Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682.Das XI. Capitel Religion? Oder drittens/ ob sie herflies-se aus einer positiven Verordnung und Befehl Gottes? Daß solches herrühre aus der allgemeinen Natur jeder Reli- gion/ können wir nicht absehen. Denn man kan mit der Vernunfft nicht begreif- fen/ daß wenn man Gott dienen wolte/ man nothwendig müsse eine Trennung im Staat machen/ und zweyerley Art von einander nicht-dependirender Ge- walt einführen; dergleichen Theilung der höchsten Gewalt/ oder dero Verdoppe- lung in einem Staat nichts anders als ein stetsglimmender Zunder ist zu innerlichem Mißtrauen/ jalousie, Uneinigkeit und Zer- rüttung. Hingegen streitet gantz nicht wider einander/ Gott dienen/ und die Di- rection des äusserlichen Gottesdiensts dem überlassen/ der die höchste Gewalt im Staat hat; wenn wir dieses voraus se- tzen/ daß dieselbe höchste Gewalt den ihri- gen nichts falsches oder irriges wolle auf- dringen. Zwar von Natur wie ein jeder schuldig ist Gott zu dienen: also hat er auch Macht die äusserliche Zeichen des Gottesdienstes also einzurichten/ als er versichert ist/ daß es Gott gefalle. Aber so bald sich die Menschen in Gesellschaff- ten eingelassen/ ist solche Macht an die ü- bergeben worden/ denen die Direction der Ge-
Das XI. Capitel Religion? Oder drittens/ ob ſie herflieſ-ſe aus einer poſitiven Verordnung und Befehl Gottes? Daß ſolches herruͤhre aus der allgemeinen Natur jeder Reli- gion/ koͤnnen wir nicht abſehen. Denn man kan mit der Vernunfft nicht begreif- fen/ daß wenn man Gott dienen wolte/ man nothwendig muͤſſe eine Trennung im Staat machen/ und zweyerley Art von einander nicht-dependirender Ge- walt einfuͤhren; dergleichen Theilung der hoͤchſten Gewalt/ oder dero Verdoppe- lung in einem Staat nichts anders als ein ſtetsglim̃ender Zunder iſt zu innerlichem Mißtrauen/ jalouſie, Uneinigkeit uñ Zer- ruͤttung. Hingegen ſtreitet gantz nicht wider einander/ Gott dienen/ und die Di- rection des aͤuſſeꝛlichẽ Gottesdienſts dem uͤberlaſſen/ der die hoͤchſte Gewalt im Staat hat; wenn wir dieſes voraus ſe- tzen/ daß dieſelbe hoͤchſte Gewalt den ihri- gen nichts falſches oder irriges wolle auf- dringen. Zwar von Natur wie ein jeder ſchuldig iſt Gott zu dienen: alſo hat er auch Macht die aͤuſſerliche Zeichen des Gottesdienſtes alſo einzurichten/ als er verſichert iſt/ daß es Gott gefalle. Aber ſo bald ſich die Menſchen in Geſellſchaff- ten eingelaſſen/ iſt ſolche Macht an die uͤ- bergeben worden/ denen die Direction der Ge-
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Das XI. Capitel
Religion? Oder drittens/ ob ſie herflieſ-
ſe aus einer poſitiven Verordnung und
Befehl Gottes? Daß ſolches herruͤhre
aus der allgemeinen Natur jeder Reli-
gion/ koͤnnen wir nicht abſehen. Denn
man kan mit der Vernunfft nicht begreif-
fen/ daß wenn man Gott dienen wolte/
man nothwendig muͤſſe eine Trennung
im Staat machen/ und zweyerley Art
von einander nicht-dependirender Ge-
walt einfuͤhren; dergleichen Theilung der
hoͤchſten Gewalt/ oder dero Verdoppe-
lung in einem Staat nichts anders als ein
ſtetsglim̃ender Zunder iſt zu innerlichem
Mißtrauen/ jalouſie, Uneinigkeit uñ Zer-
ruͤttung. Hingegen ſtreitet gantz nicht
wider einander/ Gott dienen/ und die Di-
rection des aͤuſſeꝛlichẽ Gottesdienſts dem
uͤberlaſſen/ der die hoͤchſte Gewalt im
Staat hat; wenn wir dieſes voraus ſe-
tzen/ daß dieſelbe hoͤchſte Gewalt den ihri-
gen nichts falſches oder irriges wolle auf-
dringen. Zwar von Natur wie ein jeder
ſchuldig iſt Gott zu dienen: alſo hat er
auch Macht die aͤuſſerliche Zeichen des
Gottesdienſtes alſo einzurichten/ als er
verſichert iſt/ daß es Gott gefalle. Aber
ſo bald ſich die Menſchen in Geſellſchaff-
ten eingelaſſen/ iſt ſolche Macht an die uͤ-
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