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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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VIII. Folgend. Westph. Fr. 1648-1657.
Republiken, einer völligen Unabhängigkeit sich zu
erfreuen, sondern noch Kaiser und Reich als eine
höhere Gewalt über sich hätten. Allein in vori-
gen Zeiten war der Mangel der Unabhängigkeit
kein solches Hinderniß, weil man es nicht für wi-
dersprechend hielt, daß auch Könige noch den Kai-
ser, als den Herrn der Welt und das sichtbare
weltliche Haupt der ganzen Christenheit über sich
haben könnten; wie dann selbst unter den Chur-
fürsten einer ihres Mittels König in Böhmen war.
Zudem hatte schon der Kaiser Carl der IV. die
Churfürsten mit der Person des Kaisers für so genau
verbunden erkläret, daß, wer sich an einem Chur-
fürsten vergriffe, eben so wie gegen den Kaiser des
Verbrechens beleidigter Majestät schuldig erklärt
werden sollte. Insonderheit waren endlich bey
den Kaiserwahlen die Churfürsten in der That so
gut wie unabhängig, und indem sie da zugleich
von anderen Mächten beschickt wurden, hatten sie
immer Gelegenheit, ihren Gesandten auch in der
würklichen Praxi die völlige Gleichheit mit könig-
lichen Gesandten zu verschaffen.


X.

Damit aber alles das nicht etwa bloß bey den
Ehrenbezeugungen, die sie für ihre Gesandten be-
haupteten, stehen bliebe, fiengen nun die Churfür-
sten bald an, auch ihre Höfe auf den Fuß der
königlichen einzurichten. Hatte ein Churfürst vor-
her etwa einen Hofmarschall und etliche Cammer-
junker und Edelknaben gehalten; so wurden jetzt
Cammerherren und Obersthofämter, als ein Ober-
hofmarschall, Oberkämmerer, Oberstallmeister u. s. w.
eingeführt. Auch in Curialien und im Ceremo-
niel wurde alles höher gestimmt. Die Anrede:

Durch-

VIII. Folgend. Weſtph. Fr. 1648-1657.
Republiken, einer voͤlligen Unabhaͤngigkeit ſich zu
erfreuen, ſondern noch Kaiſer und Reich als eine
hoͤhere Gewalt uͤber ſich haͤtten. Allein in vori-
gen Zeiten war der Mangel der Unabhaͤngigkeit
kein ſolches Hinderniß, weil man es nicht fuͤr wi-
derſprechend hielt, daß auch Koͤnige noch den Kai-
ſer, als den Herrn der Welt und das ſichtbare
weltliche Haupt der ganzen Chriſtenheit uͤber ſich
haben koͤnnten; wie dann ſelbſt unter den Chur-
fuͤrſten einer ihres Mittels Koͤnig in Boͤhmen war.
Zudem hatte ſchon der Kaiſer Carl der IV. die
Churfuͤrſten mit der Perſon des Kaiſers fuͤr ſo genau
verbunden erklaͤret, daß, wer ſich an einem Chur-
fuͤrſten vergriffe, eben ſo wie gegen den Kaiſer des
Verbrechens beleidigter Majeſtaͤt ſchuldig erklaͤrt
werden ſollte. Inſonderheit waren endlich bey
den Kaiſerwahlen die Churfuͤrſten in der That ſo
gut wie unabhaͤngig, und indem ſie da zugleich
von anderen Maͤchten beſchickt wurden, hatten ſie
immer Gelegenheit, ihren Geſandten auch in der
wuͤrklichen Praxi die voͤllige Gleichheit mit koͤnig-
lichen Geſandten zu verſchaffen.


X.

Damit aber alles das nicht etwa bloß bey den
Ehrenbezeugungen, die ſie fuͤr ihre Geſandten be-
haupteten, ſtehen bliebe, fiengen nun die Churfuͤr-
ſten bald an, auch ihre Hoͤfe auf den Fuß der
koͤniglichen einzurichten. Hatte ein Churfuͤrſt vor-
her etwa einen Hofmarſchall und etliche Cammer-
junker und Edelknaben gehalten; ſo wurden jetzt
Cammerherren und Oberſthofaͤmter, als ein Ober-
hofmarſchall, Oberkaͤmmerer, Oberſtallmeiſter u. ſ. w.
eingefuͤhrt. Auch in Curialien und im Ceremo-
niel wurde alles hoͤher geſtimmt. Die Anrede:

Durch-
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[190/0232] VIII. Folgend. Weſtph. Fr. 1648-1657. Republiken, einer voͤlligen Unabhaͤngigkeit ſich zu erfreuen, ſondern noch Kaiſer und Reich als eine hoͤhere Gewalt uͤber ſich haͤtten. Allein in vori- gen Zeiten war der Mangel der Unabhaͤngigkeit kein ſolches Hinderniß, weil man es nicht fuͤr wi- derſprechend hielt, daß auch Koͤnige noch den Kai- ſer, als den Herrn der Welt und das ſichtbare weltliche Haupt der ganzen Chriſtenheit uͤber ſich haben koͤnnten; wie dann ſelbſt unter den Chur- fuͤrſten einer ihres Mittels Koͤnig in Boͤhmen war. Zudem hatte ſchon der Kaiſer Carl der IV. die Churfuͤrſten mit der Perſon des Kaiſers fuͤr ſo genau verbunden erklaͤret, daß, wer ſich an einem Chur- fuͤrſten vergriffe, eben ſo wie gegen den Kaiſer des Verbrechens beleidigter Majeſtaͤt ſchuldig erklaͤrt werden ſollte. Inſonderheit waren endlich bey den Kaiſerwahlen die Churfuͤrſten in der That ſo gut wie unabhaͤngig, und indem ſie da zugleich von anderen Maͤchten beſchickt wurden, hatten ſie immer Gelegenheit, ihren Geſandten auch in der wuͤrklichen Praxi die voͤllige Gleichheit mit koͤnig- lichen Geſandten zu verſchaffen. Damit aber alles das nicht etwa bloß bey den Ehrenbezeugungen, die ſie fuͤr ihre Geſandten be- haupteten, ſtehen bliebe, fiengen nun die Churfuͤr- ſten bald an, auch ihre Hoͤfe auf den Fuß der koͤniglichen einzurichten. Hatte ein Churfuͤrſt vor- her etwa einen Hofmarſchall und etliche Cammer- junker und Edelknaben gehalten; ſo wurden jetzt Cammerherren und Oberſthofaͤmter, als ein Ober- hofmarſchall, Oberkaͤmmerer, Oberſtallmeiſter u. ſ. w. eingefuͤhrt. Auch in Curialien und im Ceremo- niel wurde alles hoͤher geſtimmt. Die Anrede: Durch-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/232>, abgerufen am 22.11.2024.