gereizt werden möchte, Ansprüche zu machen, die ihr nicht gebührten. In den meisten Häusern wurde durch ausdrückliche Hausverträge ausge- macht, daß auch ohne Verzichtleistung Töchter und weibliche Nachkommen gegen den Manns- stamm zurückstehen müßten.
Wenn also die Erzherzoginn Anna, wie sie anIX. den Herzog Albrecht den V. von Baiern vermählt ward, keinen Verzicht geleistet hätte, würde ihr doch kein Recht zur Erbfolge zugestanden haben, solange von einem ihrer Brüder noch Mannsstamm übrig war. Sie mochte immer nur bis auf Ab- gang des Mannsstamms Verzicht thun; darum ließ sich doch nicht behaupten, daß mit dem Ein- tritt dieses Falls ein Recht, das schon zur Zeit der Verzichtleistung hätte ausgeübt werden kön- nen, wieder aufleben müßte; oder daß nunmehr die Nachkommen dieser Erzherzoginn Anna vor allen übrigen weiblichen Nachkommen, selbst vor den Töchtern des Letzten vom Mannsstamme, den Vorzug haben müßten.
Kurz, nach ächten Grundsätzen des TeutschenX. Fürstenrechts waren die Ansprüche des Hauses Baiern nicht so beschaffen, daß sie den Rechtsbe- stand der pragmatischen Sanction zu entkräften vermocht hätten; wiewohl damals noch viele Rechtsgelehrte, von übel angewandten Römischen Rechtssätzen eingenommen, überhaupt die Lehre von der Regredienterbschaft für gegründet hielten. Inzwischen kam es jetzt auf ganz andere Entschei- dungsgründe an, als die bloß aus Gesetzen oder Rechtsbüchern herzunehmen wären.
Ein-
2) Erfolg d. pragm. Sanct. 1740-1742.
gereizt werden moͤchte, Anſpruͤche zu machen, die ihr nicht gebuͤhrten. In den meiſten Haͤuſern wurde durch ausdruͤckliche Hausvertraͤge ausge- macht, daß auch ohne Verzichtleiſtung Toͤchter und weibliche Nachkommen gegen den Manns- ſtamm zuruͤckſtehen muͤßten.
Wenn alſo die Erzherzoginn Anna, wie ſie anIX. den Herzog Albrecht den V. von Baiern vermaͤhlt ward, keinen Verzicht geleiſtet haͤtte, wuͤrde ihr doch kein Recht zur Erbfolge zugeſtanden haben, ſolange von einem ihrer Bruͤder noch Mannsſtamm uͤbrig war. Sie mochte immer nur bis auf Ab- gang des Mannsſtamms Verzicht thun; darum ließ ſich doch nicht behaupten, daß mit dem Ein- tritt dieſes Falls ein Recht, das ſchon zur Zeit der Verzichtleiſtung haͤtte ausgeuͤbt werden koͤn- nen, wieder aufleben muͤßte; oder daß nunmehr die Nachkommen dieſer Erzherzoginn Anna vor allen uͤbrigen weiblichen Nachkommen, ſelbſt vor den Toͤchtern des Letzten vom Mannsſtamme, den Vorzug haben muͤßten.
Kurz, nach aͤchten Grundſaͤtzen des TeutſchenX. Fuͤrſtenrechts waren die Anſpruͤche des Hauſes Baiern nicht ſo beſchaffen, daß ſie den Rechtsbe- ſtand der pragmatiſchen Sanction zu entkraͤften vermocht haͤtten; wiewohl damals noch viele Rechtsgelehrte, von uͤbel angewandten Roͤmiſchen Rechtsſaͤtzen eingenommen, uͤberhaupt die Lehre von der Regredienterbſchaft fuͤr gegruͤndet hielten. Inzwiſchen kam es jetzt auf ganz andere Entſchei- dungsgruͤnde an, als die bloß aus Geſetzen oder Rechtsbuͤchern herzunehmen waͤren.
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2) Erfolg d. pragm. Sanct. 1740-1742.
gereizt werden moͤchte, Anſpruͤche zu machen, die
ihr nicht gebuͤhrten. In den meiſten Haͤuſern
wurde durch ausdruͤckliche Hausvertraͤge ausge-
macht, daß auch ohne Verzichtleiſtung Toͤchter
und weibliche Nachkommen gegen den Manns-
ſtamm zuruͤckſtehen muͤßten.
Wenn alſo die Erzherzoginn Anna, wie ſie an
den Herzog Albrecht den V. von Baiern vermaͤhlt
ward, keinen Verzicht geleiſtet haͤtte, wuͤrde ihr
doch kein Recht zur Erbfolge zugeſtanden haben,
ſolange von einem ihrer Bruͤder noch Mannsſtamm
uͤbrig war. Sie mochte immer nur bis auf Ab-
gang des Mannsſtamms Verzicht thun; darum
ließ ſich doch nicht behaupten, daß mit dem Ein-
tritt dieſes Falls ein Recht, das ſchon zur Zeit
der Verzichtleiſtung haͤtte ausgeuͤbt werden koͤn-
nen, wieder aufleben muͤßte; oder daß nunmehr
die Nachkommen dieſer Erzherzoginn Anna vor
allen uͤbrigen weiblichen Nachkommen, ſelbſt vor
den Toͤchtern des Letzten vom Mannsſtamme, den
Vorzug haben muͤßten.
IX.
Kurz, nach aͤchten Grundſaͤtzen des Teutſchen
Fuͤrſtenrechts waren die Anſpruͤche des Hauſes
Baiern nicht ſo beſchaffen, daß ſie den Rechtsbe-
ſtand der pragmatiſchen Sanction zu entkraͤften
vermocht haͤtten; wiewohl damals noch viele
Rechtsgelehrte, von uͤbel angewandten Roͤmiſchen
Rechtsſaͤtzen eingenommen, uͤberhaupt die Lehre
von der Regredienterbſchaft fuͤr gegruͤndet hielten.
Inzwiſchen kam es jetzt auf ganz andere Entſchei-
dungsgruͤnde an, als die bloß aus Geſetzen oder
Rechtsbuͤchern herzunehmen waͤren.
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/47>, abgerufen am 16.07.2024.
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