Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

8) Reichsgerichte überhaupt.
vielmehr ganz in die Sache hineingehen zu wollen,
indem sie sich erklärten, der Kaiser würde sich nicht
abgeneigt bezeigen, "in größeren Sachen und sol-
chen, wovon Unruhen im Reiche zu besorgen seyn
möchten, auch einiger Churfürsten und Fürsten bei-
der Religionen Gutachten zu vernehmen." Allein
da es darauf angekommen wäre, das dem Kaiser
zur Pflicht zu machen, daß er ein solches Gut-
achten zu begehren und zu befolgen verbunden
seyn solle; so wurde im Frieden selbst nur gesetzt:
es solle ihm frey gestellt bleiben. In diesem ein-
zigen Worte lag also in der That das Grab des
uralten Herkommens des ehemaligen Fürstenrechts.
Alles, was mit dessen Zuziehung ehedem gesche-
hen war, konnte nunmehr bloß mit Zuziehung des
Reichshofraths geschehen.

Unter andern hat das auf eine der wichtigstenXI.
Stellen in der Cammergerichtsordnung einen be-
merkenswürdigen Einfluß gehabt. Zu der Zeit,
als man im Jahre 1521. dem Kaiser Carl dem V.
ein Reichsregiment an die Seite setzte, um allen-
falls in seiner Abwesenheit die Reichsgeschäffte in
ihrem Fortgange zu erhalten, und an seiner Stelle
zu besorgen, behielt sich doch der Kaiser vor, daß,
wenn Sachen vorfielen, die ganze Fürstenthü-
mer
beträfen, solche nicht vom Reichsregimente,
sondern von ihm persönlich vorgenommen werden
sollten. So floß damals in der Regimentsordnung
1521. folgende Stelle ein: "Ob auch Sachen vor-
fielen, Fürstenthümer, Herzogthümer, Grafschaf-
ten etc. belangend, so vom Reiche (ohne Mittel)
zu Lehn rühren, so einem Theile gänzlich und end-
lich abgesprochen werden sollen; derselbigen Er-

kennt-

8) Reichsgerichte uͤberhaupt.
vielmehr ganz in die Sache hineingehen zu wollen,
indem ſie ſich erklaͤrten, der Kaiſer wuͤrde ſich nicht
abgeneigt bezeigen, ”in groͤßeren Sachen und ſol-
chen, wovon Unruhen im Reiche zu beſorgen ſeyn
moͤchten, auch einiger Churfuͤrſten und Fuͤrſten bei-
der Religionen Gutachten zu vernehmen.” Allein
da es darauf angekommen waͤre, das dem Kaiſer
zur Pflicht zu machen, daß er ein ſolches Gut-
achten zu begehren und zu befolgen verbunden
ſeyn ſolle; ſo wurde im Frieden ſelbſt nur geſetzt:
es ſolle ihm frey geſtellt bleiben. In dieſem ein-
zigen Worte lag alſo in der That das Grab des
uralten Herkommens des ehemaligen Fuͤrſtenrechts.
Alles, was mit deſſen Zuziehung ehedem geſche-
hen war, konnte nunmehr bloß mit Zuziehung des
Reichshofraths geſchehen.

Unter andern hat das auf eine der wichtigſtenXI.
Stellen in der Cammergerichtsordnung einen be-
merkenswuͤrdigen Einfluß gehabt. Zu der Zeit,
als man im Jahre 1521. dem Kaiſer Carl dem V.
ein Reichsregiment an die Seite ſetzte, um allen-
falls in ſeiner Abweſenheit die Reichsgeſchaͤffte in
ihrem Fortgange zu erhalten, und an ſeiner Stelle
zu beſorgen, behielt ſich doch der Kaiſer vor, daß,
wenn Sachen vorfielen, die ganze Fuͤrſtenthuͤ-
mer
betraͤfen, ſolche nicht vom Reichsregimente,
ſondern von ihm perſoͤnlich vorgenommen werden
ſollten. So floß damals in der Regimentsordnung
1521. folgende Stelle ein: ”Ob auch Sachen vor-
fielen, Fuͤrſtenthuͤmer, Herzogthuͤmer, Grafſchaf-
ten ꝛc. belangend, ſo vom Reiche (ohne Mittel)
zu Lehn ruͤhren, ſo einem Theile gaͤnzlich und end-
lich abgeſprochen werden ſollen; derſelbigen Er-

kennt-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0153" n="111"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">8) Reichsgerichte u&#x0364;berhaupt.</hi></fw><lb/>
vielmehr ganz in die Sache hineingehen zu wollen,<lb/>
indem &#x017F;ie &#x017F;ich erkla&#x0364;rten, der Kai&#x017F;er wu&#x0364;rde &#x017F;ich nicht<lb/>
abgeneigt bezeigen, &#x201D;in gro&#x0364;ßeren Sachen und &#x017F;ol-<lb/>
chen, wovon Unruhen im Reiche zu be&#x017F;orgen &#x017F;eyn<lb/>
mo&#x0364;chten, auch einiger Churfu&#x0364;r&#x017F;ten und Fu&#x0364;r&#x017F;ten bei-<lb/>
der Religionen Gutachten zu vernehmen.&#x201D; Allein<lb/>
da es darauf angekommen wa&#x0364;re, das dem Kai&#x017F;er<lb/>
zur Pflicht zu machen, daß er ein &#x017F;olches Gut-<lb/>
achten zu begehren und zu befolgen verbunden<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;olle; &#x017F;o wurde im Frieden &#x017F;elb&#x017F;t nur ge&#x017F;etzt:<lb/>
es &#x017F;olle ihm <hi rendition="#fr">frey</hi> ge&#x017F;tellt bleiben. In die&#x017F;em ein-<lb/>
zigen Worte lag al&#x017F;o in der That das Grab des<lb/>
uralten Herkommens des ehemaligen Fu&#x0364;r&#x017F;tenrechts.<lb/>
Alles, was mit de&#x017F;&#x017F;en Zuziehung ehedem ge&#x017F;che-<lb/>
hen war, konnte nunmehr bloß mit Zuziehung des<lb/>
Reichshofraths ge&#x017F;chehen.</p><lb/>
          <p>Unter andern hat das auf eine der wichtig&#x017F;ten<note place="right"><hi rendition="#aq">XI.</hi></note><lb/>
Stellen in der Cammergerichtsordnung einen be-<lb/>
merkenswu&#x0364;rdigen Einfluß gehabt. Zu der Zeit,<lb/>
als man im Jahre 1521. dem Kai&#x017F;er Carl dem <hi rendition="#aq">V.</hi><lb/>
ein Reichsregiment an die Seite &#x017F;etzte, um allen-<lb/>
falls in &#x017F;einer Abwe&#x017F;enheit die Reichsge&#x017F;cha&#x0364;ffte in<lb/>
ihrem Fortgange zu erhalten, und an &#x017F;einer Stelle<lb/>
zu be&#x017F;orgen, behielt &#x017F;ich doch der Kai&#x017F;er vor, daß,<lb/>
wenn Sachen vorfielen, die <hi rendition="#fr">ganze Fu&#x0364;r&#x017F;tenthu&#x0364;-<lb/>
mer</hi> betra&#x0364;fen, &#x017F;olche nicht vom Reichsregimente,<lb/>
&#x017F;ondern von ihm per&#x017F;o&#x0364;nlich vorgenommen werden<lb/>
&#x017F;ollten. So floß damals in der Regimentsordnung<lb/>
1521. folgende Stelle ein: &#x201D;Ob auch Sachen vor-<lb/>
fielen, Fu&#x0364;r&#x017F;tenthu&#x0364;mer, Herzogthu&#x0364;mer, Graf&#x017F;chaf-<lb/>
ten &#xA75B;c. belangend, &#x017F;o vom Reiche (ohne Mittel)<lb/>
zu Lehn ru&#x0364;hren, &#x017F;o einem Theile ga&#x0364;nzlich und end-<lb/>
lich abge&#x017F;prochen werden &#x017F;ollen; der&#x017F;elbigen Er-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kennt-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0153] 8) Reichsgerichte uͤberhaupt. vielmehr ganz in die Sache hineingehen zu wollen, indem ſie ſich erklaͤrten, der Kaiſer wuͤrde ſich nicht abgeneigt bezeigen, ”in groͤßeren Sachen und ſol- chen, wovon Unruhen im Reiche zu beſorgen ſeyn moͤchten, auch einiger Churfuͤrſten und Fuͤrſten bei- der Religionen Gutachten zu vernehmen.” Allein da es darauf angekommen waͤre, das dem Kaiſer zur Pflicht zu machen, daß er ein ſolches Gut- achten zu begehren und zu befolgen verbunden ſeyn ſolle; ſo wurde im Frieden ſelbſt nur geſetzt: es ſolle ihm frey geſtellt bleiben. In dieſem ein- zigen Worte lag alſo in der That das Grab des uralten Herkommens des ehemaligen Fuͤrſtenrechts. Alles, was mit deſſen Zuziehung ehedem geſche- hen war, konnte nunmehr bloß mit Zuziehung des Reichshofraths geſchehen. Unter andern hat das auf eine der wichtigſten Stellen in der Cammergerichtsordnung einen be- merkenswuͤrdigen Einfluß gehabt. Zu der Zeit, als man im Jahre 1521. dem Kaiſer Carl dem V. ein Reichsregiment an die Seite ſetzte, um allen- falls in ſeiner Abweſenheit die Reichsgeſchaͤffte in ihrem Fortgange zu erhalten, und an ſeiner Stelle zu beſorgen, behielt ſich doch der Kaiſer vor, daß, wenn Sachen vorfielen, die ganze Fuͤrſtenthuͤ- mer betraͤfen, ſolche nicht vom Reichsregimente, ſondern von ihm perſoͤnlich vorgenommen werden ſollten. So floß damals in der Regimentsordnung 1521. folgende Stelle ein: ”Ob auch Sachen vor- fielen, Fuͤrſtenthuͤmer, Herzogthuͤmer, Grafſchaf- ten ꝛc. belangend, ſo vom Reiche (ohne Mittel) zu Lehn ruͤhren, ſo einem Theile gaͤnzlich und end- lich abgeſprochen werden ſollen; derſelbigen Er- kennt- XI.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/153
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/153>, abgerufen am 25.11.2024.