nur immer veraͤndern,
ſo ſey der Sache ſchon geholfen; ob ſie gleich dadurch oͤfters mehr verder-
ben, als gut machen.

Das
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[117/0135] Von der Art das Allegro zu ſpielen. 26. §. Der ſimple Geſang muß im Allegro, eben ſo wohl als im Adagio, durch Vorſchlaͤge, und durch die andern kleinen weſentlichen Manieren, aus- gezieret und gefaͤlliger gemacht werden: nachdem es jedesmal die vor- kommende Leidenſchaft erheiſchet. Das Praͤchtige leidet wenig Zuſatz: was ſich aber ja noch etwa dazu ſchicket, muß erhaben vorgetragen wer- den. Das Schmeichelnde erfodert Vorſchlaͤge, ſchleifende Noten, und einen zaͤrtlichen Ausdruck. Das Luſtige hingegen verlanget nett geendigte Triller, Mordanten, und einen ſcherzhaften Vortrag. 27. §. Von willkuͤhrlichen Veraͤnderungen leidet das Allegro nicht viel; weil es mehrentheils mit einem ſolchen Geſange, und ſolchen Paſſagien ge- ſetzet wird, worinne nicht viel zu verbeſſern iſt. Will man aber dennoch was veraͤndern, ſo muß es nicht eher als bey der Wiederholung geſchehen; welches in einem Solo, wo das Allegro aus zwo Repriſen beſteht, am fuͤglichſten angeht. Schoͤne ſingende Gedanken aber, deren man nicht leicht uͤberdruͤßig werden kann, ingleichen brillante Paſſagien, welche an ſich ſelbſt eine hinreichende gefaͤllige Melodie haben, darf man nicht ver- aͤndern: ſondern nur ſolche Gedanken, die eben keinen großen Eindruck machen. Denn der Zuhoͤrer wird nicht ſo wohl durch die Geſchiklichkeit des Ausfuͤhrers, als vielmehr durch das Schoͤne, welches er mit Ge- ſchiklichkeit vorzutragen weis, geruͤhret. Kommen aber durch das Ver- ſehen des Componiſten, allzuoͤftere Wiederholungen vor, welche leicht Ver- druß erwecken koͤnnen: ſo iſt in dieſem Falle der Ausfuͤhrer befuget, ſol- ches durch ſeine Geſchiklichkeit zu verbeſſern. Jch ſage verbeſſern, aber ja nicht verſtuͤmmeln. Manche glauben, wenn ſie nur immer veraͤndern, ſo ſey der Sache ſchon geholfen; ob ſie gleich dadurch oͤfters mehr verder- ben, als gut machen. Das P 3

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/135>, abgerufen am 28.11.2024.