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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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IX. Leop. u. Joseph I. 1657-1711.

V.

Insonderheit haben die Protestanten in der
Pfalz noch dadurch am meisten verlohren, daß bey-
nahe alle Bedienungen bey Hofe und im ganzen
Lande nur mit Catholischen besetzt worden (e).
Das alleine hat natürlicher Weise immer mehr ca-
tholische Familien ins Land gezogen und empor ge-
bracht. Durch Begünstigung vermischter Ehen
und der Kinder Erziehung in der catholischen Reli-
gion, durch begünstigte Religionsveränderungen
oder Aufnahme neuer catholischer Bürger und Un-
terthanen, und wer weiß durch wie viel andere
Mittel hat sich auf solche Art die Anzahl der Ca-
tholischen im Lande immer mehr vergrößert. Da
hingegen viele protestantische Pfälzer auswärts ihr
Glück suchen müßen, und also verhältnißmäßig ab-
genommen, wie jene zugenommen haben. Das
alles unter mehreren Regierungen nach einander
fortgeführet, mußte freylich dem ganzen Lande eine
völlig veränderte Gestalt geben, daß es gegen die
vorigen Zeiten sich nicht mehr gleich sehen konnte.


VI.

Ein trauriger Trost mußte es für die Pfälzi-
schen Protestanten seyn, wenn sie sahen, daß eben

der
(e) Einige wenige Beyspiele ausgenommen, sind
die Reformirten sowohl von allen Hofämtern und
Gerichtsstellen, als von Stadtdirectorien und Land-
beamtenstellen ausgeschlossen. Es erstreckt sich so
gar bis auf Dorfschulzen, Gerichtschreiber und
Pedellen, wozu man statt alter erfahrner einheimi-
scher Reformirten lieber ausländische Maurerge-
sellen, Strohschneider, Schäfer und Tagelöhner
berüft, wenn sie nur catholisch sind. Ein refor-
mirter Schulz, wenn gleich der ganze Ort oder
der größte Theil desselben reformirt wäre, ist in
der Pfalz eine seltene Erscheinung. So äußert
sich obige species facti vom Oct. 1784.
IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711.

V.

Inſonderheit haben die Proteſtanten in der
Pfalz noch dadurch am meiſten verlohren, daß bey-
nahe alle Bedienungen bey Hofe und im ganzen
Lande nur mit Catholiſchen beſetzt worden (e).
Das alleine hat natuͤrlicher Weiſe immer mehr ca-
tholiſche Familien ins Land gezogen und empor ge-
bracht. Durch Beguͤnſtigung vermiſchter Ehen
und der Kinder Erziehung in der catholiſchen Reli-
gion, durch beguͤnſtigte Religionsveraͤnderungen
oder Aufnahme neuer catholiſcher Buͤrger und Un-
terthanen, und wer weiß durch wie viel andere
Mittel hat ſich auf ſolche Art die Anzahl der Ca-
tholiſchen im Lande immer mehr vergroͤßert. Da
hingegen viele proteſtantiſche Pfaͤlzer auswaͤrts ihr
Gluͤck ſuchen muͤßen, und alſo verhaͤltnißmaͤßig ab-
genommen, wie jene zugenommen haben. Das
alles unter mehreren Regierungen nach einander
fortgefuͤhret, mußte freylich dem ganzen Lande eine
voͤllig veraͤnderte Geſtalt geben, daß es gegen die
vorigen Zeiten ſich nicht mehr gleich ſehen konnte.


VI.

Ein trauriger Troſt mußte es fuͤr die Pfaͤlzi-
ſchen Proteſtanten ſeyn, wenn ſie ſahen, daß eben

der
(e) Einige wenige Beyſpiele ausgenommen, ſind
die Reformirten ſowohl von allen Hofaͤmtern und
Gerichtsſtellen, als von Stadtdirectorien und Land-
beamtenſtellen ausgeſchloſſen. Es erſtreckt ſich ſo
gar bis auf Dorfſchulzen, Gerichtſchreiber und
Pedellen, wozu man ſtatt alter erfahrner einheimi-
ſcher Reformirten lieber auslaͤndiſche Maurerge-
ſellen, Strohſchneider, Schaͤfer und Tageloͤhner
beruͤft, wenn ſie nur catholiſch ſind. Ein refor-
mirter Schulz, wenn gleich der ganze Ort oder
der groͤßte Theil deſſelben reformirt waͤre, iſt in
der Pfalz eine ſeltene Erſcheinung. So aͤußert
ſich obige ſpecies facti vom Oct. 1784.
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[314/0356] IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711. Inſonderheit haben die Proteſtanten in der Pfalz noch dadurch am meiſten verlohren, daß bey- nahe alle Bedienungen bey Hofe und im ganzen Lande nur mit Catholiſchen beſetzt worden (e). Das alleine hat natuͤrlicher Weiſe immer mehr ca- tholiſche Familien ins Land gezogen und empor ge- bracht. Durch Beguͤnſtigung vermiſchter Ehen und der Kinder Erziehung in der catholiſchen Reli- gion, durch beguͤnſtigte Religionsveraͤnderungen oder Aufnahme neuer catholiſcher Buͤrger und Un- terthanen, und wer weiß durch wie viel andere Mittel hat ſich auf ſolche Art die Anzahl der Ca- tholiſchen im Lande immer mehr vergroͤßert. Da hingegen viele proteſtantiſche Pfaͤlzer auswaͤrts ihr Gluͤck ſuchen muͤßen, und alſo verhaͤltnißmaͤßig ab- genommen, wie jene zugenommen haben. Das alles unter mehreren Regierungen nach einander fortgefuͤhret, mußte freylich dem ganzen Lande eine voͤllig veraͤnderte Geſtalt geben, daß es gegen die vorigen Zeiten ſich nicht mehr gleich ſehen konnte. Ein trauriger Troſt mußte es fuͤr die Pfaͤlzi- ſchen Proteſtanten ſeyn, wenn ſie ſahen, daß eben der (e) Einige wenige Beyſpiele ausgenommen, ſind die Reformirten ſowohl von allen Hofaͤmtern und Gerichtsſtellen, als von Stadtdirectorien und Land- beamtenſtellen ausgeſchloſſen. Es erſtreckt ſich ſo gar bis auf Dorfſchulzen, Gerichtſchreiber und Pedellen, wozu man ſtatt alter erfahrner einheimi- ſcher Reformirten lieber auslaͤndiſche Maurerge- ſellen, Strohſchneider, Schaͤfer und Tageloͤhner beruͤft, wenn ſie nur catholiſch ſind. Ein refor- mirter Schulz, wenn gleich der ganze Ort oder der groͤßte Theil deſſelben reformirt waͤre, iſt in der Pfalz eine ſeltene Erſcheinung. So aͤußert ſich obige ſpecies facti vom Oct. 1784.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/356>, abgerufen am 25.11.2024.