Sie behaupteten überdies, mit eben dem Rechte,IV. wie ehedem ein Churfürst von Sachsen, ein Land- graf von Hessen und andere evangelische Reichs- stände in ihren Ländern und Gebieten die evange- lische Religionsübung eingeführt hätten, könnten jetzt catholische Landesherren, die evangelische Unterthanen hätten, denselben ihre Religions- übung wieder nehmen, und sie zur catholischen zurückzubringen; zumal da ohnedem der Gültig- keit der Erklärung, die Ferdinand der I. zum Vortheile der Freystellung des Gottesdienstes für evangelische Unterthanen unter catholischen Landes- herren ertheilet hatte, widersprochen wurde.
Wenn man die Frage aufwarf, ob es auchV. recht sey, allenfalls Gewalt zu brauchen, um Pro- testanten in den Schooß der catholischen Kirche zurückzubringen; so wurde in jesuitischen Schriften der Unterschied gemacht, daß es zwar unrecht seyn würde, wenn man Juden oder Türken zum Chri- stenthume zwingen wollte, weil solche noch nicht zur christlichen Kirche gehörten. Aber Protestan- ten seyen einmal durch die Taufe schon Glieder der christlichen Kirche geworden, und also schuldig, zu glauben, was die Kirche glaube, oder könnten widrigenfalls mit allen möglichen Zwangsmitteln dazu angehalten werden. Das sey ohnedem ihr eigenes Bestes, und verhalte sich eben so, wie man einen rasenden Menschen oder einen, der im hitzi- gen Fieber liege, zu seinem eignen Besten binde und zwinge, um Arzney zu nehmen, und sich und an- dern nicht zu schaden.
Durch solche Gründe unterstützt, durch denVI. lebhaftesten Haß gegen alles, was Ketzer hieß, an-
ge-
P. Entw. d. Staatsverf. Th.II. B
3) Rud. II. neue Relig. Unruhen.
Sie behaupteten uͤberdies, mit eben dem Rechte,IV. wie ehedem ein Churfuͤrſt von Sachſen, ein Land- graf von Heſſen und andere evangeliſche Reichs- ſtaͤnde in ihren Laͤndern und Gebieten die evange- liſche Religionsuͤbung eingefuͤhrt haͤtten, koͤnnten jetzt catholiſche Landesherren, die evangeliſche Unterthanen haͤtten, denſelben ihre Religions- uͤbung wieder nehmen, und ſie zur catholiſchen zuruͤckzubringen; zumal da ohnedem der Guͤltig- keit der Erklaͤrung, die Ferdinand der I. zum Vortheile der Freyſtellung des Gottesdienſtes fuͤr evangeliſche Unterthanen unter catholiſchen Landes- herren ertheilet hatte, widerſprochen wurde.
Wenn man die Frage aufwarf, ob es auchV. recht ſey, allenfalls Gewalt zu brauchen, um Pro- teſtanten in den Schooß der catholiſchen Kirche zuruͤckzubringen; ſo wurde in jeſuitiſchen Schriften der Unterſchied gemacht, daß es zwar unrecht ſeyn wuͤrde, wenn man Juden oder Tuͤrken zum Chri- ſtenthume zwingen wollte, weil ſolche noch nicht zur chriſtlichen Kirche gehoͤrten. Aber Proteſtan- ten ſeyen einmal durch die Taufe ſchon Glieder der chriſtlichen Kirche geworden, und alſo ſchuldig, zu glauben, was die Kirche glaube, oder koͤnnten widrigenfalls mit allen moͤglichen Zwangsmitteln dazu angehalten werden. Das ſey ohnedem ihr eigenes Beſtes, und verhalte ſich eben ſo, wie man einen raſenden Menſchen oder einen, der im hitzi- gen Fieber liege, zu ſeinem eignen Beſten binde und zwinge, um Arzney zu nehmen, und ſich und an- dern nicht zu ſchaden.
Durch ſolche Gruͤnde unterſtuͤtzt, durch denVI. lebhafteſten Haß gegen alles, was Ketzer hieß, an-
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P. Entw. d. Staatsverf. Th.II. B
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3) Rud. II. neue Relig. Unruhen.
Sie behaupteten uͤberdies, mit eben dem Rechte,
wie ehedem ein Churfuͤrſt von Sachſen, ein Land-
graf von Heſſen und andere evangeliſche Reichs-
ſtaͤnde in ihren Laͤndern und Gebieten die evange-
liſche Religionsuͤbung eingefuͤhrt haͤtten, koͤnnten
jetzt catholiſche Landesherren, die evangeliſche
Unterthanen haͤtten, denſelben ihre Religions-
uͤbung wieder nehmen, und ſie zur catholiſchen
zuruͤckzubringen; zumal da ohnedem der Guͤltig-
keit der Erklaͤrung, die Ferdinand der I. zum
Vortheile der Freyſtellung des Gottesdienſtes fuͤr
evangeliſche Unterthanen unter catholiſchen Landes-
herren ertheilet hatte, widerſprochen wurde.
IV.
Wenn man die Frage aufwarf, ob es auch
recht ſey, allenfalls Gewalt zu brauchen, um Pro-
teſtanten in den Schooß der catholiſchen Kirche
zuruͤckzubringen; ſo wurde in jeſuitiſchen Schriften
der Unterſchied gemacht, daß es zwar unrecht ſeyn
wuͤrde, wenn man Juden oder Tuͤrken zum Chri-
ſtenthume zwingen wollte, weil ſolche noch nicht
zur chriſtlichen Kirche gehoͤrten. Aber Proteſtan-
ten ſeyen einmal durch die Taufe ſchon Glieder
der chriſtlichen Kirche geworden, und alſo ſchuldig,
zu glauben, was die Kirche glaube, oder koͤnnten
widrigenfalls mit allen moͤglichen Zwangsmitteln
dazu angehalten werden. Das ſey ohnedem ihr
eigenes Beſtes, und verhalte ſich eben ſo, wie man
einen raſenden Menſchen oder einen, der im hitzi-
gen Fieber liege, zu ſeinem eignen Beſten binde und
zwinge, um Arzney zu nehmen, und ſich und an-
dern nicht zu ſchaden.
V.
Durch ſolche Gruͤnde unterſtuͤtzt, durch den
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/59>, abgerufen am 09.11.2024.
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