einfällt, zu werden beliebte, und dich und die Dei- nigen nun zu eben der Religion nöthigen wollte!
Doch sollte nicht etwa der Umstand, daß un-XI. sere Reichstagsstimmen einem jeden Reichsstande für seine Person gebühren, wenigstens in Ansehung dieser Stimmen der Sache eine andere Gestalt ge- ben? -- Auch da ist klar, daß ein Teutscher Reichsfürst dennoch eigentlich nur von wegen sei- nes Landes sein Sitz- und Stimmrecht auszuüben hat. Bloße Personalisten kennt unsere wahre Reichsverfassung nicht. Nach der ursprünglich harmonischen Verfassung unsers Teutschen Reichs und dessen besonderer Staaten war es auch nichts ungewöhnliches, daß Fürsten erst in ihren Ländern Landtag hielten, und dann erst auf dem Reichs- tage ihres Landes Interesse besorgten. Haben nun gleich in neueren Zeiten die meisten Landschaften nicht mehr solchen Einfluß in die Reichstagsstim- men behalten; so wird doch schwerlich ein Fürst oder ein fürstliches Ministerium behaupten wollen, daß eine fürstliche Reichstagsstimme in dem Ver- stande persönlich sey, daß in deren Ausübung nicht sowohl auf das wahre Beste des Landes, als auf die bloß persönliche Convenienz des Fürsten Rück- sicht zu nehmen sey. Gesetzt also, daß nun auf dem Reichstage oder in einer andern reichsständi- schen Versammlung eine Frage vorkömmt, wo evangelische Länder ein anderes Interesse haben, als catholische Länder; soll da die auf dem evangelischen Lande haftende Stimme bloß deswegen, weil der Landesherr für seine Person jetzt catholisch ist, viel- mehr das catholische, als evangelische Interesse be- fördern helfen! Das wäre doch sonderbar!
Aber
10) Religionsveraͤnderungen.
einfaͤllt, zu werden beliebte, und dich und die Dei- nigen nun zu eben der Religion noͤthigen wollte!
Doch ſollte nicht etwa der Umſtand, daß un-XI. ſere Reichstagsſtimmen einem jeden Reichsſtande fuͤr ſeine Perſon gebuͤhren, wenigſtens in Anſehung dieſer Stimmen der Sache eine andere Geſtalt ge- ben? — Auch da iſt klar, daß ein Teutſcher Reichsfuͤrſt dennoch eigentlich nur von wegen ſei- nes Landes ſein Sitz- und Stimmrecht auszuuͤben hat. Bloße Perſonaliſten kennt unſere wahre Reichsverfaſſung nicht. Nach der urſpruͤnglich harmoniſchen Verfaſſung unſers Teutſchen Reichs und deſſen beſonderer Staaten war es auch nichts ungewoͤhnliches, daß Fuͤrſten erſt in ihren Laͤndern Landtag hielten, und dann erſt auf dem Reichs- tage ihres Landes Intereſſe beſorgten. Haben nun gleich in neueren Zeiten die meiſten Landſchaften nicht mehr ſolchen Einfluß in die Reichstagsſtim- men behalten; ſo wird doch ſchwerlich ein Fuͤrſt oder ein fuͤrſtliches Miniſterium behaupten wollen, daß eine fuͤrſtliche Reichstagsſtimme in dem Ver- ſtande perſoͤnlich ſey, daß in deren Ausuͤbung nicht ſowohl auf das wahre Beſte des Landes, als auf die bloß perſoͤnliche Convenienz des Fuͤrſten Ruͤck- ſicht zu nehmen ſey. Geſetzt alſo, daß nun auf dem Reichstage oder in einer andern reichsſtaͤndi- ſchen Verſammlung eine Frage vorkoͤmmt, wo evangeliſche Laͤnder ein anderes Intereſſe haben, als catholiſche Laͤnder; ſoll da die auf dem evangeliſchen Lande haftende Stimme bloß deswegen, weil der Landesherr fuͤr ſeine Perſon jetzt catholiſch iſt, viel- mehr das catholiſche, als evangeliſche Intereſſe be- foͤrdern helfen! Das waͤre doch ſonderbar!
Aber
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10) Religionsveraͤnderungen.
einfaͤllt, zu werden beliebte, und dich und die Dei-
nigen nun zu eben der Religion noͤthigen wollte!
Doch ſollte nicht etwa der Umſtand, daß un-
ſere Reichstagsſtimmen einem jeden Reichsſtande
fuͤr ſeine Perſon gebuͤhren, wenigſtens in Anſehung
dieſer Stimmen der Sache eine andere Geſtalt ge-
ben? — Auch da iſt klar, daß ein Teutſcher
Reichsfuͤrſt dennoch eigentlich nur von wegen ſei-
nes Landes ſein Sitz- und Stimmrecht auszuuͤben
hat. Bloße Perſonaliſten kennt unſere wahre
Reichsverfaſſung nicht. Nach der urſpruͤnglich
harmoniſchen Verfaſſung unſers Teutſchen Reichs
und deſſen beſonderer Staaten war es auch nichts
ungewoͤhnliches, daß Fuͤrſten erſt in ihren Laͤndern
Landtag hielten, und dann erſt auf dem Reichs-
tage ihres Landes Intereſſe beſorgten. Haben nun
gleich in neueren Zeiten die meiſten Landſchaften
nicht mehr ſolchen Einfluß in die Reichstagsſtim-
men behalten; ſo wird doch ſchwerlich ein Fuͤrſt
oder ein fuͤrſtliches Miniſterium behaupten wollen,
daß eine fuͤrſtliche Reichstagsſtimme in dem Ver-
ſtande perſoͤnlich ſey, daß in deren Ausuͤbung nicht
ſowohl auf das wahre Beſte des Landes, als auf
die bloß perſoͤnliche Convenienz des Fuͤrſten Ruͤck-
ſicht zu nehmen ſey. Geſetzt alſo, daß nun auf
dem Reichstage oder in einer andern reichsſtaͤndi-
ſchen Verſammlung eine Frage vorkoͤmmt, wo
evangeliſche Laͤnder ein anderes Intereſſe haben, als
catholiſche Laͤnder; ſoll da die auf dem evangeliſchen
Lande haftende Stimme bloß deswegen, weil der
Landesherr fuͤr ſeine Perſon jetzt catholiſch iſt, viel-
mehr das catholiſche, als evangeliſche Intereſſe be-
foͤrdern helfen! Das waͤre doch ſonderbar!
XI.
Aber
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/391>, abgerufen am 22.11.2024.
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