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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
verlangten. Ihre Lehrart war in ihrer Art neu;
zwar mehr handwerksmäßig und zum äußern
Schein, als mit ächtem Geschmack und zur wah-
ren Aufklärung zweckmäßig eingerichtet; aber doch
so, daß ihre Zöglinge scheinen und glauben konn-
ten etwas zu wissen. -- Was hätte für ein besse-
res Mittel erdacht werden können, um sich aller
Orten Eingang zu verschaffen, da für Eltern nichts
wichtiger seyn kann, als den Unterricht ihrer Kin-
der in guten Händen zu wissen? Wie weit ausse-
hend konnte auf der andern Seite der Umstand be-
nutzt werden, daß der Orden den Unterricht der
Jugend sowohl in höheren als niederen Schulen
bald überall beynahe ausschließlich sich zu eigen zu
machen wußte; daß er es dann in seiner Gewalt
hatte, überall gleichförmig zu Werke zu gehen;
wenn er wollte, Ziel und Maaß zu halten, wie
weit die Aufklärung sich erstrecken sollte; überall
gewisse Grundsätze, wie sie der Orden seinem Sy-
steme dienlich fand, einzuflößen; und Fähigkeit
und Neigungen künftiger Bürger und Staatsleute
kennen zu lernen, für sich aber in Zeiten die besten
Köpfe auszusuchen und zum Eintritt in ihre Ge-
sellschaft aufzumuntern? (b)


Ihr
(b) Eine Stelle in Mich. Ign. Schmidts
neuerer Geschichte der Teutschen B. 1. (Wien
1785. 8.) S. 313-315. verdient ihrer sehr treffen-
den Reflexionen wegen, daß ich sie ganz hieher
setze: "Was sollte -- einem Corps, das ganz
Thätigkeit, ganz von einem Geiste beseelt war,
das ganz zu einem Zwecke rastlos und mit verein-
ten Kräften hin arbeitete, und noch dazu bey sei-
ner Ergänzung jedes mal die Auswahl der besten
Köpfe vor sich hatte, unmöglich gewesen seyn!
Was hätte man nicht für Wissenschaften, und
alles,

V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
verlangten. Ihre Lehrart war in ihrer Art neu;
zwar mehr handwerksmaͤßig und zum aͤußern
Schein, als mit aͤchtem Geſchmack und zur wah-
ren Aufklaͤrung zweckmaͤßig eingerichtet; aber doch
ſo, daß ihre Zoͤglinge ſcheinen und glauben konn-
ten etwas zu wiſſen. — Was haͤtte fuͤr ein beſſe-
res Mittel erdacht werden koͤnnen, um ſich aller
Orten Eingang zu verſchaffen, da fuͤr Eltern nichts
wichtiger ſeyn kann, als den Unterricht ihrer Kin-
der in guten Haͤnden zu wiſſen? Wie weit ausſe-
hend konnte auf der andern Seite der Umſtand be-
nutzt werden, daß der Orden den Unterricht der
Jugend ſowohl in hoͤheren als niederen Schulen
bald uͤberall beynahe ausſchließlich ſich zu eigen zu
machen wußte; daß er es dann in ſeiner Gewalt
hatte, uͤberall gleichfoͤrmig zu Werke zu gehen;
wenn er wollte, Ziel und Maaß zu halten, wie
weit die Aufklaͤrung ſich erſtrecken ſollte; uͤberall
gewiſſe Grundſaͤtze, wie ſie der Orden ſeinem Sy-
ſteme dienlich fand, einzufloͤßen; und Faͤhigkeit
und Neigungen kuͤnftiger Buͤrger und Staatsleute
kennen zu lernen, fuͤr ſich aber in Zeiten die beſten
Koͤpfe auszuſuchen und zum Eintritt in ihre Ge-
ſellſchaft aufzumuntern? (b)


Ihr
(b) Eine Stelle in Mich. Ign. Schmidts
neuerer Geſchichte der Teutſchen B. 1. (Wien
1785. 8.) S. 313-315. verdient ihrer ſehr treffen-
den Reflexionen wegen, daß ich ſie ganz hieher
ſetze: ”Was ſollte — einem Corps, das ganz
Thaͤtigkeit, ganz von einem Geiſte beſeelt war,
das ganz zu einem Zwecke raſtlos und mit verein-
ten Kraͤften hin arbeitete, und noch dazu bey ſei-
ner Ergaͤnzung jedes mal die Auswahl der beſten
Koͤpfe vor ſich hatte, unmoͤglich geweſen ſeyn!
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alles,
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[436/0470] V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. verlangten. Ihre Lehrart war in ihrer Art neu; zwar mehr handwerksmaͤßig und zum aͤußern Schein, als mit aͤchtem Geſchmack und zur wah- ren Aufklaͤrung zweckmaͤßig eingerichtet; aber doch ſo, daß ihre Zoͤglinge ſcheinen und glauben konn- ten etwas zu wiſſen. — Was haͤtte fuͤr ein beſſe- res Mittel erdacht werden koͤnnen, um ſich aller Orten Eingang zu verſchaffen, da fuͤr Eltern nichts wichtiger ſeyn kann, als den Unterricht ihrer Kin- der in guten Haͤnden zu wiſſen? Wie weit ausſe- hend konnte auf der andern Seite der Umſtand be- nutzt werden, daß der Orden den Unterricht der Jugend ſowohl in hoͤheren als niederen Schulen bald uͤberall beynahe ausſchließlich ſich zu eigen zu machen wußte; daß er es dann in ſeiner Gewalt hatte, uͤberall gleichfoͤrmig zu Werke zu gehen; wenn er wollte, Ziel und Maaß zu halten, wie weit die Aufklaͤrung ſich erſtrecken ſollte; uͤberall gewiſſe Grundſaͤtze, wie ſie der Orden ſeinem Sy- ſteme dienlich fand, einzufloͤßen; und Faͤhigkeit und Neigungen kuͤnftiger Buͤrger und Staatsleute kennen zu lernen, fuͤr ſich aber in Zeiten die beſten Koͤpfe auszuſuchen und zum Eintritt in ihre Ge- ſellſchaft aufzumuntern? (b) Ihr (b) Eine Stelle in Mich. Ign. Schmidts neuerer Geſchichte der Teutſchen B. 1. (Wien 1785. 8.) S. 313-315. verdient ihrer ſehr treffen- den Reflexionen wegen, daß ich ſie ganz hieher ſetze: ”Was ſollte — einem Corps, das ganz Thaͤtigkeit, ganz von einem Geiſte beſeelt war, das ganz zu einem Zwecke raſtlos und mit verein- ten Kraͤften hin arbeitete, und noch dazu bey ſei- ner Ergaͤnzung jedes mal die Auswahl der beſten Koͤpfe vor ſich hatte, unmoͤglich geweſen ſeyn! Was haͤtte man nicht fuͤr Wiſſenſchaften, und alles,

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/470>, abgerufen am 24.11.2024.