Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.4) Rud. II. Reichshofrathsgerichtb. einer gegen den bisherigen Besitzstand eigenmäch-tig unternommenen Klosterprocession widersetzt hat- ten, ohne große Umstände in die Acht erklärt, und die Vollziehung dieser Acht nicht dem Schwäbischen Kreise, sondern dem Herzoge von Baiern aufgetra- gen wurde, der sich bald der Stadt so zu bemächti- gen wußte, daß sie darüber aus einer evangelischen Reichsstadt in eine catholische Landstadt verwan- delt wurde. Und so nahm der Reichshofrath auch eine Klage des Hauses Hessendarmstadt gegen Hessencassel an, da jenes wegen der unter beiden Häusern in Streit gediehenen Succession im erle- digten Marburgischen Antheile mit Vorbeygehung der Austrägalinstanz sich gerade an den kaiserlichen Hof wandte. Worauf in der Folge immer meh- rere Rechtssachen am Reichshofrathe angebracht und vorgenommen wurden. Die Sache konnte für jeden Reichsstand, derII. hat- B 4
4) Rud. II. Reichshofrathsgerichtb. einer gegen den bisherigen Beſitzſtand eigenmaͤch-tig unternommenen Kloſterproceſſion widerſetzt hat- ten, ohne große Umſtaͤnde in die Acht erklaͤrt, und die Vollziehung dieſer Acht nicht dem Schwaͤbiſchen Kreiſe, ſondern dem Herzoge von Baiern aufgetra- gen wurde, der ſich bald der Stadt ſo zu bemaͤchti- gen wußte, daß ſie daruͤber aus einer evangeliſchen Reichsſtadt in eine catholiſche Landſtadt verwan- delt wurde. Und ſo nahm der Reichshofrath auch eine Klage des Hauſes Heſſendarmſtadt gegen Heſſencaſſel an, da jenes wegen der unter beiden Haͤuſern in Streit gediehenen Succeſſion im erle- digten Marburgiſchen Antheile mit Vorbeygehung der Auſtraͤgalinſtanz ſich gerade an den kaiſerlichen Hof wandte. Worauf in der Folge immer meh- rere Rechtsſachen am Reichshofrathe angebracht und vorgenommen wurden. Die Sache konnte fuͤr jeden Reichsſtand, derII. hat- B 4
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4) Rud. II. Reichshofrathsgerichtb.
einer gegen den bisherigen Beſitzſtand eigenmaͤch-
tig unternommenen Kloſterproceſſion widerſetzt hat-
ten, ohne große Umſtaͤnde in die Acht erklaͤrt, und
die Vollziehung dieſer Acht nicht dem Schwaͤbiſchen
Kreiſe, ſondern dem Herzoge von Baiern aufgetra-
gen wurde, der ſich bald der Stadt ſo zu bemaͤchti-
gen wußte, daß ſie daruͤber aus einer evangeliſchen
Reichsſtadt in eine catholiſche Landſtadt verwan-
delt wurde. Und ſo nahm der Reichshofrath auch
eine Klage des Hauſes Heſſendarmſtadt gegen
Heſſencaſſel an, da jenes wegen der unter beiden
Haͤuſern in Streit gediehenen Succeſſion im erle-
digten Marburgiſchen Antheile mit Vorbeygehung
der Auſtraͤgalinſtanz ſich gerade an den kaiſerlichen
Hof wandte. Worauf in der Folge immer meh-
rere Rechtsſachen am Reichshofrathe angebracht
und vorgenommen wurden.
Die Sache konnte fuͤr jeden Reichsſtand, der
daruͤber nachdachte, nicht gleichguͤltig ſeyn. Das
Cammergericht war einmal dasjenige Gericht,
woruͤber Kaiſer und Reich ſich vereiniget hatten,
daß es die kaiſerliche Gerichtbarkeit in der hoͤchſten
Inſtanz ausuͤben ſollte, ohne daß man daran ge-
dacht hatte, daß außer dem Cammergerichte noch
an irgend einem andern Orte, als allenfalls nur
an einem unter des Kaiſers perſoͤnlichen Vorſitz
mit Reichsſtaͤnden ſelbſt beſetzten Fuͤrſtenrechte,
kaiſerliche Rechtsſpruͤche ſtatt finden koͤnnten. Da-
bey war dem Cammergerichte eine durch viele Reichs-
geſetze beſtimmte Proceßordnung vorgeſchrieben,
woran die Reichsſtaͤnde inſonderheit bey den jaͤhr-
lichen Viſitationen des Cammergerichts noch immer
Verbeſſerungen zu veranlaßen, gute Gelegenheit
hat-
II.
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