herrn zu genießen? Oder sollte er etwa die bi- schöfliche Würde erst in die Hände des Pabstes zurückgeben, und demselben heimstellen, die An- setzung eines andern catholischen Bischofs zu ver- anstalten? War doch das Land selbst nicht mehr catholisch, war auch keine Dioeces mehr da, wo ein catholischer Bischof nöthig gewesen wäre; wo- zu sollte dann wieder ein catholischer Bischof an- gesetzt werden?
Auf der andern Seite war darum auch nochVIII. keine Folge, daß das Bisthum, das jetzt einen evangelischen Bischof hatte, nothwendig aufhören müßte, ein Bisthum zu seyn, oder daß es aus einem geistlichen in ein weltliches Fürstenthum ver- wandelt, mit einem Worte, secularisirt werden müßte. Nein, es konnte, wie bisher, ein geist- liches, ein Wahlfürstenthum bleiben. Es konnte seine Domherren, mit ihren Activ- und Passiv- Wahlstimmen behalten. Die damit verbundene ganze Verfassung konnte bleiben, wenn gleich Bi- schof und Domherren nun nicht mehr catholisch, sondern evangelisch waren.
Das alles war desto billiger, wenn es damitIX. nach den Grundsätzen einer völligen Freystellung ohne allen Zwang zugieng, und nunmehr evange- lischen adelichen oder höheren Standespersonen der Zutritt zu solchen bischöflichen oder domherrlichen Würden und Einkünften, die auch von Stiftun- gen ihrer Vorfahren herrührten, eben so gut, wie catholischen, zugestanden wurde. Wenn auch nicht ganz Teutschland darüber einig war, was konnte gleichwohl z. B. Baiern dabey zu erinnern haben,
wenn
8) Relig. Fr. 1555. c) Kloͤſter ꝛc.
herrn zu genießen? Oder ſollte er etwa die bi- ſchoͤfliche Wuͤrde erſt in die Haͤnde des Pabſtes zuruͤckgeben, und demſelben heimſtellen, die An- ſetzung eines andern catholiſchen Biſchofs zu ver- anſtalten? War doch das Land ſelbſt nicht mehr catholiſch, war auch keine Dioeces mehr da, wo ein catholiſcher Biſchof noͤthig geweſen waͤre; wo- zu ſollte dann wieder ein catholiſcher Biſchof an- geſetzt werden?
Auf der andern Seite war darum auch nochVIII. keine Folge, daß das Biſthum, das jetzt einen evangeliſchen Biſchof hatte, nothwendig aufhoͤren muͤßte, ein Biſthum zu ſeyn, oder daß es aus einem geiſtlichen in ein weltliches Fuͤrſtenthum ver- wandelt, mit einem Worte, ſeculariſirt werden muͤßte. Nein, es konnte, wie bisher, ein geiſt- liches, ein Wahlfuͤrſtenthum bleiben. Es konnte ſeine Domherren, mit ihren Activ- und Paſſiv- Wahlſtimmen behalten. Die damit verbundene ganze Verfaſſung konnte bleiben, wenn gleich Bi- ſchof und Domherren nun nicht mehr catholiſch, ſondern evangeliſch waren.
Das alles war deſto billiger, wenn es damitIX. nach den Grundſaͤtzen einer voͤlligen Freyſtellung ohne allen Zwang zugieng, und nunmehr evange- liſchen adelichen oder hoͤheren Standesperſonen der Zutritt zu ſolchen biſchoͤflichen oder domherrlichen Wuͤrden und Einkuͤnften, die auch von Stiftun- gen ihrer Vorfahren herruͤhrten, eben ſo gut, wie catholiſchen, zugeſtanden wurde. Wenn auch nicht ganz Teutſchland daruͤber einig war, was konnte gleichwohl z. B. Baiern dabey zu erinnern haben,
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8) Relig. Fr. 1555. c) Kloͤſter ꝛc.
herrn zu genießen? Oder ſollte er etwa die bi-
ſchoͤfliche Wuͤrde erſt in die Haͤnde des Pabſtes
zuruͤckgeben, und demſelben heimſtellen, die An-
ſetzung eines andern catholiſchen Biſchofs zu ver-
anſtalten? War doch das Land ſelbſt nicht mehr
catholiſch, war auch keine Dioeces mehr da, wo
ein catholiſcher Biſchof noͤthig geweſen waͤre; wo-
zu ſollte dann wieder ein catholiſcher Biſchof an-
geſetzt werden?
Auf der andern Seite war darum auch noch
keine Folge, daß das Biſthum, das jetzt einen
evangeliſchen Biſchof hatte, nothwendig aufhoͤren
muͤßte, ein Biſthum zu ſeyn, oder daß es aus
einem geiſtlichen in ein weltliches Fuͤrſtenthum ver-
wandelt, mit einem Worte, ſeculariſirt werden
muͤßte. Nein, es konnte, wie bisher, ein geiſt-
liches, ein Wahlfuͤrſtenthum bleiben. Es konnte
ſeine Domherren, mit ihren Activ- und Paſſiv-
Wahlſtimmen behalten. Die damit verbundene
ganze Verfaſſung konnte bleiben, wenn gleich Bi-
ſchof und Domherren nun nicht mehr catholiſch,
ſondern evangeliſch waren.
VIII.
Das alles war deſto billiger, wenn es damit
nach den Grundſaͤtzen einer voͤlligen Freyſtellung
ohne allen Zwang zugieng, und nunmehr evange-
liſchen adelichen oder hoͤheren Standesperſonen der
Zutritt zu ſolchen biſchoͤflichen oder domherrlichen
Wuͤrden und Einkuͤnften, die auch von Stiftun-
gen ihrer Vorfahren herruͤhrten, eben ſo gut, wie
catholiſchen, zugeſtanden wurde. Wenn auch nicht
ganz Teutſchland daruͤber einig war, was konnte
gleichwohl z. B. Baiern dabey zu erinnern haben,
wenn
IX.
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/461>, abgerufen am 23.07.2024.
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