Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

XIV. Heutige Verfassung.
der Reichsritterschaft in ihren besonderen Gebieten
Ziel und Maß setzen könne; -- beynahe auf ähn-
liche Art, wie es zwischen den Generalstaaten der
vereinigten Niederlande und einzelnen Provinzen
Collisionen geben kann. -- Namentlich hat z. B.
der Chausseebau zu solchen Fragen Anlaß gegeben,
ob derselbe jedem Besitzer in seinem Gebiete zu
überlaßen, oder durch allgemeine Collegialschlüsse
zu bestimmen sey? Desgleichen ist die Frage ent-
standen, ob das Recht des Fiscus und der Con-
fiscationen auch einem gesammten Rittercanton oder
Ritterkreise zuzugestehen sey? u. s. w.


XI.

Aber auch selbst über den ganzen Zustand der
Unmittelbarkeit und Reichsfreyheit hat es häufi-
ge Streitigkeiten gegeben, die zum Theil noch
fortwähren; da oft der Besitzer eines Rittergutes
reichsunmittelbar zu seyn behauptet, den ein Reichs-
stand als seinen Unterthanen in Anspruch nimmt,
oder auch eine Stadt, eine Grafschaft, ein Für-
stenthum, eine Prälatur, eine Commende, zu Zei-
ten selbst ein Dorf in dem Fall ist, sich für ein un-
mittelbares Mitglied des Reichs zu halten, da
ein benachbarter Reichsstand behauptet, daß es
einen Theil seines Landes ausmache. Nicht we-
nige Städte und Gebiete haben sich ehedem würk-
lich im Besitze der Reichsunmittelbarkeit oder doch
einer beynahe ähnlichen Freyheit und Unabhängig-
keit befunden, aber das Schicksal gehabt, sich un-
ter eines dritten Reichsstandes Landeshoheit be-
quemen zu müßen. So ist es z. B. den Städten
Mainz, Trier, Münster, Paderborn, Dona-
werth, Erfurt, gegangen; oder auch ganzen Ge-
bieten, als der Herrschaft Asch, deren Besitzer,

die

XIV. Heutige Verfaſſung.
der Reichsritterſchaft in ihren beſonderen Gebieten
Ziel und Maß ſetzen koͤnne; — beynahe auf aͤhn-
liche Art, wie es zwiſchen den Generalſtaaten der
vereinigten Niederlande und einzelnen Provinzen
Colliſionen geben kann. — Namentlich hat z. B.
der Chauſſeebau zu ſolchen Fragen Anlaß gegeben,
ob derſelbe jedem Beſitzer in ſeinem Gebiete zu
uͤberlaßen, oder durch allgemeine Collegialſchluͤſſe
zu beſtimmen ſey? Desgleichen iſt die Frage ent-
ſtanden, ob das Recht des Fiſcus und der Con-
fiſcationen auch einem geſammten Rittercanton oder
Ritterkreiſe zuzugeſtehen ſey? u. ſ. w.


XI.

Aber auch ſelbſt uͤber den ganzen Zuſtand der
Unmittelbarkeit und Reichsfreyheit hat es haͤufi-
ge Streitigkeiten gegeben, die zum Theil noch
fortwaͤhren; da oft der Beſitzer eines Rittergutes
reichsunmittelbar zu ſeyn behauptet, den ein Reichs-
ſtand als ſeinen Unterthanen in Anſpruch nimmt,
oder auch eine Stadt, eine Grafſchaft, ein Fuͤr-
ſtenthum, eine Praͤlatur, eine Commende, zu Zei-
ten ſelbſt ein Dorf in dem Fall iſt, ſich fuͤr ein un-
mittelbares Mitglied des Reichs zu halten, da
ein benachbarter Reichsſtand behauptet, daß es
einen Theil ſeines Landes ausmache. Nicht we-
nige Staͤdte und Gebiete haben ſich ehedem wuͤrk-
lich im Beſitze der Reichsunmittelbarkeit oder doch
einer beynahe aͤhnlichen Freyheit und Unabhaͤngig-
keit befunden, aber das Schickſal gehabt, ſich un-
ter eines dritten Reichsſtandes Landeshoheit be-
quemen zu muͤßen. So iſt es z. B. den Staͤdten
Mainz, Trier, Muͤnſter, Paderborn, Dona-
werth, Erfurt, gegangen; oder auch ganzen Ge-
bieten, als der Herrſchaft Aſch, deren Beſitzer,

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0326" n="292"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XIV.</hi> Heutige Verfa&#x017F;&#x017F;ung.</fw><lb/>
der Reichsritter&#x017F;chaft in ihren be&#x017F;onderen Gebieten<lb/>
Ziel und Maß &#x017F;etzen ko&#x0364;nne; &#x2014; beynahe auf a&#x0364;hn-<lb/>
liche Art, wie es zwi&#x017F;chen den General&#x017F;taaten der<lb/>
vereinigten Niederlande und einzelnen Provinzen<lb/>
Colli&#x017F;ionen geben kann. &#x2014; Namentlich hat z. B.<lb/>
der Chau&#x017F;&#x017F;eebau zu &#x017F;olchen Fragen Anlaß gegeben,<lb/>
ob der&#x017F;elbe jedem Be&#x017F;itzer in &#x017F;einem Gebiete zu<lb/>
u&#x0364;berlaßen, oder durch allgemeine Collegial&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zu be&#x017F;timmen &#x017F;ey? Desgleichen i&#x017F;t die Frage ent-<lb/>
&#x017F;tanden, ob das Recht des Fi&#x017F;cus und der Con-<lb/>
fi&#x017F;cationen auch einem ge&#x017F;ammten Rittercanton oder<lb/>
Ritterkrei&#x017F;e zuzuge&#x017F;tehen &#x017F;ey? u. &#x017F;. w.</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">XI.</hi> </note>
          <p>Aber auch &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;ber den ganzen Zu&#x017F;tand der<lb/>
Unmittelbarkeit und <hi rendition="#fr">Reichsfreyheit</hi> hat es ha&#x0364;ufi-<lb/>
ge <hi rendition="#fr">Streitigkeiten</hi> gegeben, die zum Theil noch<lb/>
fortwa&#x0364;hren; da oft der Be&#x017F;itzer eines Rittergutes<lb/>
reichsunmittelbar zu &#x017F;eyn behauptet, den ein Reichs-<lb/>
&#x017F;tand als &#x017F;einen Unterthanen in An&#x017F;pruch nimmt,<lb/>
oder auch eine Stadt, eine Graf&#x017F;chaft, ein Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;tenthum, eine Pra&#x0364;latur, eine Commende, zu Zei-<lb/>
ten &#x017F;elb&#x017F;t ein Dorf in dem Fall i&#x017F;t, &#x017F;ich fu&#x0364;r ein un-<lb/>
mittelbares Mitglied des Reichs zu halten, da<lb/>
ein benachbarter Reichs&#x017F;tand behauptet, daß es<lb/>
einen Theil &#x017F;eines Landes ausmache. Nicht we-<lb/>
nige Sta&#x0364;dte und Gebiete haben &#x017F;ich ehedem wu&#x0364;rk-<lb/>
lich im Be&#x017F;itze der Reichsunmittelbarkeit oder doch<lb/>
einer beynahe a&#x0364;hnlichen Freyheit und Unabha&#x0364;ngig-<lb/>
keit befunden, aber das Schick&#x017F;al gehabt, &#x017F;ich un-<lb/>
ter eines dritten Reichs&#x017F;tandes Landeshoheit be-<lb/>
quemen zu mu&#x0364;ßen. So i&#x017F;t es z. B. den Sta&#x0364;dten<lb/>
Mainz, Trier, Mu&#x0364;n&#x017F;ter, Paderborn, Dona-<lb/>
werth, Erfurt, gegangen; oder auch ganzen Ge-<lb/>
bieten, als der Herr&#x017F;chaft A&#x017F;ch, deren Be&#x017F;itzer,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0326] XIV. Heutige Verfaſſung. der Reichsritterſchaft in ihren beſonderen Gebieten Ziel und Maß ſetzen koͤnne; — beynahe auf aͤhn- liche Art, wie es zwiſchen den Generalſtaaten der vereinigten Niederlande und einzelnen Provinzen Colliſionen geben kann. — Namentlich hat z. B. der Chauſſeebau zu ſolchen Fragen Anlaß gegeben, ob derſelbe jedem Beſitzer in ſeinem Gebiete zu uͤberlaßen, oder durch allgemeine Collegialſchluͤſſe zu beſtimmen ſey? Desgleichen iſt die Frage ent- ſtanden, ob das Recht des Fiſcus und der Con- fiſcationen auch einem geſammten Rittercanton oder Ritterkreiſe zuzugeſtehen ſey? u. ſ. w. Aber auch ſelbſt uͤber den ganzen Zuſtand der Unmittelbarkeit und Reichsfreyheit hat es haͤufi- ge Streitigkeiten gegeben, die zum Theil noch fortwaͤhren; da oft der Beſitzer eines Rittergutes reichsunmittelbar zu ſeyn behauptet, den ein Reichs- ſtand als ſeinen Unterthanen in Anſpruch nimmt, oder auch eine Stadt, eine Grafſchaft, ein Fuͤr- ſtenthum, eine Praͤlatur, eine Commende, zu Zei- ten ſelbſt ein Dorf in dem Fall iſt, ſich fuͤr ein un- mittelbares Mitglied des Reichs zu halten, da ein benachbarter Reichsſtand behauptet, daß es einen Theil ſeines Landes ausmache. Nicht we- nige Staͤdte und Gebiete haben ſich ehedem wuͤrk- lich im Beſitze der Reichsunmittelbarkeit oder doch einer beynahe aͤhnlichen Freyheit und Unabhaͤngig- keit befunden, aber das Schickſal gehabt, ſich un- ter eines dritten Reichsſtandes Landeshoheit be- quemen zu muͤßen. So iſt es z. B. den Staͤdten Mainz, Trier, Muͤnſter, Paderborn, Dona- werth, Erfurt, gegangen; oder auch ganzen Ge- bieten, als der Herrſchaft Aſch, deren Beſitzer, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/326
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/326>, abgerufen am 22.11.2024.