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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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X. Carl der VI. 1711-1740.
leicht in reichsständischen Versammlungen nicht vor.
Doch würde auch da noch oft Streit gnug gewe-
sen seyn, was eigentlich dazu gehöre oder nicht.
Aber wie viele politische Gegenstände gibt es nicht,
wo die Religion nahen oder entfernten Einfluß hat?
Und da war es nach dem Verhältnisse, worin in
Teutschland beide Religionstheile gegen einander
stehen, gar wohl der Mühe werth dafür zu sorgen,
daß nie ein Theil den andern durch bloße Mehr-
heit der Stimmen überwiegen sollte. Obige Zwin-
genbergische Sache kann allein schon zum Beyspiele
dienen, was der evangelische Religionstheil in
Teutschland zu erwarten haben würde, wenn die
Mehrheit der Stimmen auf catholischer Seite hin-
reichen sollte, eine zum Vortheile einer evangeli-
schen Parthey entschiedene Rechtssache damit zum
Vortheile der catholischen Gegenparthey umzu-
lenken.


IX.

Bey der Zwingenbergischen Sache wurde auch
das noch gerüget, daß nicht alle evangelische
Reichsstände einstimmig gewesen wären. Denn
etliche hatten sich, auf Ansuchen des Churpfälzi-
schen Hofes und in solchen Fällen nicht ungewöhn-
liches Anerbieten einer gelegentlich gegenseitigen
Unterstützung, bewegen laßen, für denselben bey-
fällig zu stimmen. Da entstand also die Frage:
ob derjenige Religionstheil, der in partes gehen
wolle, auf seiner Seite nothwendig völlig einmü-
thige Stimmen haben müße?


X.

Nun ist hier offenbar der Fall, da voraus ge-
setzt wird, daß das gesammte Corpus der Stände
sich in zwey Theile, wie sie der Religion nach ver-

schie-

X. Carl der VI. 1711-1740.
leicht in reichsſtaͤndiſchen Verſammlungen nicht vor.
Doch wuͤrde auch da noch oft Streit gnug gewe-
ſen ſeyn, was eigentlich dazu gehoͤre oder nicht.
Aber wie viele politiſche Gegenſtaͤnde gibt es nicht,
wo die Religion nahen oder entfernten Einfluß hat?
Und da war es nach dem Verhaͤltniſſe, worin in
Teutſchland beide Religionstheile gegen einander
ſtehen, gar wohl der Muͤhe werth dafuͤr zu ſorgen,
daß nie ein Theil den andern durch bloße Mehr-
heit der Stimmen uͤberwiegen ſollte. Obige Zwin-
genbergiſche Sache kann allein ſchon zum Beyſpiele
dienen, was der evangeliſche Religionstheil in
Teutſchland zu erwarten haben wuͤrde, wenn die
Mehrheit der Stimmen auf catholiſcher Seite hin-
reichen ſollte, eine zum Vortheile einer evangeli-
ſchen Parthey entſchiedene Rechtsſache damit zum
Vortheile der catholiſchen Gegenparthey umzu-
lenken.


IX.

Bey der Zwingenbergiſchen Sache wurde auch
das noch geruͤget, daß nicht alle evangeliſche
Reichsſtaͤnde einſtimmig geweſen waͤren. Denn
etliche hatten ſich, auf Anſuchen des Churpfaͤlzi-
ſchen Hofes und in ſolchen Faͤllen nicht ungewoͤhn-
liches Anerbieten einer gelegentlich gegenſeitigen
Unterſtuͤtzung, bewegen laßen, fuͤr denſelben bey-
faͤllig zu ſtimmen. Da entſtand alſo die Frage:
ob derjenige Religionstheil, der in partes gehen
wolle, auf ſeiner Seite nothwendig voͤllig einmuͤ-
thige Stimmen haben muͤße?


X.

Nun iſt hier offenbar der Fall, da voraus ge-
ſetzt wird, daß das geſammte Corpus der Staͤnde
ſich in zwey Theile, wie ſie der Religion nach ver-

ſchie-
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[398/0440] X. Carl der VI. 1711-1740. leicht in reichsſtaͤndiſchen Verſammlungen nicht vor. Doch wuͤrde auch da noch oft Streit gnug gewe- ſen ſeyn, was eigentlich dazu gehoͤre oder nicht. Aber wie viele politiſche Gegenſtaͤnde gibt es nicht, wo die Religion nahen oder entfernten Einfluß hat? Und da war es nach dem Verhaͤltniſſe, worin in Teutſchland beide Religionstheile gegen einander ſtehen, gar wohl der Muͤhe werth dafuͤr zu ſorgen, daß nie ein Theil den andern durch bloße Mehr- heit der Stimmen uͤberwiegen ſollte. Obige Zwin- genbergiſche Sache kann allein ſchon zum Beyſpiele dienen, was der evangeliſche Religionstheil in Teutſchland zu erwarten haben wuͤrde, wenn die Mehrheit der Stimmen auf catholiſcher Seite hin- reichen ſollte, eine zum Vortheile einer evangeli- ſchen Parthey entſchiedene Rechtsſache damit zum Vortheile der catholiſchen Gegenparthey umzu- lenken. Bey der Zwingenbergiſchen Sache wurde auch das noch geruͤget, daß nicht alle evangeliſche Reichsſtaͤnde einſtimmig geweſen waͤren. Denn etliche hatten ſich, auf Anſuchen des Churpfaͤlzi- ſchen Hofes und in ſolchen Faͤllen nicht ungewoͤhn- liches Anerbieten einer gelegentlich gegenſeitigen Unterſtuͤtzung, bewegen laßen, fuͤr denſelben bey- faͤllig zu ſtimmen. Da entſtand alſo die Frage: ob derjenige Religionstheil, der in partes gehen wolle, auf ſeiner Seite nothwendig voͤllig einmuͤ- thige Stimmen haben muͤße? Nun iſt hier offenbar der Fall, da voraus ge- ſetzt wird, daß das geſammte Corpus der Staͤnde ſich in zwey Theile, wie ſie der Religion nach ver- ſchie-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/440>, abgerufen am 22.11.2024.