maaßes verursachet. Man muß deswegen das Tempo nach den schwere- sten Passagien fassen.
9. §.
Wenn in einem Allegro nebst den Passagien, so aus Sechzehn- theilen oder Zwey und dreyßigtheilen bestehen, auch Triolen, welche einmal weniger geschwänzet sind als die Passagien, mit untermischet sind: so muß man, in Ansehung der Geschwindigkeit, sich nicht nach den Triolen, son- dern nach den Passagien selbst richten; sonst kömmt man im Zeitmaaße zu kurz: weil sechzehn gleiche Noten, in einem Tacte, mehr Zeit erfodern, als vier Triolen. Folglich müssen die letztern gemäßiget werden.
10. §.
Bey den Triolen muß man sich wohl in Acht nehmen, daß man sie recht rund und egal mache; nicht aber die zwo ersten Noten davon über- eile: damit diese nicht klingen, als wenn sie noch einmal mehr geschwänzet wären; denn auf solche Art würden sie keine Triolen mehr bleiben. Man kann deswegen die erste Note einer Triole, weil sie die Hauptnote im Ac- corde ist, ein wenig anhalten: damit das Zeitmaaß dadurch nicht über- trieben, und der Vortrag folglich mangelhaft werde.
11. §.
Bey aller Lebhaftigkeit, so zum Allegro erfodert wird, muß man sich dessen ungeachtet niemals aus seiner Gelassenheit bringen lassen. Denn alles was übereilet gespielet wird, verursachet bey den Zuhörern eher eine Aengstlichkeit als Zufriedenheit. Man muß nur allezeit den Affect, welchen man auszudrücken hat, nicht aber das Geschwindspielen zu seinem Hauptzwecke machen. Man könnte eine musikalische Maschine durch Kunst zubereiten, daß sie gewisse Stücke mit so besonderer Geschwindigkeit und Richtigkeit spielete, welche kein Mensch, weder mit den Fingern, noch mit der Zunge nachzumachen fähig wäre. Dieses würde auch wohl Ver- wunderung erwecken; rühren aber würde es niemals: und wenn man der- gleichen ein paarmal gehöret hat, und die Beschaffenheit der Sache weis; so höret auch die Verwunderung auf. Wer nun den Vorzug der Rüh- rung vor der Maschine behaupten will, der muß zwar jedes Stück in sei- nem gehörigen Feuer spielen: übermäßig übertreiben aber muß er es nie- mals; sonst würde das Stück alle seine Annehmlichkeit verlieren.
12. §.
Bey den kurzen Pausen, welche anstatt der Hauptnoten im Nieder- schlage vorkommen, muß man sich wohl in Acht nehmen, daß man die No-
ten
P
Von der Art das Allegro zu ſpielen.
maaßes verurſachet. Man muß deswegen das Tempo nach den ſchwere- ſten Paſſagien faſſen.
9. §.
Wenn in einem Allegro nebſt den Paſſagien, ſo aus Sechzehn- theilen oder Zwey und dreyßigtheilen beſtehen, auch Triolen, welche einmal weniger geſchwaͤnzet ſind als die Paſſagien, mit untermiſchet ſind: ſo muß man, in Anſehung der Geſchwindigkeit, ſich nicht nach den Triolen, ſon- dern nach den Paſſagien ſelbſt richten; ſonſt koͤmmt man im Zeitmaaße zu kurz: weil ſechzehn gleiche Noten, in einem Tacte, mehr Zeit erfodern, als vier Triolen. Folglich muͤſſen die letztern gemaͤßiget werden.
10. §.
Bey den Triolen muß man ſich wohl in Acht nehmen, daß man ſie recht rund und egal mache; nicht aber die zwo erſten Noten davon uͤber- eile: damit dieſe nicht klingen, als wenn ſie noch einmal mehr geſchwaͤnzet waͤren; denn auf ſolche Art wuͤrden ſie keine Triolen mehr bleiben. Man kann deswegen die erſte Note einer Triole, weil ſie die Hauptnote im Ac- corde iſt, ein wenig anhalten: damit das Zeitmaaß dadurch nicht uͤber- trieben, und der Vortrag folglich mangelhaft werde.
11. §.
Bey aller Lebhaftigkeit, ſo zum Allegro erfodert wird, muß man ſich deſſen ungeachtet niemals aus ſeiner Gelaſſenheit bringen laſſen. Denn alles was uͤbereilet geſpielet wird, verurſachet bey den Zuhoͤrern eher eine Aengſtlichkeit als Zufriedenheit. Man muß nur allezeit den Affect, welchen man auszudruͤcken hat, nicht aber das Geſchwindſpielen zu ſeinem Hauptzwecke machen. Man koͤnnte eine muſikaliſche Maſchine durch Kunſt zubereiten, daß ſie gewiſſe Stuͤcke mit ſo beſonderer Geſchwindigkeit und Richtigkeit ſpielete, welche kein Menſch, weder mit den Fingern, noch mit der Zunge nachzumachen faͤhig waͤre. Dieſes wuͤrde auch wohl Ver- wunderung erwecken; ruͤhren aber wuͤrde es niemals: und wenn man der- gleichen ein paarmal gehoͤret hat, und die Beſchaffenheit der Sache weis; ſo hoͤret auch die Verwunderung auf. Wer nun den Vorzug der Ruͤh- rung vor der Maſchine behaupten will, der muß zwar jedes Stuͤck in ſei- nem gehoͤrigen Feuer ſpielen: uͤbermaͤßig uͤbertreiben aber muß er es nie- mals; ſonſt wuͤrde das Stuͤck alle ſeine Annehmlichkeit verlieren.
12. §.
Bey den kurzen Pauſen, welche anſtatt der Hauptnoten im Nieder- ſchlage vorkommen, muß man ſich wohl in Acht nehmen, daß man die No-
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Von der Art das Allegro zu ſpielen.
maaßes verurſachet. Man muß deswegen das Tempo nach den ſchwere-
ſten Paſſagien faſſen.
9. §.
Wenn in einem Allegro nebſt den Paſſagien, ſo aus Sechzehn-
theilen oder Zwey und dreyßigtheilen beſtehen, auch Triolen, welche einmal
weniger geſchwaͤnzet ſind als die Paſſagien, mit untermiſchet ſind: ſo muß
man, in Anſehung der Geſchwindigkeit, ſich nicht nach den Triolen, ſon-
dern nach den Paſſagien ſelbſt richten; ſonſt koͤmmt man im Zeitmaaße zu
kurz: weil ſechzehn gleiche Noten, in einem Tacte, mehr Zeit erfodern,
als vier Triolen. Folglich muͤſſen die letztern gemaͤßiget werden.
10. §.
Bey den Triolen muß man ſich wohl in Acht nehmen, daß man ſie
recht rund und egal mache; nicht aber die zwo erſten Noten davon uͤber-
eile: damit dieſe nicht klingen, als wenn ſie noch einmal mehr geſchwaͤnzet
waͤren; denn auf ſolche Art wuͤrden ſie keine Triolen mehr bleiben. Man
kann deswegen die erſte Note einer Triole, weil ſie die Hauptnote im Ac-
corde iſt, ein wenig anhalten: damit das Zeitmaaß dadurch nicht uͤber-
trieben, und der Vortrag folglich mangelhaft werde.
11. §.
Bey aller Lebhaftigkeit, ſo zum Allegro erfodert wird, muß man
ſich deſſen ungeachtet niemals aus ſeiner Gelaſſenheit bringen laſſen.
Denn alles was uͤbereilet geſpielet wird, verurſachet bey den Zuhoͤrern eher
eine Aengſtlichkeit als Zufriedenheit. Man muß nur allezeit den Affect,
welchen man auszudruͤcken hat, nicht aber das Geſchwindſpielen zu ſeinem
Hauptzwecke machen. Man koͤnnte eine muſikaliſche Maſchine durch
Kunſt zubereiten, daß ſie gewiſſe Stuͤcke mit ſo beſonderer Geſchwindigkeit
und Richtigkeit ſpielete, welche kein Menſch, weder mit den Fingern, noch
mit der Zunge nachzumachen faͤhig waͤre. Dieſes wuͤrde auch wohl Ver-
wunderung erwecken; ruͤhren aber wuͤrde es niemals: und wenn man der-
gleichen ein paarmal gehoͤret hat, und die Beſchaffenheit der Sache weis;
ſo hoͤret auch die Verwunderung auf. Wer nun den Vorzug der Ruͤh-
rung vor der Maſchine behaupten will, der muß zwar jedes Stuͤck in ſei-
nem gehoͤrigen Feuer ſpielen: uͤbermaͤßig uͤbertreiben aber muß er es nie-
mals; ſonſt wuͤrde das Stuͤck alle ſeine Annehmlichkeit verlieren.
12. §.
Bey den kurzen Pauſen, welche anſtatt der Hauptnoten im Nieder-
ſchlage vorkommen, muß man ſich wohl in Acht nehmen, daß man die No-
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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/131>, abgerufen am 27.07.2024.
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