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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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4) Kais. u. Reichsverfüg. für Länder.
wo nicht mit größerem Rechte, anzuschließen, wie
man die ebenfalls nicht unabhängigen Fürsten-
thümer in der Lombardey oder das Herzogthum
Curland in Hererzehlung der Europäischen Staa-
ten nicht auszulaßen pflegt. Sind auch gleich
nicht alle Teutsche Reichsstände von einerley
Macht und Gewicht; so verändert das an sich in
der Eigenschaft des Rechts, worauf es hier an-
kömmt, eben so wenig, als man Ragusa, San-
marino und Gersau aus der Zahl der Freystaaten
nur darum, weil sie minder mächtig sind, aus-
laßen darf.

Nur noch eine Einschränkung der landesherr-XX.
lichen Gewalt unserer Reichsstände kann durch so
genannte Staatsdienstbarkeiten (seruitutes
iuris publici
) begründet werden, vermöge deren
die natürliche Freyheit eines Staates zum Vor-
theile eines andern eingeschränkt wird, um etwas
nicht thun zu dürfen, was er sonst thun könnte,
oder etwas leiden zu müßen, was er sonst zu lei-
den nicht schuldig wäre. Dergleichen Dienstbar-
keiten können zwar auch unabhängige Europäische
Mächte unter einander haben; aber doch nicht
leicht anders, als aus eignen Friedensschlüssen
oder anderen Tractaten, wodurch doch all mal
ungern eine Macht der andern dergleichen zuge-
steht; daher sie auch da nur selten vorkommen.
In Teutschland macht aber theils das so vielfache
nahe Verhältniß unserer verschiedenen besonderen
Staaten dergleichen Beyspiele häufiger. Theils
haben sie auch ausser Tractaten in älteren Zeiten
durch kaiserliche Verleihungen, oder vermöge der
gemeinen Rechte, die allen Mitgliedern des Teut-

schen
S 3

4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.
wo nicht mit groͤßerem Rechte, anzuſchließen, wie
man die ebenfalls nicht unabhaͤngigen Fuͤrſten-
thuͤmer in der Lombardey oder das Herzogthum
Curland in Hererzehlung der Europaͤiſchen Staa-
ten nicht auszulaßen pflegt. Sind auch gleich
nicht alle Teutſche Reichsſtaͤnde von einerley
Macht und Gewicht; ſo veraͤndert das an ſich in
der Eigenſchaft des Rechts, worauf es hier an-
koͤmmt, eben ſo wenig, als man Raguſa, San-
marino und Gerſau aus der Zahl der Freyſtaaten
nur darum, weil ſie minder maͤchtig ſind, aus-
laßen darf.

Nur noch eine Einſchraͤnkung der landesherr-XX.
lichen Gewalt unſerer Reichsſtaͤnde kann durch ſo
genannte Staatsdienſtbarkeiten (ſeruitutes
iuris publici
) begruͤndet werden, vermoͤge deren
die natuͤrliche Freyheit eines Staates zum Vor-
theile eines andern eingeſchraͤnkt wird, um etwas
nicht thun zu duͤrfen, was er ſonſt thun koͤnnte,
oder etwas leiden zu muͤßen, was er ſonſt zu lei-
den nicht ſchuldig waͤre. Dergleichen Dienſtbar-
keiten koͤnnen zwar auch unabhaͤngige Europaͤiſche
Maͤchte unter einander haben; aber doch nicht
leicht anders, als aus eignen Friedensſchluͤſſen
oder anderen Tractaten, wodurch doch all mal
ungern eine Macht der andern dergleichen zuge-
ſteht; daher ſie auch da nur ſelten vorkommen.
In Teutſchland macht aber theils das ſo vielfache
nahe Verhaͤltniß unſerer verſchiedenen beſonderen
Staaten dergleichen Beyſpiele haͤufiger. Theils
haben ſie auch auſſer Tractaten in aͤlteren Zeiten
durch kaiſerliche Verleihungen, oder vermoͤge der
gemeinen Rechte, die allen Mitgliedern des Teut-

ſchen
S 3
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[277/0311] 4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder. wo nicht mit groͤßerem Rechte, anzuſchließen, wie man die ebenfalls nicht unabhaͤngigen Fuͤrſten- thuͤmer in der Lombardey oder das Herzogthum Curland in Hererzehlung der Europaͤiſchen Staa- ten nicht auszulaßen pflegt. Sind auch gleich nicht alle Teutſche Reichsſtaͤnde von einerley Macht und Gewicht; ſo veraͤndert das an ſich in der Eigenſchaft des Rechts, worauf es hier an- koͤmmt, eben ſo wenig, als man Raguſa, San- marino und Gerſau aus der Zahl der Freyſtaaten nur darum, weil ſie minder maͤchtig ſind, aus- laßen darf. Nur noch eine Einſchraͤnkung der landesherr- lichen Gewalt unſerer Reichsſtaͤnde kann durch ſo genannte Staatsdienſtbarkeiten (ſeruitutes iuris publici) begruͤndet werden, vermoͤge deren die natuͤrliche Freyheit eines Staates zum Vor- theile eines andern eingeſchraͤnkt wird, um etwas nicht thun zu duͤrfen, was er ſonſt thun koͤnnte, oder etwas leiden zu muͤßen, was er ſonſt zu lei- den nicht ſchuldig waͤre. Dergleichen Dienſtbar- keiten koͤnnen zwar auch unabhaͤngige Europaͤiſche Maͤchte unter einander haben; aber doch nicht leicht anders, als aus eignen Friedensſchluͤſſen oder anderen Tractaten, wodurch doch all mal ungern eine Macht der andern dergleichen zuge- ſteht; daher ſie auch da nur ſelten vorkommen. In Teutſchland macht aber theils das ſo vielfache nahe Verhaͤltniß unſerer verſchiedenen beſonderen Staaten dergleichen Beyſpiele haͤufiger. Theils haben ſie auch auſſer Tractaten in aͤlteren Zeiten durch kaiſerliche Verleihungen, oder vermoͤge der gemeinen Rechte, die allen Mitgliedern des Teut- ſchen XX. S 3

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/311>, abgerufen am 22.11.2024.