Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

3) Kaiserw., Kreist., Religionstheile.
schen Landesherrn evangelischen Unterthanen, bey
catholischen Gerichten evangelischen Partheyen,
unter Mitgliedern einer Familie, einer Stadt,
einer Gemeinde, einer Landschaft, einer reichs-
ständischen Versammlung, wo die Mehrheit der
Stimmen auf catholischer Seite ist, den minder
zahlreichen Evangelischen Stoff zu Beschwerden ge-
geben wird. In welchem Lichte muß da nicht erst
jedem Unpartheyischen die Wichtigkeit der Verord-
nungen erscheinen, welche der Westphälische Frie-
de von der Gleichheit der Stimmen bey Reichs-
gerichten, Deputationen und Commissionen, und
von Hemmung der Mehrheit der Stimmen in Fäl-
len, wo in reichsständischen Versammlungen ein
Religionstheil von des andern Meynung abgeht,
so weislich fest gesetzt hat? Wie wenig kann es al-
so Beyfall verdienen, wenn man selbst diesen Ver-
ordnungen nicht ihre volle Wirksamkeit angedeihen
laßen wollen?

Was alles das in unsere allgemeine Reichsver-XIII.
fassung für einen Einfluß hat, wie schwer es in-
sonderheit hält, ein den gemeinnützigsten Geschäff-
ten und Absichten oft hinderliches gegenseitiges
Mißtrauen zu verhüten, das bedarf wohl keiner
weitern Ausführung, wenn man nur das Innere
der Geschichte des Teutschen Reichs mit offenen Au-
gen ansieht. Unter andern wird keinem leicht die
Bemerkung entgehen, wie man bey mehreren Ge-
legenheiten solche Gesinnungen auszubreiten ge-
wußt hat, als ob catholisch und kaiserlich gesinnt
seyn eben so unzertrennlich sey, als man jeden Pro-
testanten gegen die kaiserliche Hoheit für widrig-

ge-

3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.
ſchen Landesherrn evangeliſchen Unterthanen, bey
catholiſchen Gerichten evangeliſchen Partheyen,
unter Mitgliedern einer Familie, einer Stadt,
einer Gemeinde, einer Landſchaft, einer reichs-
ſtaͤndiſchen Verſammlung, wo die Mehrheit der
Stimmen auf catholiſcher Seite iſt, den minder
zahlreichen Evangeliſchen Stoff zu Beſchwerden ge-
geben wird. In welchem Lichte muß da nicht erſt
jedem Unpartheyiſchen die Wichtigkeit der Verord-
nungen erſcheinen, welche der Weſtphaͤliſche Frie-
de von der Gleichheit der Stimmen bey Reichs-
gerichten, Deputationen und Commiſſionen, und
von Hemmung der Mehrheit der Stimmen in Faͤl-
len, wo in reichsſtaͤndiſchen Verſammlungen ein
Religionstheil von des andern Meynung abgeht,
ſo weislich feſt geſetzt hat? Wie wenig kann es al-
ſo Beyfall verdienen, wenn man ſelbſt dieſen Ver-
ordnungen nicht ihre volle Wirkſamkeit angedeihen
laßen wollen?

Was alles das in unſere allgemeine Reichsver-XIII.
faſſung fuͤr einen Einfluß hat, wie ſchwer es in-
ſonderheit haͤlt, ein den gemeinnuͤtzigſten Geſchaͤff-
ten und Abſichten oft hinderliches gegenſeitiges
Mißtrauen zu verhuͤten, das bedarf wohl keiner
weitern Ausfuͤhrung, wenn man nur das Innere
der Geſchichte des Teutſchen Reichs mit offenen Au-
gen anſieht. Unter andern wird keinem leicht die
Bemerkung entgehen, wie man bey mehreren Ge-
legenheiten ſolche Geſinnungen auszubreiten ge-
wußt hat, als ob catholiſch und kaiſerlich geſinnt
ſeyn eben ſo unzertrennlich ſey, als man jeden Pro-
teſtanten gegen die kaiſerliche Hoheit fuͤr widrig-

ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0289" n="255"/><fw place="top" type="header">3) Kai&#x017F;erw., Kreist., Religionstheile.</fw><lb/>
&#x017F;chen Landesherrn evangeli&#x017F;chen Unterthanen, bey<lb/>
catholi&#x017F;chen Gerichten evangeli&#x017F;chen Partheyen,<lb/>
unter Mitgliedern einer Familie, einer Stadt,<lb/>
einer Gemeinde, einer Land&#x017F;chaft, einer reichs-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndi&#x017F;chen Ver&#x017F;ammlung, wo die Mehrheit der<lb/>
Stimmen auf catholi&#x017F;cher Seite i&#x017F;t, den minder<lb/>
zahlreichen Evangeli&#x017F;chen Stoff zu Be&#x017F;chwerden ge-<lb/>
geben wird. In welchem Lichte muß da nicht er&#x017F;t<lb/>
jedem Unpartheyi&#x017F;chen die Wichtigkeit der Verord-<lb/>
nungen er&#x017F;cheinen, welche der We&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;che Frie-<lb/>
de von der Gleichheit der Stimmen bey Reichs-<lb/>
gerichten, Deputationen und Commi&#x017F;&#x017F;ionen, und<lb/>
von Hemmung der Mehrheit der Stimmen in Fa&#x0364;l-<lb/>
len, wo in reichs&#x017F;ta&#x0364;ndi&#x017F;chen Ver&#x017F;ammlungen ein<lb/>
Religionstheil von des andern Meynung abgeht,<lb/>
&#x017F;o weislich fe&#x017F;t ge&#x017F;etzt hat? Wie wenig kann es al-<lb/>
&#x017F;o Beyfall verdienen, wenn man &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;en Ver-<lb/>
ordnungen nicht ihre volle Wirk&#x017F;amkeit angedeihen<lb/>
laßen wollen?</p><lb/>
          <p>Was alles das in un&#x017F;ere allgemeine Reichsver-<note place="right"><hi rendition="#aq">XIII.</hi></note><lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung fu&#x0364;r einen Einfluß hat, wie &#x017F;chwer es in-<lb/>
&#x017F;onderheit ha&#x0364;lt, ein den gemeinnu&#x0364;tzig&#x017F;ten Ge&#x017F;cha&#x0364;ff-<lb/>
ten und Ab&#x017F;ichten oft hinderliches gegen&#x017F;eitiges<lb/>
Mißtrauen zu verhu&#x0364;ten, das bedarf wohl keiner<lb/>
weitern Ausfu&#x0364;hrung, wenn man nur das Innere<lb/>
der Ge&#x017F;chichte des Teut&#x017F;chen Reichs mit offenen Au-<lb/>
gen an&#x017F;ieht. Unter andern wird keinem leicht die<lb/>
Bemerkung entgehen, wie man bey mehreren Ge-<lb/>
legenheiten &#x017F;olche Ge&#x017F;innungen auszubreiten ge-<lb/>
wußt hat, als ob catholi&#x017F;ch und kai&#x017F;erlich ge&#x017F;innt<lb/>
&#x017F;eyn eben &#x017F;o unzertrennlich &#x017F;ey, als man jeden Pro-<lb/>
te&#x017F;tanten gegen die kai&#x017F;erliche Hoheit fu&#x0364;r widrig-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0289] 3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile. ſchen Landesherrn evangeliſchen Unterthanen, bey catholiſchen Gerichten evangeliſchen Partheyen, unter Mitgliedern einer Familie, einer Stadt, einer Gemeinde, einer Landſchaft, einer reichs- ſtaͤndiſchen Verſammlung, wo die Mehrheit der Stimmen auf catholiſcher Seite iſt, den minder zahlreichen Evangeliſchen Stoff zu Beſchwerden ge- geben wird. In welchem Lichte muß da nicht erſt jedem Unpartheyiſchen die Wichtigkeit der Verord- nungen erſcheinen, welche der Weſtphaͤliſche Frie- de von der Gleichheit der Stimmen bey Reichs- gerichten, Deputationen und Commiſſionen, und von Hemmung der Mehrheit der Stimmen in Faͤl- len, wo in reichsſtaͤndiſchen Verſammlungen ein Religionstheil von des andern Meynung abgeht, ſo weislich feſt geſetzt hat? Wie wenig kann es al- ſo Beyfall verdienen, wenn man ſelbſt dieſen Ver- ordnungen nicht ihre volle Wirkſamkeit angedeihen laßen wollen? Was alles das in unſere allgemeine Reichsver- faſſung fuͤr einen Einfluß hat, wie ſchwer es in- ſonderheit haͤlt, ein den gemeinnuͤtzigſten Geſchaͤff- ten und Abſichten oft hinderliches gegenſeitiges Mißtrauen zu verhuͤten, das bedarf wohl keiner weitern Ausfuͤhrung, wenn man nur das Innere der Geſchichte des Teutſchen Reichs mit offenen Au- gen anſieht. Unter andern wird keinem leicht die Bemerkung entgehen, wie man bey mehreren Ge- legenheiten ſolche Geſinnungen auszubreiten ge- wußt hat, als ob catholiſch und kaiſerlich geſinnt ſeyn eben ſo unzertrennlich ſey, als man jeden Pro- teſtanten gegen die kaiſerliche Hoheit fuͤr widrig- ge- XIII.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/289
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/289>, abgerufen am 25.11.2024.