Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Das XII. Capitel

halten wir für besser mit demüthigem
Verwundern anzubeten/ als mit Ver-
messenheit nach zugrübeln. Und könte
man nicht übel hieher appliciren/ was
dort beym Tacito stehet: Abditos Numi-
nis sensus exquirere illicitum, anceps, nec
ideo assequare. So war demnach Leo X.
Medicaeus ein freundlicher/ magnificquer/
und gegen ehrliche und gelehrte Leute gut-
thätiger Mann/ der für einen gu-
ten Pabst hätte passiren können/ wenn
sich nur bey ihm zum wenigsten eine mit-
telmässige Wissenschafft von der Religion
und Zuneigung zur Gottesfurcht/ und
nicht vielmehr eine grosse Unachtsam-
keit gegen beyde gefunden hätte. Da er
nun in seinem blühenden Staat durch
allzugroße Pracht und Spendiren die
Cammer erschöpffet/ für sich aber die
Kunst Geld zu machen nicht verstundt/
brauchte er hierinn den Cardinal Lau-
rentium Puccium: welcher als alle an-
dere Geld-Brunnen erschöpfft waren/
endlich auf den Ablaß fiel. Und ließ
demnach diesen Ablaß in der gantzen
Christenheit für Geld ausbieten in am-
plissima forma für Todte und Lebendige/
auch daß man an Fast-Tägen Eyer und
Milch-Speisen essen möchte/ und der-

glei-

Das XII. Capitel

halten wir fuͤr beſſer mit demuͤthigem
Verwundern anzubeten/ als mit Ver-
meſſenheit nach zugruͤbeln. Und koͤnte
man nicht uͤbel hieher appliciren/ was
dort beym Tacito ſtehet: Abditos Numi-
nis ſenſus exquirere illicitum, anceps, nec
ideo aſſequare. So war demnach Leo X.
Medicæus ein fꝛeundlicheꝛ/ magnificquer/
und gegen ehrliche und gelehrte Leute gut-
thaͤtiger Mann/ der fuͤr einen gu-
ten Pabſt haͤtte paſſiren koͤnnen/ wenn
ſich nur bey ihm zum wenigſten eine mit-
telmaͤſſige Wiſſenſchafft von der Religion
und Zuneigung zur Gottesfurcht/ und
nicht vielmehr eine groſſe Unachtſam-
keit gegen beyde gefunden haͤtte. Da er
nun in ſeinem bluͤhenden Staat durch
allzugroße Pracht und Spendiren die
Cammer erſchoͤpffet/ fuͤr ſich aber die
Kunſt Geld zu machen nicht verſtundt/
brauchte er hierinn den Cardinal Lau-
rentium Puccium: welcher als alle an-
dere Geld-Brunnen erſchoͤpfft waren/
endlich auf den Ablaß fiel. Und ließ
demnach dieſen Ablaß in der gantzen
Chriſtenheit fuͤr Geld ausbieten in am-
pliſſima forma fuͤr Todte und Lebendige/
auch daß man an Faſt-Taͤgen Eyer und
Milch-Speiſen eſſen moͤchte/ und der-

glei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0838" n="808"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">XII.</hi> Capitel</hi></fw><lb/>
halten wir fu&#x0364;r be&#x017F;&#x017F;er mit demu&#x0364;thigem<lb/>
Verwundern anzubeten/ als mit Ver-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;enheit nach zugru&#x0364;beln. Und ko&#x0364;nte<lb/>
man nicht u&#x0364;bel hieher <hi rendition="#aq">applici</hi>ren/ was<lb/>
dort beym <hi rendition="#aq">Tacito</hi> &#x017F;tehet: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Abditos</hi> Numi-<lb/>
nis <hi rendition="#i">&#x017F;en&#x017F;us exquirere illicitum, anceps, nec<lb/>
ideo a&#x017F;&#x017F;equare.</hi></hi> So war demnach <hi rendition="#aq">Leo X.<lb/>
Medicæus</hi> ein f&#xA75B;eundliche&#xA75B;/ <hi rendition="#aq">magnificqu</hi>er/<lb/>
und gegen ehrliche und gelehrte Leute gut-<lb/>
tha&#x0364;tiger Mann/ der fu&#x0364;r einen gu-<lb/>
ten Pab&#x017F;t ha&#x0364;tte <hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;i</hi>ren ko&#x0364;nnen/ wenn<lb/>
&#x017F;ich nur bey ihm zum wenig&#x017F;ten eine mit-<lb/>
telma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft von der <hi rendition="#aq">Religion</hi><lb/>
und Zuneigung zur Gottesfurcht/ und<lb/>
nicht vielmehr eine gro&#x017F;&#x017F;e Unacht&#x017F;am-<lb/>
keit gegen beyde gefunden ha&#x0364;tte. Da er<lb/>
nun in &#x017F;einem blu&#x0364;henden Staat durch<lb/>
allzugroße Pracht und Spendiren die<lb/>
Cammer er&#x017F;cho&#x0364;pffet/ fu&#x0364;r &#x017F;ich aber die<lb/>
Kun&#x017F;t Geld zu machen nicht ver&#x017F;tundt/<lb/>
brauchte er hierinn den Cardinal <hi rendition="#aq">Lau-<lb/>
rentium Puccium:</hi> welcher als alle an-<lb/>
dere Geld-Brunnen er&#x017F;cho&#x0364;pfft waren/<lb/>
endlich auf den Ablaß fiel. Und ließ<lb/>
demnach die&#x017F;en Ablaß in der gantzen<lb/>
Chri&#x017F;tenheit fu&#x0364;r Geld ausbieten in <hi rendition="#aq">am-<lb/>
pli&#x017F;&#x017F;ima forma</hi> fu&#x0364;r Todte und Lebendige/<lb/>
auch daß man an Fa&#x017F;t-Ta&#x0364;gen Eyer und<lb/>
Milch-Spei&#x017F;en e&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;chte/ und der-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">glei-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[808/0838] Das XII. Capitel halten wir fuͤr beſſer mit demuͤthigem Verwundern anzubeten/ als mit Ver- meſſenheit nach zugruͤbeln. Und koͤnte man nicht uͤbel hieher appliciren/ was dort beym Tacito ſtehet: Abditos Numi- nis ſenſus exquirere illicitum, anceps, nec ideo aſſequare. So war demnach Leo X. Medicæus ein fꝛeundlicheꝛ/ magnificquer/ und gegen ehrliche und gelehrte Leute gut- thaͤtiger Mann/ der fuͤr einen gu- ten Pabſt haͤtte paſſiren koͤnnen/ wenn ſich nur bey ihm zum wenigſten eine mit- telmaͤſſige Wiſſenſchafft von der Religion und Zuneigung zur Gottesfurcht/ und nicht vielmehr eine groſſe Unachtſam- keit gegen beyde gefunden haͤtte. Da er nun in ſeinem bluͤhenden Staat durch allzugroße Pracht und Spendiren die Cammer erſchoͤpffet/ fuͤr ſich aber die Kunſt Geld zu machen nicht verſtundt/ brauchte er hierinn den Cardinal Lau- rentium Puccium: welcher als alle an- dere Geld-Brunnen erſchoͤpfft waren/ endlich auf den Ablaß fiel. Und ließ demnach dieſen Ablaß in der gantzen Chriſtenheit fuͤr Geld ausbieten in am- pliſſima forma fuͤr Todte und Lebendige/ auch daß man an Faſt-Taͤgen Eyer und Milch-Speiſen eſſen moͤchte/ und der- glei-

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1682
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1682/838
Zitationshilfe:	Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682, S. 808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1682/838>, abgerufen am 23.11.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.