Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

6) Pragmatische Sanction.
der Chur, als Gemahl der ältern Josephischen
Prinzessinn, von seinem Widerspruche abstehen
mußte, um den Beystand der Höfe zu Wien und
Petersburg bey der neuen Polnischen Königs-
wahl
nicht zu verliehren. In dieser Wahl ge-
wann nun auch August der III. über Stanislaus
Lescinsky, den Carl der XII. schon August dem
II. entgegengesetzt hatte, die Oberhand. Allein
eben das mußte Ludewig dem XV., der inzwischen
Stanislaus Tochtermann geworden war, zum
Vorwande dienen, mit Carl dem VI. zu brechen;
woraus sogar ein neuer Reichskrieg mit Frankreich
erwuchs, bis durch eine besondere Art geheimer
Unterhandlungen am 3. Oct. 1735. ganz unerwar-
tete Präliminarien zu Stande kamen.

Vermöge dieser Präliminarien blieb zwarIX.
August der III. König in Polen, aber Stanislaus
behielt ebenfalls den königlichen Titel von Polen
auf seine Lebenszeit, und zur Entschädigung für
seine Person sollte er das Herzogthum Lothringen
haben, das jedoch nach seinem Tode der Krone
Frankreich einverleibt werden sollte. Der Herzog
Franz Stephan von Lothringen, der schon damals
zum Gemahle der Erzherzoginn Maria Theresia be-
stimmt war, sollte für sein Herzogthum das Groß-
herzogthum Toscana von Don Carlos, und dieser
dafür Neapel und Sicilien vom Kaiser Carl dem
VI. bekommen. Der Kaiser erhielt hingegen nur
Parma und Piacenza, und, woran ihm am mei-
sten gelegen war, nunmehr auch die Französische
Garantie der pragmatischen Sanction.


Auf

6) Pragmatiſche Sanction.
der Chur, als Gemahl der aͤltern Joſephiſchen
Prinzeſſinn, von ſeinem Widerſpruche abſtehen
mußte, um den Beyſtand der Hoͤfe zu Wien und
Petersburg bey der neuen Polniſchen Koͤnigs-
wahl
nicht zu verliehren. In dieſer Wahl ge-
wann nun auch Auguſt der III. uͤber Stanislaus
Lescinsky, den Carl der XII. ſchon Auguſt dem
II. entgegengeſetzt hatte, die Oberhand. Allein
eben das mußte Ludewig dem XV., der inzwiſchen
Stanislaus Tochtermann geworden war, zum
Vorwande dienen, mit Carl dem VI. zu brechen;
woraus ſogar ein neuer Reichskrieg mit Frankreich
erwuchs, bis durch eine beſondere Art geheimer
Unterhandlungen am 3. Oct. 1735. ganz unerwar-
tete Praͤliminarien zu Stande kamen.

Vermoͤge dieſer Praͤliminarien blieb zwarIX.
Auguſt der III. Koͤnig in Polen, aber Stanislaus
behielt ebenfalls den koͤniglichen Titel von Polen
auf ſeine Lebenszeit, und zur Entſchaͤdigung fuͤr
ſeine Perſon ſollte er das Herzogthum Lothringen
haben, das jedoch nach ſeinem Tode der Krone
Frankreich einverleibt werden ſollte. Der Herzog
Franz Stephan von Lothringen, der ſchon damals
zum Gemahle der Erzherzoginn Maria Thereſia be-
ſtimmt war, ſollte fuͤr ſein Herzogthum das Groß-
herzogthum Toſcana von Don Carlos, und dieſer
dafuͤr Neapel und Sicilien vom Kaiſer Carl dem
VI. bekommen. Der Kaiſer erhielt hingegen nur
Parma und Piacenza, und, woran ihm am mei-
ſten gelegen war, nunmehr auch die Franzoͤſiſche
Garantie der pragmatiſchen Sanction.


Auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0487" n="445"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">6) Pragmati&#x017F;che Sanction.</hi></fw><lb/>
der Chur, als Gemahl der a&#x0364;ltern Jo&#x017F;ephi&#x017F;chen<lb/>
Prinze&#x017F;&#x017F;inn, von &#x017F;einem Wider&#x017F;pruche ab&#x017F;tehen<lb/>
mußte, um den Bey&#x017F;tand der Ho&#x0364;fe zu Wien und<lb/>
Petersburg bey der neuen <hi rendition="#fr">Polni&#x017F;chen Ko&#x0364;nigs-<lb/>
wahl</hi> nicht zu verliehren. In die&#x017F;er Wahl ge-<lb/>
wann nun auch Augu&#x017F;t der <hi rendition="#aq">III.</hi> u&#x0364;ber Stanislaus<lb/>
Lescinsky, den Carl der <hi rendition="#aq">XII.</hi> &#x017F;chon Augu&#x017F;t dem<lb/><hi rendition="#aq">II.</hi> entgegenge&#x017F;etzt hatte, die Oberhand. Allein<lb/>
eben das mußte Ludewig dem <hi rendition="#aq">XV.</hi>, der inzwi&#x017F;chen<lb/>
Stanislaus Tochtermann geworden war, zum<lb/>
Vorwande dienen, mit Carl dem <hi rendition="#aq">VI.</hi> zu brechen;<lb/>
woraus &#x017F;ogar ein neuer Reichskrieg mit Frankreich<lb/>
erwuchs, bis durch eine be&#x017F;ondere Art geheimer<lb/>
Unterhandlungen am 3. Oct. 1735. ganz unerwar-<lb/>
tete Pra&#x0364;liminarien zu Stande kamen.</p><lb/>
          <p>Vermo&#x0364;ge die&#x017F;er <hi rendition="#fr">Pra&#x0364;liminarien</hi> blieb zwar<note place="right"><hi rendition="#aq">IX.</hi></note><lb/>
Augu&#x017F;t der <hi rendition="#aq">III.</hi> Ko&#x0364;nig in Polen, aber Stanislaus<lb/>
behielt ebenfalls den ko&#x0364;niglichen Titel von Polen<lb/>
auf &#x017F;eine Lebenszeit, und zur Ent&#x017F;cha&#x0364;digung fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;eine Per&#x017F;on &#x017F;ollte er das Herzogthum Lothringen<lb/>
haben, das jedoch nach &#x017F;einem Tode der Krone<lb/>
Frankreich einverleibt werden &#x017F;ollte. Der Herzog<lb/>
Franz Stephan von Lothringen, der &#x017F;chon damals<lb/>
zum Gemahle der Erzherzoginn Maria There&#x017F;ia be-<lb/>
&#x017F;timmt war, &#x017F;ollte fu&#x0364;r &#x017F;ein Herzogthum das Groß-<lb/>
herzogthum To&#x017F;cana von Don Carlos, und die&#x017F;er<lb/>
dafu&#x0364;r Neapel und Sicilien vom Kai&#x017F;er Carl dem<lb/><hi rendition="#aq">VI.</hi> bekommen. Der Kai&#x017F;er erhielt hingegen nur<lb/>
Parma und Piacenza, und, woran ihm am mei-<lb/>
&#x017F;ten gelegen war, nunmehr auch die Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Garantie der pragmati&#x017F;chen Sanction.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Auf</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[445/0487] 6) Pragmatiſche Sanction. der Chur, als Gemahl der aͤltern Joſephiſchen Prinzeſſinn, von ſeinem Widerſpruche abſtehen mußte, um den Beyſtand der Hoͤfe zu Wien und Petersburg bey der neuen Polniſchen Koͤnigs- wahl nicht zu verliehren. In dieſer Wahl ge- wann nun auch Auguſt der III. uͤber Stanislaus Lescinsky, den Carl der XII. ſchon Auguſt dem II. entgegengeſetzt hatte, die Oberhand. Allein eben das mußte Ludewig dem XV., der inzwiſchen Stanislaus Tochtermann geworden war, zum Vorwande dienen, mit Carl dem VI. zu brechen; woraus ſogar ein neuer Reichskrieg mit Frankreich erwuchs, bis durch eine beſondere Art geheimer Unterhandlungen am 3. Oct. 1735. ganz unerwar- tete Praͤliminarien zu Stande kamen. Vermoͤge dieſer Praͤliminarien blieb zwar Auguſt der III. Koͤnig in Polen, aber Stanislaus behielt ebenfalls den koͤniglichen Titel von Polen auf ſeine Lebenszeit, und zur Entſchaͤdigung fuͤr ſeine Perſon ſollte er das Herzogthum Lothringen haben, das jedoch nach ſeinem Tode der Krone Frankreich einverleibt werden ſollte. Der Herzog Franz Stephan von Lothringen, der ſchon damals zum Gemahle der Erzherzoginn Maria Thereſia be- ſtimmt war, ſollte fuͤr ſein Herzogthum das Groß- herzogthum Toſcana von Don Carlos, und dieſer dafuͤr Neapel und Sicilien vom Kaiſer Carl dem VI. bekommen. Der Kaiſer erhielt hingegen nur Parma und Piacenza, und, woran ihm am mei- ſten gelegen war, nunmehr auch die Franzoͤſiſche Garantie der pragmatiſchen Sanction. IX. Auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/487
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/487>, abgerufen am 22.11.2024.