Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.XIII. Joseph II. 1764-1786. Gemüthsbilligkeit und Gerechtigkeitsliebe, daß ervon selbsten geneigt seyn werde, dem Kläger über seine Beschwerden rechtliches Gehör zu gestatten, und sein Recht widerfahren zu laßen etc. Der Mann erreichte damit seinen Zweck. Man nann- te das eine Ordination. Seitdem wurde in kur- zem nichts allgemeiner als dergleichen Ordinatio- nen zu suchen und zu erkennen. Das alles ge- schah inzwischen ohne Vorschrift und Bestimmung der Gesetze. Und im Grunde waren es doch im- mer Erkenntnisse auf einseitige Vorträge, wodurch leicht etwas erschlichen werden konnte. Daher ward auch dieses zur näheren Bestimmung der ge- setzgebenden Gewalt empfohlen. XIII. Endlich gibt es zwischen den beiden höch- oben
XIII. Joſeph II. 1764-1786. Gemuͤthsbilligkeit und Gerechtigkeitsliebe, daß ervon ſelbſten geneigt ſeyn werde, dem Klaͤger uͤber ſeine Beſchwerden rechtliches Gehoͤr zu geſtatten, und ſein Recht widerfahren zu laßen ꝛc. Der Mann erreichte damit ſeinen Zweck. Man nann- te das eine Ordination. Seitdem wurde in kur- zem nichts allgemeiner als dergleichen Ordinatio- nen zu ſuchen und zu erkennen. Das alles ge- ſchah inzwiſchen ohne Vorſchrift und Beſtimmung der Geſetze. Und im Grunde waren es doch im- mer Erkenntniſſe auf einſeitige Vortraͤge, wodurch leicht etwas erſchlichen werden konnte. Daher ward auch dieſes zur naͤheren Beſtimmung der ge- ſetzgebenden Gewalt empfohlen. XIII. Endlich gibt es zwiſchen den beiden hoͤch- oben
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0200" n="166"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XIII.</hi> Joſeph <hi rendition="#aq">II.</hi> 1764-1786.</fw><lb/> Gemuͤthsbilligkeit und Gerechtigkeitsliebe, daß er<lb/> von ſelbſten geneigt ſeyn werde, dem Klaͤger uͤber<lb/> ſeine Beſchwerden rechtliches Gehoͤr zu geſtatten,<lb/> und ſein Recht widerfahren zu laßen ꝛc. Der<lb/> Mann erreichte damit ſeinen Zweck. Man nann-<lb/> te das eine <hi rendition="#fr">Ordination</hi>. Seitdem wurde in kur-<lb/> zem nichts allgemeiner als dergleichen Ordinatio-<lb/> nen zu ſuchen und zu erkennen. Das alles ge-<lb/> ſchah inzwiſchen ohne Vorſchrift und Beſtimmung<lb/> der Geſetze. Und im Grunde waren es doch im-<lb/> mer Erkenntniſſe auf einſeitige Vortraͤge, wodurch<lb/> leicht etwas erſchlichen werden konnte. Daher<lb/> ward auch dieſes zur naͤheren Beſtimmung der ge-<lb/> ſetzgebenden Gewalt empfohlen.</p><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#aq">XIII.</hi> </note> <p>Endlich gibt es <hi rendition="#fr">zwiſchen den beiden hoͤch-<lb/> ſten Reichsgerichten</hi> wegen der Concurrenz ihrer<lb/> Gerichtbarkeit oft beſchwerliche <hi rendition="#fr">Colliſionen</hi>; wie<lb/> uͤberhaupt eine ſolche Einrichtung, daß mehrere<lb/> Gerichte eine concurrirende Gerichtbarkeit auszu-<lb/> uͤben haben, nach allgemeinen Grundſaͤtzen der<lb/> Staatsklugheit wohl keinen Beyfall verdienet.<lb/> Es iſt zwar, ſofern eine Parthey die Wahl hat,<lb/> ob ſie ihre Sache am Cammergerichte oder Reichs-<lb/> hofrathe anbringen wolle, eine ganz ausgemachte<lb/> Sache, daß dasjenige Reichsgericht, deſſen er-<lb/> kannte Proceſſe zuerſt inſinuirt werden, vor dem<lb/> andern das Recht der Praͤvention gewinnt. Je-<lb/> doch nicht nur daruͤber ereignen ſich zu Zeiten zwei-<lb/> felhafte Irrungen, ſondern in vielen Faͤllen wird<lb/> ſelbſt vom Reichshofrathe dem Cammergerichte<lb/> die Concurrenz ſtreitig gemacht, wo jener gemei-<lb/> niglich vom kaiſerlichen Hofe, letzteres von Sei-<lb/> ten der Reichsſtaͤnde unterſtuͤtzt wird. Eine ſchon<lb/> <fw place="bottom" type="catch">oben</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0200]
XIII. Joſeph II. 1764-1786.
Gemuͤthsbilligkeit und Gerechtigkeitsliebe, daß er
von ſelbſten geneigt ſeyn werde, dem Klaͤger uͤber
ſeine Beſchwerden rechtliches Gehoͤr zu geſtatten,
und ſein Recht widerfahren zu laßen ꝛc. Der
Mann erreichte damit ſeinen Zweck. Man nann-
te das eine Ordination. Seitdem wurde in kur-
zem nichts allgemeiner als dergleichen Ordinatio-
nen zu ſuchen und zu erkennen. Das alles ge-
ſchah inzwiſchen ohne Vorſchrift und Beſtimmung
der Geſetze. Und im Grunde waren es doch im-
mer Erkenntniſſe auf einſeitige Vortraͤge, wodurch
leicht etwas erſchlichen werden konnte. Daher
ward auch dieſes zur naͤheren Beſtimmung der ge-
ſetzgebenden Gewalt empfohlen.
Endlich gibt es zwiſchen den beiden hoͤch-
ſten Reichsgerichten wegen der Concurrenz ihrer
Gerichtbarkeit oft beſchwerliche Colliſionen; wie
uͤberhaupt eine ſolche Einrichtung, daß mehrere
Gerichte eine concurrirende Gerichtbarkeit auszu-
uͤben haben, nach allgemeinen Grundſaͤtzen der
Staatsklugheit wohl keinen Beyfall verdienet.
Es iſt zwar, ſofern eine Parthey die Wahl hat,
ob ſie ihre Sache am Cammergerichte oder Reichs-
hofrathe anbringen wolle, eine ganz ausgemachte
Sache, daß dasjenige Reichsgericht, deſſen er-
kannte Proceſſe zuerſt inſinuirt werden, vor dem
andern das Recht der Praͤvention gewinnt. Je-
doch nicht nur daruͤber ereignen ſich zu Zeiten zwei-
felhafte Irrungen, ſondern in vielen Faͤllen wird
ſelbſt vom Reichshofrathe dem Cammergerichte
die Concurrenz ſtreitig gemacht, wo jener gemei-
niglich vom kaiſerlichen Hofe, letzteres von Sei-
ten der Reichsſtaͤnde unterſtuͤtzt wird. Eine ſchon
oben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/200 |
Zitationshilfe: | Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/200>, abgerufen am 23.07.2024. |