Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.X. Carl der VI. 1711-1740. nicht als ein Corpus angesehen werden können, wieauch so oft beide Religionstheile zweyerley Mey- nungen gegen einander behaupten, die Mehrheit der Stimmen nicht entscheiden sollte. Dieser Aus- spruch, daß die mehreren Stimmen nicht entschei- den sollten, gieng offenbar auf dreyerley Gegen- stände, wovon Religionssachen nur den ersten, Sachen, worin Stände nicht als ein Corpus an- zusehen, den zweyten, und die Verschiedenheit der Meynungen beider Religionstheile den dritten aus- machten. Diesen dritten Gegenstand aber nur auf den ersten einzuschränken würde eben so wenig mit einer gesunden Logik bestehen können, als wenn man den Satz: Wer Geld, Verstand und Tu- gend hat, ist glücklich, so mißdeuten wollte, daß niemand tugendhaft seyn könne, wer nicht Geld habe. Denn mit nicht größerem Rechte läßt sich aus jener Stelle des Friedens behaupten, daß man nicht anders als in Religionssachen in partes ge- hen könne (c). In (c) Noch einleuchtender ist vielleicht folgende
Parodie von dieser Art der Auslegung: [Spaltenumbruch] In causis religionis omnibusque aliis nego- tiis, vbi status tamquam vnum corpus considera- ri nequeunt, vt etiam catholicis et A. C. statibus in duas partes euntibus, sola amicabilis com- positio lites dirimat, non attenta votorum plurali- tate. [Spaltenumbruch] Im Regen und bey allem andern schlechten Wetter, wenn die Sonne nicht scheint, wie auch so oft wir Luft haben zu spielen oder zu tanzen, halten wir Gesellschaft und gehen nicht spatzie- ren. Ergo X. Carl der VI. 1711-1740. nicht als ein Corpus angeſehen werden koͤnnen, wieauch ſo oft beide Religionstheile zweyerley Mey- nungen gegen einander behaupten, die Mehrheit der Stimmen nicht entſcheiden ſollte. Dieſer Aus- ſpruch, daß die mehreren Stimmen nicht entſchei- den ſollten, gieng offenbar auf dreyerley Gegen- ſtaͤnde, wovon Religionsſachen nur den erſten, Sachen, worin Staͤnde nicht als ein Corpus an- zuſehen, den zweyten, und die Verſchiedenheit der Meynungen beider Religionstheile den dritten aus- machten. Dieſen dritten Gegenſtand aber nur auf den erſten einzuſchraͤnken wuͤrde eben ſo wenig mit einer geſunden Logik beſtehen koͤnnen, als wenn man den Satz: Wer Geld, Verſtand und Tu- gend hat, iſt gluͤcklich, ſo mißdeuten wollte, daß niemand tugendhaft ſeyn koͤnne, wer nicht Geld habe. Denn mit nicht groͤßerem Rechte laͤßt ſich aus jener Stelle des Friedens behaupten, daß man nicht anders als in Religionsſachen in partes ge- hen koͤnne (c). In (c) Noch einleuchtender iſt vielleicht folgende
Parodie von dieſer Art der Auslegung: [Spaltenumbruch] In cauſis religionis omnibusque aliis nego- tiis, vbi ſtatus tamquam vnum corpus conſidera- ri nequeunt, vt etiam catholicis et A. C. ſtatibus in duas partes euntibus, ſola amicabilis com- poſitio lites dirimat, non attenta votorum plurali- tate. [Spaltenumbruch] Im Regen und bey allem andern ſchlechten Wetter, wenn die Sonne nicht ſcheint, wie auch ſo oft wir Luft haben zu ſpielen oder zu tanzen, halten wir Geſellſchaft und gehen nicht ſpatzie- ren. Ergo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0438" n="396"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">X.</hi> Carl der <hi rendition="#aq">VI.</hi> 1711-1740.</hi></fw><lb/> nicht als ein Corpus angeſehen werden koͤnnen, wie<lb/> auch ſo oft beide Religionstheile zweyerley Mey-<lb/> nungen gegen einander behaupten, die Mehrheit<lb/> der Stimmen nicht entſcheiden ſollte. Dieſer Aus-<lb/> ſpruch, daß die mehreren Stimmen nicht entſchei-<lb/> den ſollten, gieng offenbar auf dreyerley Gegen-<lb/> ſtaͤnde, wovon Religionsſachen nur den erſten,<lb/> Sachen, worin Staͤnde nicht als ein Corpus an-<lb/> zuſehen, den zweyten, und die Verſchiedenheit der<lb/> Meynungen beider Religionstheile den dritten aus-<lb/> machten. Dieſen dritten Gegenſtand aber nur auf<lb/> den erſten einzuſchraͤnken wuͤrde eben ſo wenig mit<lb/> einer geſunden Logik beſtehen koͤnnen, als wenn<lb/> man den Satz: Wer Geld, Verſtand und Tu-<lb/> gend hat, iſt gluͤcklich, ſo mißdeuten wollte, daß<lb/> niemand tugendhaft ſeyn koͤnne, wer nicht Geld<lb/> habe. Denn mit nicht groͤßerem Rechte laͤßt ſich<lb/> aus jener Stelle des Friedens behaupten, daß man<lb/> nicht anders als in Religionsſachen <hi rendition="#aq">in partes</hi> ge-<lb/> hen koͤnne <note xml:id="seg2pn_16_1" next="#seg2pn_16_2" place="foot" n="(c)">Noch einleuchtender iſt vielleicht folgende<lb/> Parodie von dieſer Art der Auslegung:<lb/><cb/> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">In cauſis religionis</hi></hi><lb/><hi rendition="#aq">omnibusque aliis nego-<lb/> tiis, vbi ſtatus tamquam<lb/> vnum corpus conſidera-<lb/> ri nequeunt,<lb/> vt etiam catholicis et<lb/> A. C. ſtatibus in duas<lb/> partes euntibus,<lb/> ſola amicabilis com-<lb/> poſitio lites dirimat, non<lb/> attenta votorum plurali-<lb/> tate.</hi><lb/><cb/> <hi rendition="#c">Im Regen</hi><lb/> und bey allem andern<lb/> ſchlechten Wetter, wenn<lb/> die Sonne nicht ſcheint,<lb/> wie auch ſo oft wir Luft<lb/> haben zu ſpielen oder zu<lb/> tanzen,<lb/> halten wir Geſellſchaft<lb/> und gehen nicht ſpatzie-<lb/> ren.<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Ergo</hi></fw></note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">In</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [396/0438]
X. Carl der VI. 1711-1740.
nicht als ein Corpus angeſehen werden koͤnnen, wie
auch ſo oft beide Religionstheile zweyerley Mey-
nungen gegen einander behaupten, die Mehrheit
der Stimmen nicht entſcheiden ſollte. Dieſer Aus-
ſpruch, daß die mehreren Stimmen nicht entſchei-
den ſollten, gieng offenbar auf dreyerley Gegen-
ſtaͤnde, wovon Religionsſachen nur den erſten,
Sachen, worin Staͤnde nicht als ein Corpus an-
zuſehen, den zweyten, und die Verſchiedenheit der
Meynungen beider Religionstheile den dritten aus-
machten. Dieſen dritten Gegenſtand aber nur auf
den erſten einzuſchraͤnken wuͤrde eben ſo wenig mit
einer geſunden Logik beſtehen koͤnnen, als wenn
man den Satz: Wer Geld, Verſtand und Tu-
gend hat, iſt gluͤcklich, ſo mißdeuten wollte, daß
niemand tugendhaft ſeyn koͤnne, wer nicht Geld
habe. Denn mit nicht groͤßerem Rechte laͤßt ſich
aus jener Stelle des Friedens behaupten, daß man
nicht anders als in Religionsſachen in partes ge-
hen koͤnne (c).
In
(c) Noch einleuchtender iſt vielleicht folgende
Parodie von dieſer Art der Auslegung:
In cauſis religionis
omnibusque aliis nego-
tiis, vbi ſtatus tamquam
vnum corpus conſidera-
ri nequeunt,
vt etiam catholicis et
A. C. ſtatibus in duas
partes euntibus,
ſola amicabilis com-
poſitio lites dirimat, non
attenta votorum plurali-
tate.
Im Regen
und bey allem andern
ſchlechten Wetter, wenn
die Sonne nicht ſcheint,
wie auch ſo oft wir Luft
haben zu ſpielen oder zu
tanzen,
halten wir Geſellſchaft
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Zitationshilfe: | Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/438>, abgerufen am 16.02.2025. |