wurden jetzt nach und nach alle Umstände für den Römischen Bischof desto günstiger, um immer höhere Vorzüge über alle andere Bischöfe in den westlichen Reichen zu erlangen.
XVI.
Unter andern geschah es häufig, daß der Rö- mische Bischof von Bischöfen aus Frankreich, Eng- land und anderen westlichen Ländern um seine Be- lehrung, oder gar in streitigen Fällen um seinen Ausspruch gebeten wurde. Solche Belehrungen und Aussprüche fieng man bald an zu sammlen, und ähnlichen Sammlungen der Kirchenschlüsse bey- zufügen. Deren Inhalt ward aber nun schon den Vorschriften der Bibel an die Seite gesetzt. Folg- lich war nun wohl zu erwarten, daß die Christ- liche Religion, wie sie in unseren Gegenden gelei- tet wurde, von ihrer ursprünglichen Lauterkeit sich noch immer weiter entfernen würde. Wenigstens hatte der geistliche Stand, wenn zu seinem Vor- theile sich noch etwas neues einführen ließ, es jetzt ziemlich in seiner Gewalt, durch neue Satzun- gen die Zahl der Glaubens- und Lebens-Vorschrif- ten nach Gutfinden von Zeit zu Zeit zu vermehren.
XVII.
Doch, nun erst wieder auf Carl Martell zurück- zukommen, wird vorerst jetzt begreiflicher werden, wie in seiner Lage es Staatsklugheit war, sowohl mit der Geistlichkeit überhaupt, als insonderheit mit dem Römischen Bischofe ein gutes Vernehmen zu unterhalten. Er hatte also gute Ursache, einen Bonifaz in seinen neuen Kirchenanlagen desto eifri- ger zu unterstützen, je mehr dadurch der vereinigte Name eines Helden und eines Beförderers der Re- ligion das Volk seinen bisherigen königlichen Stamm
ver-
I. Alte Zeiten bis 888.
wurden jetzt nach und nach alle Umſtaͤnde fuͤr den Roͤmiſchen Biſchof deſto guͤnſtiger, um immer hoͤhere Vorzuͤge uͤber alle andere Biſchoͤfe in den weſtlichen Reichen zu erlangen.
XVI.
Unter andern geſchah es haͤufig, daß der Roͤ- miſche Biſchof von Biſchoͤfen aus Frankreich, Eng- land und anderen weſtlichen Laͤndern um ſeine Be- lehrung, oder gar in ſtreitigen Faͤllen um ſeinen Ausſpruch gebeten wurde. Solche Belehrungen und Ausſpruͤche fieng man bald an zu ſammlen, und aͤhnlichen Sammlungen der Kirchenſchluͤſſe bey- zufuͤgen. Deren Inhalt ward aber nun ſchon den Vorſchriften der Bibel an die Seite geſetzt. Folg- lich war nun wohl zu erwarten, daß die Chriſt- liche Religion, wie ſie in unſeren Gegenden gelei- tet wurde, von ihrer urſpruͤnglichen Lauterkeit ſich noch immer weiter entfernen wuͤrde. Wenigſtens hatte der geiſtliche Stand, wenn zu ſeinem Vor- theile ſich noch etwas neues einfuͤhren ließ, es jetzt ziemlich in ſeiner Gewalt, durch neue Satzun- gen die Zahl der Glaubens- und Lebens-Vorſchrif- ten nach Gutfinden von Zeit zu Zeit zu vermehren.
XVII.
Doch, nun erſt wieder auf Carl Martell zuruͤck- zukommen, wird vorerſt jetzt begreiflicher werden, wie in ſeiner Lage es Staatsklugheit war, ſowohl mit der Geiſtlichkeit uͤberhaupt, als inſonderheit mit dem Roͤmiſchen Biſchofe ein gutes Vernehmen zu unterhalten. Er hatte alſo gute Urſache, einen Bonifaz in ſeinen neuen Kirchenanlagen deſto eifri- ger zu unterſtuͤtzen, je mehr dadurch der vereinigte Name eines Helden und eines Befoͤrderers der Re- ligion das Volk ſeinen bisherigen koͤniglichen Stamm
ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0082"n="48"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Alte Zeiten bis 888.</hi></fw><lb/>
wurden jetzt nach und nach alle Umſtaͤnde fuͤr den<lb/>
Roͤmiſchen Biſchof deſto guͤnſtiger, um immer<lb/>
hoͤhere Vorzuͤge uͤber alle andere Biſchoͤfe in den<lb/>
weſtlichen Reichen zu erlangen.</p><lb/><noteplace="left"><hirendition="#aq">XVI.</hi></note><p>Unter andern geſchah es haͤufig, daß der Roͤ-<lb/>
miſche Biſchof von Biſchoͤfen aus Frankreich, Eng-<lb/>
land und anderen weſtlichen Laͤndern um ſeine Be-<lb/>
lehrung, oder gar in ſtreitigen Faͤllen um ſeinen<lb/>
Ausſpruch gebeten wurde. Solche Belehrungen<lb/>
und Ausſpruͤche fieng man bald an zu ſammlen,<lb/>
und aͤhnlichen Sammlungen der Kirchenſchluͤſſe bey-<lb/>
zufuͤgen. Deren Inhalt ward aber nun ſchon den<lb/>
Vorſchriften der Bibel an die Seite geſetzt. Folg-<lb/>
lich war nun wohl zu erwarten, daß die Chriſt-<lb/>
liche Religion, wie ſie in unſeren Gegenden gelei-<lb/>
tet wurde, von ihrer urſpruͤnglichen Lauterkeit ſich<lb/>
noch immer weiter entfernen wuͤrde. Wenigſtens<lb/>
hatte der geiſtliche Stand, wenn zu ſeinem Vor-<lb/>
theile ſich noch etwas neues einfuͤhren ließ, es<lb/>
jetzt ziemlich in ſeiner Gewalt, durch neue Satzun-<lb/>
gen die Zahl der Glaubens- und Lebens-Vorſchrif-<lb/>
ten nach Gutfinden von Zeit zu Zeit zu vermehren.</p><lb/><noteplace="left"><hirendition="#aq">XVII.</hi></note><p>Doch, nun erſt wieder auf Carl Martell zuruͤck-<lb/>
zukommen, wird vorerſt jetzt begreiflicher werden,<lb/>
wie in ſeiner Lage es Staatsklugheit war, ſowohl<lb/>
mit der Geiſtlichkeit uͤberhaupt, als inſonderheit<lb/>
mit dem Roͤmiſchen Biſchofe ein gutes Vernehmen<lb/>
zu unterhalten. Er hatte alſo gute Urſache, einen<lb/>
Bonifaz in ſeinen neuen Kirchenanlagen deſto eifri-<lb/>
ger zu unterſtuͤtzen, je mehr dadurch der vereinigte<lb/>
Name eines Helden und eines Befoͤrderers der Re-<lb/>
ligion das Volk ſeinen bisherigen koͤniglichen Stamm<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ver-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[48/0082]
I. Alte Zeiten bis 888.
wurden jetzt nach und nach alle Umſtaͤnde fuͤr den
Roͤmiſchen Biſchof deſto guͤnſtiger, um immer
hoͤhere Vorzuͤge uͤber alle andere Biſchoͤfe in den
weſtlichen Reichen zu erlangen.
Unter andern geſchah es haͤufig, daß der Roͤ-
miſche Biſchof von Biſchoͤfen aus Frankreich, Eng-
land und anderen weſtlichen Laͤndern um ſeine Be-
lehrung, oder gar in ſtreitigen Faͤllen um ſeinen
Ausſpruch gebeten wurde. Solche Belehrungen
und Ausſpruͤche fieng man bald an zu ſammlen,
und aͤhnlichen Sammlungen der Kirchenſchluͤſſe bey-
zufuͤgen. Deren Inhalt ward aber nun ſchon den
Vorſchriften der Bibel an die Seite geſetzt. Folg-
lich war nun wohl zu erwarten, daß die Chriſt-
liche Religion, wie ſie in unſeren Gegenden gelei-
tet wurde, von ihrer urſpruͤnglichen Lauterkeit ſich
noch immer weiter entfernen wuͤrde. Wenigſtens
hatte der geiſtliche Stand, wenn zu ſeinem Vor-
theile ſich noch etwas neues einfuͤhren ließ, es
jetzt ziemlich in ſeiner Gewalt, durch neue Satzun-
gen die Zahl der Glaubens- und Lebens-Vorſchrif-
ten nach Gutfinden von Zeit zu Zeit zu vermehren.
Doch, nun erſt wieder auf Carl Martell zuruͤck-
zukommen, wird vorerſt jetzt begreiflicher werden,
wie in ſeiner Lage es Staatsklugheit war, ſowohl
mit der Geiſtlichkeit uͤberhaupt, als inſonderheit
mit dem Roͤmiſchen Biſchofe ein gutes Vernehmen
zu unterhalten. Er hatte alſo gute Urſache, einen
Bonifaz in ſeinen neuen Kirchenanlagen deſto eifri-
ger zu unterſtuͤtzen, je mehr dadurch der vereinigte
Name eines Helden und eines Befoͤrderers der Re-
ligion das Volk ſeinen bisherigen koͤniglichen Stamm
ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/82>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.