Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682.Das XII. Capitel ten lauffen Hunger zu leyden; welches ei-ne allzu grosse Versuchung ist. Und derhalben vermeynen sie/ es könne ih- nen gnug seyn/ wenn sie an Christum und sein Verdienst glauben/ und dar- durch gedencken selig zu werden. Den Rest von den Sachen/ die man bey die Christliche Religion geflicket hat/ kön- ten sie ja zum Schein mit machen/ und davon glauben/ so viel sie wolten. Ob das Weibervolck und die canaille, die oh- ne dem an extravaganten Dingen Belie- bung trägt/ selbige Dinge in Ernst glau- be/ daran könne nicht viel gelegen seyn. Ohne Zweiffel giebt es derer auch nicht wenig/ die nicht unterscheiden können/ was in der Religion von Gott ist/ und was die Clerisey ihres Nutzens halber darzu geflicket. Wenn sie nun den Be- trug von diesem sehen/ halten sie jenes auch mit für Fabelwerck/ und bedecken ihre Atheisterey mit dem äusserlichen Schein/ umb keine Ungelegenheit auff der Welt zu haben. Und kan ein Ver- nünfftiger leichtlich ermessen/ wie bald ein Jtaliäner oder Spanier von esprit, der niemahls keine Bibel/ oder gut Protestantisch Buch gelesen/ auf sotha- ne Gedancken fallen kan/ wenn er der Cleri- sey ein wenig beginnet in die Karte zu se- hen.
Das XII. Capitel ten lauffen Hunger zu leyden; welches ei-ne allzu groſſe Verſuchung iſt. Und derhalben vermeynen ſie/ es koͤnne ih- nen gnug ſeyn/ wenn ſie an Chriſtum und ſein Verdienſt glauben/ und dar- durch gedencken ſelig zu werden. Den Reſt von den Sachen/ die man bey die Chriſtliche Religion geflicket hat/ koͤn- ten ſie ja zum Schein mit machen/ und davon glauben/ ſo viel ſie wolten. Ob das Weibervolck und die canaille, die oh- ne dem an extravaganten Dingen Belie- bung traͤgt/ ſelbige Dinge in Ernſt glau- be/ daran koͤnne nicht viel gelegen ſeyn. Ohne Zweiffel giebt es derer auch nicht wenig/ die nicht unterſcheiden koͤnnen/ was in der Religion von Gott iſt/ und was die Cleriſey ihres Nutzens halber darzu geflicket. Wenn ſie nun den Be- trug von dieſem ſehen/ halten ſie jenes auch mit fuͤr Fabelwerck/ und bedecken ihre Atheiſterey mit dem aͤuſſerlichen Schein/ umb keine Ungelegenheit auff der Welt zu haben. Und kan ein Ver- nuͤnfftiger leichtlich ermeſſen/ wie bald ein Jtaliaͤner oder Spanier von eſprit, der niemahls keine Bibel/ oder gut Proteſtantiſch Buch geleſen/ auf ſotha- ne Gedancken fallen kan/ weñ er der Cleri- ſey ein wenig beginnet in die Karte zu ſe- hen.
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Das XII. Capitel
ten lauffen Hunger zu leyden; welches ei-
ne allzu groſſe Verſuchung iſt. Und
derhalben vermeynen ſie/ es koͤnne ih-
nen gnug ſeyn/ wenn ſie an Chriſtum
und ſein Verdienſt glauben/ und dar-
durch gedencken ſelig zu werden. Den
Reſt von den Sachen/ die man bey die
Chriſtliche Religion geflicket hat/ koͤn-
ten ſie ja zum Schein mit machen/ und
davon glauben/ ſo viel ſie wolten. Ob
das Weibervolck und die canaille, die oh-
ne dem an extravaganten Dingen Belie-
bung traͤgt/ ſelbige Dinge in Ernſt glau-
be/ daran koͤnne nicht viel gelegen ſeyn.
Ohne Zweiffel giebt es derer auch nicht
wenig/ die nicht unterſcheiden koͤnnen/
was in der Religion von Gott iſt/ und
was die Cleriſey ihres Nutzens halber
darzu geflicket. Wenn ſie nun den Be-
trug von dieſem ſehen/ halten ſie jenes
auch mit fuͤr Fabelwerck/ und bedecken
ihre Atheiſterey mit dem aͤuſſerlichen
Schein/ umb keine Ungelegenheit auff
der Welt zu haben. Und kan ein Ver-
nuͤnfftiger leichtlich ermeſſen/ wie bald
ein Jtaliaͤner oder Spanier von eſprit,
der niemahls keine Bibel/ oder gut
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ne Gedancken fallen kan/ weñ er der Cleri-
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