Entbindung zu ertheilen, wie auf solche Art Pabst Paul der IV. den König Philipp den II. von Spa- nien von aller Verbindlichkeit des Eides, den er den Niederländischen Provinzen zu Erhaltung ih- rer Freyheit und Religion geleistet hatte, lossprach, um nun ungehindert alle Protestanten in den Nie- derlanden verfolgen zu können.
Zur Ehre der Menschheit muß man zwar be-X. merklich machen, daß es von je her auch unter den Catholischen nicht an solchen gefehlet hat, die aufgeklärt gnug waren, um den Ungrund solcher intoleranten Grundsätze einzusehen, und redlich gesinnt gnug, um die daraus hergeleiteten Gesin- nungen zu verabscheuen. Aber in welchem Ver- hältnisse stand die Zahl dieser Aufgeklärten gegen den unübersehlich großen Haufen derer, die nicht vermögend waren, darüber nachzudenken, und über die von Jugend auf eingesogenen Vorurtheile, wodurch jene Grundsätze einmal tiefe Wurzeln bey ihnen geschlagen hatten, sich hinauszusetzen? Wie große Hindernisse wurden deswegen überall jedem Mittel, das nur zu einiger Aufklärung über diese Dinge führen könnte, in Weg gelegt? Wie sorg- fältig suchte man Lesung solcher Schriften, die hier- über einiges Licht verbreiten möchten, Besuchung protestantischer hoher und niederer Schulen, oder auch nur jeden vertrauten Umgang mit Protestan- ten verdächtig zu machen, und als äußerst gefähr- lich zurück zu halten? Und wenn dann auch hier und da ein aufgeklärter Catholik anders dachte, so durfte er es doch nicht wagen, solche Gesinnungen nur blicken zu laßen, ohne sich selbst den größten Verfolgungen auszusetzen, so weit nur Jesuiten
oder
3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.
Entbindung zu ertheilen, wie auf ſolche Art Pabſt Paul der IV. den Koͤnig Philipp den II. von Spa- nien von aller Verbindlichkeit des Eides, den er den Niederlaͤndiſchen Provinzen zu Erhaltung ih- rer Freyheit und Religion geleiſtet hatte, losſprach, um nun ungehindert alle Proteſtanten in den Nie- derlanden verfolgen zu koͤnnen.
Zur Ehre der Menſchheit muß man zwar be-X. merklich machen, daß es von je her auch unter den Catholiſchen nicht an ſolchen gefehlet hat, die aufgeklaͤrt gnug waren, um den Ungrund ſolcher intoleranten Grundſaͤtze einzuſehen, und redlich geſinnt gnug, um die daraus hergeleiteten Geſin- nungen zu verabſcheuen. Aber in welchem Ver- haͤltniſſe ſtand die Zahl dieſer Aufgeklaͤrten gegen den unuͤberſehlich großen Haufen derer, die nicht vermoͤgend waren, daruͤber nachzudenken, und uͤber die von Jugend auf eingeſogenen Vorurtheile, wodurch jene Grundſaͤtze einmal tiefe Wurzeln bey ihnen geſchlagen hatten, ſich hinauszuſetzen? Wie große Hinderniſſe wurden deswegen uͤberall jedem Mittel, das nur zu einiger Aufklaͤrung uͤber dieſe Dinge fuͤhren koͤnnte, in Weg gelegt? Wie ſorg- faͤltig ſuchte man Leſung ſolcher Schriften, die hier- uͤber einiges Licht verbreiten moͤchten, Beſuchung proteſtantiſcher hoher und niederer Schulen, oder auch nur jeden vertrauten Umgang mit Proteſtan- ten verdaͤchtig zu machen, und als aͤußerſt gefaͤhr- lich zuruͤck zu halten? Und wenn dann auch hier und da ein aufgeklaͤrter Catholik anders dachte, ſo durfte er es doch nicht wagen, ſolche Geſinnungen nur blicken zu laßen, ohne ſich ſelbſt den groͤßten Verfolgungen auszuſetzen, ſo weit nur Jeſuiten
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3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.
Entbindung zu ertheilen, wie auf ſolche Art Pabſt
Paul der IV. den Koͤnig Philipp den II. von Spa-
nien von aller Verbindlichkeit des Eides, den er
den Niederlaͤndiſchen Provinzen zu Erhaltung ih-
rer Freyheit und Religion geleiſtet hatte, losſprach,
um nun ungehindert alle Proteſtanten in den Nie-
derlanden verfolgen zu koͤnnen.
Zur Ehre der Menſchheit muß man zwar be-
merklich machen, daß es von je her auch unter
den Catholiſchen nicht an ſolchen gefehlet hat, die
aufgeklaͤrt gnug waren, um den Ungrund ſolcher
intoleranten Grundſaͤtze einzuſehen, und redlich
geſinnt gnug, um die daraus hergeleiteten Geſin-
nungen zu verabſcheuen. Aber in welchem Ver-
haͤltniſſe ſtand die Zahl dieſer Aufgeklaͤrten gegen
den unuͤberſehlich großen Haufen derer, die nicht
vermoͤgend waren, daruͤber nachzudenken, und
uͤber die von Jugend auf eingeſogenen Vorurtheile,
wodurch jene Grundſaͤtze einmal tiefe Wurzeln bey
ihnen geſchlagen hatten, ſich hinauszuſetzen? Wie
große Hinderniſſe wurden deswegen uͤberall jedem
Mittel, das nur zu einiger Aufklaͤrung uͤber dieſe
Dinge fuͤhren koͤnnte, in Weg gelegt? Wie ſorg-
faͤltig ſuchte man Leſung ſolcher Schriften, die hier-
uͤber einiges Licht verbreiten moͤchten, Beſuchung
proteſtantiſcher hoher und niederer Schulen, oder
auch nur jeden vertrauten Umgang mit Proteſtan-
ten verdaͤchtig zu machen, und als aͤußerſt gefaͤhr-
lich zuruͤck zu halten? Und wenn dann auch hier
und da ein aufgeklaͤrter Catholik anders dachte, ſo
durfte er es doch nicht wagen, ſolche Geſinnungen
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Verfolgungen auszuſetzen, ſo weit nur Jeſuiten
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/287>, abgerufen am 16.02.2025.
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