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Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691.

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fünftes Capitel.
wiegendes Ubel entstehen solte. Und
also kan die Noth zwar so viel nicht
zuwege bringen/ daß man ihrentwe-
gen einem Gesetze schnur-stracks zu
wider handeln/ und eine Missethat
verüben dürffte: sondern es lässet
sich aus der vermuthlichen gelindern
Meinung derer Gesetz-Geber/ und
vor Augen gehabten Betrachtung
der menschlichen Schwachheit nur
urtheilen/ daß der gegenwärtige
Nothfall unter den allzugemein ab-
gefaßten Gesetze nicht mit enthalten
sey. Es lässet sich dis am füglichsten
mit ein und andern Exempel erläu-
tern. Ob gleich der Mensch sonst so
viel recht über seine Gliedmassen
nicht hat/ daß er sie nach eigenen Ge-
fallen verstimmlen/ oder verderben
dürffe; So mag er doch ein schad-
hafftes/ und sonst unheilbares gar
wohl abschneiden/ damit der gantze
Leib hiedurch nicht in Gefahr gera-

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fuͤnftes Capitel.
wiegendes Ubel entſtehen ſolte. Und
alſo kan die Noth zwar ſo viel nicht
zuwege bringen/ daß man ihrentwe-
gen einem Geſetze ſchnur-ſtracks zu
wider handeln/ und eine Miſſethat
veruͤben duͤrffte: ſondern es laͤſſet
ſich aus der vermuthlichen gelindern
Meinung derer Geſetz-Geber/ und
vor Augen gehabten Betrachtung
der menſchlichen Schwachheit nur
urtheilen/ daß der gegenwaͤrtige
Nothfall unter den allzugemein ab-
gefaßten Geſetze nicht mit enthalten
ſey. Es laͤſſet ſich dis am fuͤglichſten
mit ein und andern Exempel erlaͤu-
tern. Ob gleich der Menſch ſonſt ſo
viel recht uͤber ſeine Gliedmaſſen
nicht hat/ daß er ſie nach eigenen Ge-
fallen verſtimmlen/ oder verderben
duͤrffe; So mag er doch ein ſchad-
hafftes/ und ſonſt unheilbares gar
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Leib hiedurch nicht in Gefahr gera-

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[161/0225] fuͤnftes Capitel. wiegendes Ubel entſtehen ſolte. Und alſo kan die Noth zwar ſo viel nicht zuwege bringen/ daß man ihrentwe- gen einem Geſetze ſchnur-ſtracks zu wider handeln/ und eine Miſſethat veruͤben duͤrffte: ſondern es laͤſſet ſich aus der vermuthlichen gelindern Meinung derer Geſetz-Geber/ und vor Augen gehabten Betrachtung der menſchlichen Schwachheit nur urtheilen/ daß der gegenwaͤrtige Nothfall unter den allzugemein ab- gefaßten Geſetze nicht mit enthalten ſey. Es laͤſſet ſich dis am fuͤglichſten mit ein und andern Exempel erlaͤu- tern. Ob gleich der Menſch ſonſt ſo viel recht uͤber ſeine Gliedmaſſen nicht hat/ daß er ſie nach eigenen Ge- fallen verſtimmlen/ oder verderben duͤrffe; So mag er doch ein ſchad- hafftes/ und ſonſt unheilbares gar wohl abſchneiden/ damit der gantze Leib hiedurch nicht in Gefahr gera- the/ H 3

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Zitationshilfe: Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691/225>, abgerufen am 24.11.2024.