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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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1) Verfass. des T. Reichs überh.
geistlicher und weltlicher Churfürst oder Fürst, Graf
und Prälat, war in der That schon lange wahrer
Regent in seinem Lande. Jede Reichsstadt machte
einen eignen kleinen Freystaat aus. Selbst Städ-
te, die nicht Reichsstädte waren, hatten sich großen-
theils beynahe auf eben den Fuß gesetzt. Jeder
Reichsritter beherrschte den Bezirk, der zu seinem
Rittergute gehörte, wie sein eignes Gebiet. So
gar gab es Dörfer, die sich als kleine Freystaa-
ten ansahen. Also war Teutschland schon lange
in so vielerley besondere Staaten vertheilt, als
es Churfürstenthümer, Fürstenthümer, Grafschaf-
ten, Reichsprälaturen, Reichsstädte, Reichsritter
und Reichsdörfer gab. Nur in so weit, als alle
diese besondere Staaten das Band, das sie ur-
sprünglich noch als Mitglieder eines Reichs zu-
sammen hielt, nicht ganz zerrissen, sondern noch
in gegenseitiger beständiger Verbindung, und un-
ter einerley Reichsgrundgesetzen einem gemeinsa-
men höchsten Oberhaupte unterworfen blieben, --
nur in so weit konnte man sagen, daß Teutsch-
land im Ganzen doch noch immer Einen Staat
ausmache, noch immer Ein Reich sey.

So lange es in Frankreich noch Herzoge vonIII.
Burgund und Bretagne gab, sah man selbst in
Frankreich noch Ueberbleibsel einer ähnlichen Ver-
fassung, die in vorigen Zeiten mit der Teutschen
beynahe völlig gleichförmig gewesen war. Aber
bald zeigte sich der große Unterschied, worin
beide Reiche, das Teutsche und Französische, in
ihrer innerlichen Verfassung von einander abgien-
gen, in zwey Hauptstücken; einmal darin, daß
der König in Frankreich bey allem Anwachse der

Fran-

1) Verfaſſ. des T. Reichs uͤberh.
geiſtlicher und weltlicher Churfuͤrſt oder Fuͤrſt, Graf
und Praͤlat, war in der That ſchon lange wahrer
Regent in ſeinem Lande. Jede Reichsſtadt machte
einen eignen kleinen Freyſtaat aus. Selbſt Staͤd-
te, die nicht Reichsſtaͤdte waren, hatten ſich großen-
theils beynahe auf eben den Fuß geſetzt. Jeder
Reichsritter beherrſchte den Bezirk, der zu ſeinem
Rittergute gehoͤrte, wie ſein eignes Gebiet. So
gar gab es Doͤrfer, die ſich als kleine Freyſtaa-
ten anſahen. Alſo war Teutſchland ſchon lange
in ſo vielerley beſondere Staaten vertheilt, als
es Churfuͤrſtenthuͤmer, Fuͤrſtenthuͤmer, Grafſchaf-
ten, Reichspraͤlaturen, Reichsſtaͤdte, Reichsritter
und Reichsdoͤrfer gab. Nur in ſo weit, als alle
dieſe beſondere Staaten das Band, das ſie ur-
ſpruͤnglich noch als Mitglieder eines Reichs zu-
ſammen hielt, nicht ganz zerriſſen, ſondern noch
in gegenſeitiger beſtaͤndiger Verbindung, und un-
ter einerley Reichsgrundgeſetzen einem gemeinſa-
men hoͤchſten Oberhaupte unterworfen blieben, —
nur in ſo weit konnte man ſagen, daß Teutſch-
land im Ganzen doch noch immer Einen Staat
ausmache, noch immer Ein Reich ſey.

So lange es in Frankreich noch Herzoge vonIII.
Burgund und Bretagne gab, ſah man ſelbſt in
Frankreich noch Ueberbleibſel einer aͤhnlichen Ver-
faſſung, die in vorigen Zeiten mit der Teutſchen
beynahe voͤllig gleichfoͤrmig geweſen war. Aber
bald zeigte ſich der große Unterſchied, worin
beide Reiche, das Teutſche und Franzoͤſiſche, in
ihrer innerlichen Verfaſſung von einander abgien-
gen, in zwey Hauptſtuͤcken; einmal darin, daß
der Koͤnig in Frankreich bey allem Anwachſe der

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[157/0199] 1) Verfaſſ. des T. Reichs uͤberh. geiſtlicher und weltlicher Churfuͤrſt oder Fuͤrſt, Graf und Praͤlat, war in der That ſchon lange wahrer Regent in ſeinem Lande. Jede Reichsſtadt machte einen eignen kleinen Freyſtaat aus. Selbſt Staͤd- te, die nicht Reichsſtaͤdte waren, hatten ſich großen- theils beynahe auf eben den Fuß geſetzt. Jeder Reichsritter beherrſchte den Bezirk, der zu ſeinem Rittergute gehoͤrte, wie ſein eignes Gebiet. So gar gab es Doͤrfer, die ſich als kleine Freyſtaa- ten anſahen. Alſo war Teutſchland ſchon lange in ſo vielerley beſondere Staaten vertheilt, als es Churfuͤrſtenthuͤmer, Fuͤrſtenthuͤmer, Grafſchaf- ten, Reichspraͤlaturen, Reichsſtaͤdte, Reichsritter und Reichsdoͤrfer gab. Nur in ſo weit, als alle dieſe beſondere Staaten das Band, das ſie ur- ſpruͤnglich noch als Mitglieder eines Reichs zu- ſammen hielt, nicht ganz zerriſſen, ſondern noch in gegenſeitiger beſtaͤndiger Verbindung, und un- ter einerley Reichsgrundgeſetzen einem gemeinſa- men hoͤchſten Oberhaupte unterworfen blieben, — nur in ſo weit konnte man ſagen, daß Teutſch- land im Ganzen doch noch immer Einen Staat ausmache, noch immer Ein Reich ſey. So lange es in Frankreich noch Herzoge von Burgund und Bretagne gab, ſah man ſelbſt in Frankreich noch Ueberbleibſel einer aͤhnlichen Ver- faſſung, die in vorigen Zeiten mit der Teutſchen beynahe voͤllig gleichfoͤrmig geweſen war. Aber bald zeigte ſich der große Unterſchied, worin beide Reiche, das Teutſche und Franzoͤſiſche, in ihrer innerlichen Verfaſſung von einander abgien- gen, in zwey Hauptſtuͤcken; einmal darin, daß der Koͤnig in Frankreich bey allem Anwachſe der Fran- III.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/199>, abgerufen am 22.11.2024.