Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682.Das XII. Capitel besondern Ort erwehlet den öffentlichenGottesdienst daselbst zuverrichten/ oder einem Orte mehr Heiligkeit als dem an- dern gegeben/ daß sich ein oder ander Volck über die Abgelegenheit des Tempels zu beschweren hätte. Son- dern an allen Orten kan man heilige Hände aufheben/ und hat jetzo kein Tempel für dem andern Verheissung/ daß Gott einen alldar eher erhören wolte/ als in dem andern. Kein Volck hat in der Christlichen Religi- on einen Vorzug/ daß es sich für andern etwas einzubilden/ und über selbige sich zu erheben Ursach hätte. Es ist kein Jude noch Grieche/ kein Knecht noch Freyer/ sondern alle einer in Chri- sto. Kein Geschlecht oder Stamm ist von Gott sonderlich bestimmet/ daß durch selbiges der öffentliche Gottes- dienst solte verrichtet werden/ wie bey den Juden; sondern wenn andere Qualitäten sich finden/ ist zu selbigem Ambt einer so gut als der andere. Es ist nichts in der Christlichen Re- ligion/ das uns verhinderte mit al- len Menschen als gute Freunde zu leben/ und die Schuldigkeit des natürlichen Rechts einander zube- weisen. Sie ist in ihrer eigenen und
Das XII. Capitel beſondern Ort erwehlet den oͤffentlichenGottesdienſt daſelbſt zuverrichten/ oder einem Orte mehr Heiligkeit als dem an- dern gegeben/ daß ſich ein oder ander Volck uͤber die Abgelegenheit des Tempels zu beſchweren haͤtte. Son- dern an allen Orten kan man heilige Haͤnde aufheben/ und hat jetzo kein Tempel fuͤr dem andern Verheiſſung/ daß Gott einen alldar eher erhoͤren wolte/ als in dem andern. Kein Volck hat in der Chriſtlichen Religi- on einen Vorzug/ daß es ſich fuͤr andern etwas einzubilden/ und uͤber ſelbige ſich zu erheben Urſach haͤtte. Es iſt kein Jude noch Grieche/ kein Knecht noch Freyer/ ſondern alle einer in Chri- ſto. Kein Geſchlecht oder Stamm iſt von Gott ſonderlich beſtimmet/ daß durch ſelbiges der oͤffentliche Gottes- dienſt ſolte verrichtet werden/ wie bey den Juden; ſondern wenn andere Qualitaͤten ſich finden/ iſt zu ſelbigem Ambt einer ſo gut als der andere. Es iſt nichts in der Chriſtlichen Re- ligion/ das uns verhinderte mit al- len Menſchen als gute Freunde zu leben/ und die Schuldigkeit des natuͤrlichen Rechts einander zube- weiſen. Sie iſt in ihrer eigenen und
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Das XII. Capitel
beſondern Ort erwehlet den oͤffentlichen
Gottesdienſt daſelbſt zuverrichten/ oder
einem Orte mehr Heiligkeit als dem an-
dern gegeben/ daß ſich ein oder ander
Volck uͤber die Abgelegenheit des
Tempels zu beſchweren haͤtte. Son-
dern an allen Orten kan man heilige
Haͤnde aufheben/ und hat jetzo kein
Tempel fuͤr dem andern Verheiſſung/
daß Gott einen alldar eher erhoͤren
wolte/ als in dem andern. Kein
Volck hat in der Chriſtlichen Religi-
on einen Vorzug/ daß es ſich fuͤr andern
etwas einzubilden/ und uͤber ſelbige ſich
zu erheben Urſach haͤtte. Es iſt kein
Jude noch Grieche/ kein Knecht
noch Freyer/ ſondern alle einer in Chri-
ſto. Kein Geſchlecht oder Stamm
iſt von Gott ſonderlich beſtimmet/ daß
durch ſelbiges der oͤffentliche Gottes-
dienſt ſolte verrichtet werden/ wie
bey den Juden; ſondern wenn andere
Qualitaͤten ſich finden/ iſt zu ſelbigem
Ambt einer ſo gut als der andere.
Es iſt nichts in der Chriſtlichen Re-
ligion/ das uns verhinderte mit al-
len Menſchen als gute Freunde zu
leben/ und die Schuldigkeit des
natuͤrlichen Rechts einander zube-
weiſen. Sie iſt in ihrer eigenen
und
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