Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.

IX.

Doch kein Mittel von der Art war so ergiebig,
als dasjenige, wozu ein viertes Gelübde Anlaß
gab, wodurch sie sich anheischig machten, zu allen
Missionen in auswärtige Länder und andere Welt-
theile auf Befehl des Pabstes und zum Vortheile
der Römischen Kirche sich gebrauchen zu laßen,
ohne einen päbstlichen Geldbeytrag dazu zu ver-
langen. Nur die Erlaubniß hatte die Gesellschaft
sich ausbedungen, daß sie zu Unterhaltung ihrer
Missionarien bey entfernten Völkern, an deren Be-
kehrung sie arbeiteten, Waaren umsetzen dürften.
Das gab ihnen frühzeitig Gelegenheit in Ost- und
Westindien einen vortheilhaften Handel zu treiben,
den sie nach und nach so ausbreiteten, daß ihnen
dadurch eine Quelle zu unermeßlichen Reichthü-
mern geöffnet wurde. Mit dem Anfange des
XVII. Jahrhunderts bekamen sie den Zutritt zu
Paragay, einer fruchtbaren Provinz im mittägli-
chen Theile des festen Landes von America. Deren
Einwohner, die bisher kümmerlich von Jagd und
Fischerey lebten, lehrten sie zuerst Feldbau, Vieh-
zucht und die Vortheile des geselligen Lebens mit
den dazu nöthigen Künsten und Geschicklichkeiten.
Darüber bildete sich aber auch die Gesellschaft hier
einen eignen Staat, wo sie mehr als 100. tausend
Unterthanen beherrschte, und mit kluger Entfernung
von allen benachbarten Spaniern und Portugiesen
in solchen Stand setzte, daß selbst ein Kriegsheer,
das mit allem versehen und in Waffen geübt war,
ihr zu Gebot stand, wenn sich der Fall ereignen
sollte, eines gewaltsamen Schutzes hier zu bedürfen.


X.

Die innere Einrichtung der Gesellschaft war
übrigens so, daß niemand eher, als im 33. Jahre

sei-
V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.

IX.

Doch kein Mittel von der Art war ſo ergiebig,
als dasjenige, wozu ein viertes Geluͤbde Anlaß
gab, wodurch ſie ſich anheiſchig machten, zu allen
Miſſionen in auswaͤrtige Laͤnder und andere Welt-
theile auf Befehl des Pabſtes und zum Vortheile
der Roͤmiſchen Kirche ſich gebrauchen zu laßen,
ohne einen paͤbſtlichen Geldbeytrag dazu zu ver-
langen. Nur die Erlaubniß hatte die Geſellſchaft
ſich ausbedungen, daß ſie zu Unterhaltung ihrer
Miſſionarien bey entfernten Voͤlkern, an deren Be-
kehrung ſie arbeiteten, Waaren umſetzen duͤrften.
Das gab ihnen fruͤhzeitig Gelegenheit in Oſt- und
Weſtindien einen vortheilhaften Handel zu treiben,
den ſie nach und nach ſo ausbreiteten, daß ihnen
dadurch eine Quelle zu unermeßlichen Reichthuͤ-
mern geoͤffnet wurde. Mit dem Anfange des
XVII. Jahrhunderts bekamen ſie den Zutritt zu
Paragay, einer fruchtbaren Provinz im mittaͤgli-
chen Theile des feſten Landes von America. Deren
Einwohner, die bisher kuͤmmerlich von Jagd und
Fiſcherey lebten, lehrten ſie zuerſt Feldbau, Vieh-
zucht und die Vortheile des geſelligen Lebens mit
den dazu noͤthigen Kuͤnſten und Geſchicklichkeiten.
Daruͤber bildete ſich aber auch die Geſellſchaft hier
einen eignen Staat, wo ſie mehr als 100. tauſend
Unterthanen beherrſchte, und mit kluger Entfernung
von allen benachbarten Spaniern und Portugieſen
in ſolchen Stand ſetzte, daß ſelbſt ein Kriegsheer,
das mit allem verſehen und in Waffen geuͤbt war,
ihr zu Gebot ſtand, wenn ſich der Fall ereignen
ſollte, eines gewaltſamen Schutzes hier zu beduͤrfen.


X.

Die innere Einrichtung der Geſellſchaft war
uͤbrigens ſo, daß niemand eher, als im 33. Jahre

ſei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0476" n="442"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Neuere Zeit. Carl <hi rendition="#aq">V.</hi> 1519-1558.</hi> </fw><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">IX.</hi> </note>
          <p>Doch kein Mittel von der Art war &#x017F;o ergiebig,<lb/>
als dasjenige, wozu ein viertes Gelu&#x0364;bde Anlaß<lb/>
gab, wodurch &#x017F;ie &#x017F;ich anhei&#x017F;chig machten, zu allen<lb/><hi rendition="#fr">Mi&#x017F;&#x017F;ionen</hi> in auswa&#x0364;rtige La&#x0364;nder und andere Welt-<lb/>
theile auf Befehl des Pab&#x017F;tes und zum Vortheile<lb/>
der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kirche &#x017F;ich gebrauchen zu laßen,<lb/>
ohne einen pa&#x0364;b&#x017F;tlichen Geldbeytrag dazu zu ver-<lb/>
langen. Nur die Erlaubniß hatte die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
&#x017F;ich ausbedungen, daß &#x017F;ie zu Unterhaltung ihrer<lb/>
Mi&#x017F;&#x017F;ionarien bey entfernten Vo&#x0364;lkern, an deren Be-<lb/>
kehrung &#x017F;ie arbeiteten, Waaren um&#x017F;etzen du&#x0364;rften.<lb/>
Das gab ihnen fru&#x0364;hzeitig Gelegenheit in O&#x017F;t- und<lb/>
We&#x017F;tindien einen vortheilhaften Handel zu treiben,<lb/>
den &#x017F;ie nach und nach &#x017F;o ausbreiteten, daß ihnen<lb/>
dadurch eine Quelle zu unermeßlichen Reichthu&#x0364;-<lb/>
mern geo&#x0364;ffnet wurde. Mit dem Anfange des<lb/><hi rendition="#aq">XVII.</hi> Jahrhunderts bekamen &#x017F;ie den Zutritt zu<lb/><hi rendition="#fr">Paragay,</hi> einer fruchtbaren Provinz im mitta&#x0364;gli-<lb/>
chen Theile des fe&#x017F;ten Landes von America. Deren<lb/>
Einwohner, die bisher ku&#x0364;mmerlich von Jagd und<lb/>
Fi&#x017F;cherey lebten, lehrten &#x017F;ie zuer&#x017F;t Feldbau, Vieh-<lb/>
zucht und die Vortheile des ge&#x017F;elligen Lebens mit<lb/>
den dazu no&#x0364;thigen Ku&#x0364;n&#x017F;ten und Ge&#x017F;chicklichkeiten.<lb/>
Daru&#x0364;ber bildete &#x017F;ich aber auch die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft hier<lb/>
einen eignen Staat, wo &#x017F;ie mehr als 100. tau&#x017F;end<lb/>
Unterthanen beherr&#x017F;chte, und mit kluger Entfernung<lb/>
von allen benachbarten Spaniern und Portugie&#x017F;en<lb/>
in &#x017F;olchen Stand &#x017F;etzte, daß &#x017F;elb&#x017F;t ein Kriegsheer,<lb/>
das mit allem ver&#x017F;ehen und in Waffen geu&#x0364;bt war,<lb/>
ihr zu Gebot &#x017F;tand, wenn &#x017F;ich der Fall ereignen<lb/>
&#x017F;ollte, eines gewalt&#x017F;amen Schutzes hier zu bedu&#x0364;rfen.</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">X.</hi> </note>
          <p>Die <hi rendition="#fr">innere Einrichtung</hi> der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft war<lb/>
u&#x0364;brigens &#x017F;o, daß niemand eher, als im 33. Jahre<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[442/0476] V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. Doch kein Mittel von der Art war ſo ergiebig, als dasjenige, wozu ein viertes Geluͤbde Anlaß gab, wodurch ſie ſich anheiſchig machten, zu allen Miſſionen in auswaͤrtige Laͤnder und andere Welt- theile auf Befehl des Pabſtes und zum Vortheile der Roͤmiſchen Kirche ſich gebrauchen zu laßen, ohne einen paͤbſtlichen Geldbeytrag dazu zu ver- langen. Nur die Erlaubniß hatte die Geſellſchaft ſich ausbedungen, daß ſie zu Unterhaltung ihrer Miſſionarien bey entfernten Voͤlkern, an deren Be- kehrung ſie arbeiteten, Waaren umſetzen duͤrften. Das gab ihnen fruͤhzeitig Gelegenheit in Oſt- und Weſtindien einen vortheilhaften Handel zu treiben, den ſie nach und nach ſo ausbreiteten, daß ihnen dadurch eine Quelle zu unermeßlichen Reichthuͤ- mern geoͤffnet wurde. Mit dem Anfange des XVII. Jahrhunderts bekamen ſie den Zutritt zu Paragay, einer fruchtbaren Provinz im mittaͤgli- chen Theile des feſten Landes von America. Deren Einwohner, die bisher kuͤmmerlich von Jagd und Fiſcherey lebten, lehrten ſie zuerſt Feldbau, Vieh- zucht und die Vortheile des geſelligen Lebens mit den dazu noͤthigen Kuͤnſten und Geſchicklichkeiten. Daruͤber bildete ſich aber auch die Geſellſchaft hier einen eignen Staat, wo ſie mehr als 100. tauſend Unterthanen beherrſchte, und mit kluger Entfernung von allen benachbarten Spaniern und Portugieſen in ſolchen Stand ſetzte, daß ſelbſt ein Kriegsheer, das mit allem verſehen und in Waffen geuͤbt war, ihr zu Gebot ſtand, wenn ſich der Fall ereignen ſollte, eines gewaltſamen Schutzes hier zu beduͤrfen. Die innere Einrichtung der Geſellſchaft war uͤbrigens ſo, daß niemand eher, als im 33. Jahre ſei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/476
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/476>, abgerufen am 27.11.2024.