Die Absicht des Westphälischen Friedens und des jüngsten Reichsabschiedes, dieses höchste Reichs- gericht recht in Aufnahme zu bringen, war bey weitem nicht in ihre Erfüllung gegangen. Der Abgang an Cammerzielern war Ursache, daß an statt 50. kaum 19. Beysitzer am Cammergerichte unterhalten werden konnten. Die Visitation, die schon im Nov. 1654. eröffnet werden sollte, und seitdem etlichemal wieder in Anregung kam, konn- te eben so wenig zu Stande gebracht werden. Al- so fehlte es schon an Vollziehung dessen, was zum Besten dieses Reichsgerichts schon lange durch Reichsgesetze vorgeschrieben war.
III.
Aber nun kam noch unglücklicher Weise hinzu, daß das Cammergericht, wie es nunmehr schon seinen verjährten beständigen Aufenthalt zu Speier hatte, nicht nur überhaupt durch die Französischen Kriegsunruhen vor und nach dem Nimweger Frie- den manches Ungemach mit zu empfinden hatte. Sondern in der schrecklichen Verwüstung, die im Jan. 1689. durch Vollziehung der mordbrenneri- schen Befehle in der Pfalz und der ganzen Gegend geschah, ward auch Speier nicht verschonet. Auch die sämmtlichen Mitglieder des Cammergerichts mußten also geschehen laßen, daß ihre Häuser, Bücher und Acten im Rauche aufgiengen. Die meisten mußten, wie sie giengen und standen, nur auf ihre persönliche Rettung bedacht seyn. Einige Fässer mit Acten wurden von den Franzosen selbst noch nach Straßburg gerettet; (vielleicht in der Hoffnung, wichtige Reichsstaatssachen darin zu fin- den, die dann freylich in der Folge nicht eintraf; doch noch zum Glücke für manche Partheyen, die
seit-
X. Carl der VI. 1711-1740.
II.
Die Abſicht des Weſtphaͤliſchen Friedens und des juͤngſten Reichsabſchiedes, dieſes hoͤchſte Reichs- gericht recht in Aufnahme zu bringen, war bey weitem nicht in ihre Erfuͤllung gegangen. Der Abgang an Cammerzielern war Urſache, daß an ſtatt 50. kaum 19. Beyſitzer am Cammergerichte unterhalten werden konnten. Die Viſitation, die ſchon im Nov. 1654. eroͤffnet werden ſollte, und ſeitdem etlichemal wieder in Anregung kam, konn- te eben ſo wenig zu Stande gebracht werden. Al- ſo fehlte es ſchon an Vollziehung deſſen, was zum Beſten dieſes Reichsgerichts ſchon lange durch Reichsgeſetze vorgeſchrieben war.
III.
Aber nun kam noch ungluͤcklicher Weiſe hinzu, daß das Cammergericht, wie es nunmehr ſchon ſeinen verjaͤhrten beſtaͤndigen Aufenthalt zu Speier hatte, nicht nur uͤberhaupt durch die Franzoͤſiſchen Kriegsunruhen vor und nach dem Nimweger Frie- den manches Ungemach mit zu empfinden hatte. Sondern in der ſchrecklichen Verwuͤſtung, die im Jan. 1689. durch Vollziehung der mordbrenneri- ſchen Befehle in der Pfalz und der ganzen Gegend geſchah, ward auch Speier nicht verſchonet. Auch die ſaͤmmtlichen Mitglieder des Cammergerichts mußten alſo geſchehen laßen, daß ihre Haͤuſer, Buͤcher und Acten im Rauche aufgiengen. Die meiſten mußten, wie ſie giengen und ſtanden, nur auf ihre perſoͤnliche Rettung bedacht ſeyn. Einige Faͤſſer mit Acten wurden von den Franzoſen ſelbſt noch nach Straßburg gerettet; (vielleicht in der Hoffnung, wichtige Reichsſtaatsſachen darin zu fin- den, die dann freylich in der Folge nicht eintraf; doch noch zum Gluͤcke fuͤr manche Partheyen, die
ſeit-
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X. Carl der VI. 1711-1740.
Die Abſicht des Weſtphaͤliſchen Friedens und
des juͤngſten Reichsabſchiedes, dieſes hoͤchſte Reichs-
gericht recht in Aufnahme zu bringen, war bey
weitem nicht in ihre Erfuͤllung gegangen. Der
Abgang an Cammerzielern war Urſache, daß an
ſtatt 50. kaum 19. Beyſitzer am Cammergerichte
unterhalten werden konnten. Die Viſitation, die
ſchon im Nov. 1654. eroͤffnet werden ſollte, und
ſeitdem etlichemal wieder in Anregung kam, konn-
te eben ſo wenig zu Stande gebracht werden. Al-
ſo fehlte es ſchon an Vollziehung deſſen, was zum
Beſten dieſes Reichsgerichts ſchon lange durch
Reichsgeſetze vorgeſchrieben war.
Aber nun kam noch ungluͤcklicher Weiſe hinzu,
daß das Cammergericht, wie es nunmehr ſchon
ſeinen verjaͤhrten beſtaͤndigen Aufenthalt zu Speier
hatte, nicht nur uͤberhaupt durch die Franzoͤſiſchen
Kriegsunruhen vor und nach dem Nimweger Frie-
den manches Ungemach mit zu empfinden hatte.
Sondern in der ſchrecklichen Verwuͤſtung, die im
Jan. 1689. durch Vollziehung der mordbrenneri-
ſchen Befehle in der Pfalz und der ganzen Gegend
geſchah, ward auch Speier nicht verſchonet. Auch
die ſaͤmmtlichen Mitglieder des Cammergerichts
mußten alſo geſchehen laßen, daß ihre Haͤuſer,
Buͤcher und Acten im Rauche aufgiengen. Die
meiſten mußten, wie ſie giengen und ſtanden, nur
auf ihre perſoͤnliche Rettung bedacht ſeyn. Einige
Faͤſſer mit Acten wurden von den Franzoſen ſelbſt
noch nach Straßburg gerettet; (vielleicht in der
Hoffnung, wichtige Reichsſtaatsſachen darin zu fin-
den, die dann freylich in der Folge nicht eintraf;
doch noch zum Gluͤcke fuͤr manche Partheyen, die
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/452>, abgerufen am 22.11.2024.
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