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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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IX. Leop. u. Joseph I. 1657-1711.

XII.

Aber noch eins: In vorigen Zeiten war nicht
ungewöhnlich, daß Fürsten in Person dem Reichs-
tage beywohnten; da würde es freylich Anstoß ge-
funden haben, einen catholischen Fürsten einer Ver-
sammlung beywohnen zu laßen, worin nur evange-
lische Stände zu ihrer besonderen Berathschlagung
sich von den catholischen getrennet hätten. Das
mag eine Hauptursache mit gewesen seyn, warum
der evangelische Religionstheil einen catholisch ge-
wordenen Marggrafen von Baden oder Pfalzgra-
fen von Neuburg auch nicht mehr zu seinen Be-
rathschlagungen verlangt haben mag. Allein da
jetzt unser Reichstag aus lauter Gesandten besteht,
auch sonst nicht leicht ein weltlicher Reichsstand
mehr irgend einiger reichsständischen Versammlung
persönlich beywohnt; so bekömmt jetzt die ganze
Sache eine durchaus veränderte Gestalt, da es
jetzt nur auf die Frage ankömmt: ob nicht von ei-
nem evangelischen Lande, dessen Landesherr nur
für seine Person catholisch ist, noch durch einen
evangelischen Gesandten die darauf haftende Reichs-
tagsstimme in der bisherigen Religionseigenschaft
fortgeführt werden könne?


XIII.

Von einer Reichsstadt, die vermischter Reli-
gion ist, wie z. B. Augsburg, läßt sich noch der
Fall gedenken, daß sie durch zweyerley Gesandten
von beiderley Religion allenfalls abwechselnd ihre
Stimme führen laßen kann. So ist es auch der
Sache ganz gemäß, daß, da vermöge des West-
phälischen Friedens im Hochstifte Osnabrück ab-
wechselnd ein catholischer und evangelischer Bischof
an der Regierung ist, auch davon abwechselnd bald
ein catholischer, bald ein evangelischer Gesandter

die
IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711.

XII.

Aber noch eins: In vorigen Zeiten war nicht
ungewoͤhnlich, daß Fuͤrſten in Perſon dem Reichs-
tage beywohnten; da wuͤrde es freylich Anſtoß ge-
funden haben, einen catholiſchen Fuͤrſten einer Ver-
ſammlung beywohnen zu laßen, worin nur evange-
liſche Staͤnde zu ihrer beſonderen Berathſchlagung
ſich von den catholiſchen getrennet haͤtten. Das
mag eine Haupturſache mit geweſen ſeyn, warum
der evangeliſche Religionstheil einen catholiſch ge-
wordenen Marggrafen von Baden oder Pfalzgra-
fen von Neuburg auch nicht mehr zu ſeinen Be-
rathſchlagungen verlangt haben mag. Allein da
jetzt unſer Reichstag aus lauter Geſandten beſteht,
auch ſonſt nicht leicht ein weltlicher Reichsſtand
mehr irgend einiger reichsſtaͤndiſchen Verſammlung
perſoͤnlich beywohnt; ſo bekoͤmmt jetzt die ganze
Sache eine durchaus veraͤnderte Geſtalt, da es
jetzt nur auf die Frage ankoͤmmt: ob nicht von ei-
nem evangeliſchen Lande, deſſen Landesherr nur
fuͤr ſeine Perſon catholiſch iſt, noch durch einen
evangeliſchen Geſandten die darauf haftende Reichs-
tagsſtimme in der bisherigen Religionseigenſchaft
fortgefuͤhrt werden koͤnne?


XIII.

Von einer Reichsſtadt, die vermiſchter Reli-
gion iſt, wie z. B. Augsburg, laͤßt ſich noch der
Fall gedenken, daß ſie durch zweyerley Geſandten
von beiderley Religion allenfalls abwechſelnd ihre
Stimme fuͤhren laßen kann. So iſt es auch der
Sache ganz gemaͤß, daß, da vermoͤge des Weſt-
phaͤliſchen Friedens im Hochſtifte Osnabruͤck ab-
wechſelnd ein catholiſcher und evangeliſcher Biſchof
an der Regierung iſt, auch davon abwechſelnd bald
ein catholiſcher, bald ein evangeliſcher Geſandter

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[350/0392] IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711. Aber noch eins: In vorigen Zeiten war nicht ungewoͤhnlich, daß Fuͤrſten in Perſon dem Reichs- tage beywohnten; da wuͤrde es freylich Anſtoß ge- funden haben, einen catholiſchen Fuͤrſten einer Ver- ſammlung beywohnen zu laßen, worin nur evange- liſche Staͤnde zu ihrer beſonderen Berathſchlagung ſich von den catholiſchen getrennet haͤtten. Das mag eine Haupturſache mit geweſen ſeyn, warum der evangeliſche Religionstheil einen catholiſch ge- wordenen Marggrafen von Baden oder Pfalzgra- fen von Neuburg auch nicht mehr zu ſeinen Be- rathſchlagungen verlangt haben mag. Allein da jetzt unſer Reichstag aus lauter Geſandten beſteht, auch ſonſt nicht leicht ein weltlicher Reichsſtand mehr irgend einiger reichsſtaͤndiſchen Verſammlung perſoͤnlich beywohnt; ſo bekoͤmmt jetzt die ganze Sache eine durchaus veraͤnderte Geſtalt, da es jetzt nur auf die Frage ankoͤmmt: ob nicht von ei- nem evangeliſchen Lande, deſſen Landesherr nur fuͤr ſeine Perſon catholiſch iſt, noch durch einen evangeliſchen Geſandten die darauf haftende Reichs- tagsſtimme in der bisherigen Religionseigenſchaft fortgefuͤhrt werden koͤnne? Von einer Reichsſtadt, die vermiſchter Reli- gion iſt, wie z. B. Augsburg, laͤßt ſich noch der Fall gedenken, daß ſie durch zweyerley Geſandten von beiderley Religion allenfalls abwechſelnd ihre Stimme fuͤhren laßen kann. So iſt es auch der Sache ganz gemaͤß, daß, da vermoͤge des Weſt- phaͤliſchen Friedens im Hochſtifte Osnabruͤck ab- wechſelnd ein catholiſcher und evangeliſcher Biſchof an der Regierung iſt, auch davon abwechſelnd bald ein catholiſcher, bald ein evangeliſcher Geſandter die

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/392>, abgerufen am 25.11.2024.