unmittelbaren Stiftern gehalten werden sollte, wenn ein Bischof oder Erzbischof oder anderer Prä- lat, oder auch nur ein Domherr sich zur Augsbur- gischen Confession bekännte? Auch hier bestand der evangelische Religionstheil darauf, daß eine allgemeine Gewissensfreyheit statt finden, und also einem jeden frey gestellt werden müßte, ob er bey der catholischen Religion bleiben, oder zur evan- gelischen hinübergehen wolle.
Freylich wenn man bloß auf die bischöflicheVI. Würde, als ein Kirchenamt, sehen wollte, so schien es dem ersten Anblick nach eben so unthunlich, daß ein catholischer Bischof, wenn er evangelisch würde, seine Stelle behalten könnte, als ein evan- gelischer Pastor, wenn er catholisch würde, bey sei- ner Pfarre bleiben könnte. In so weit hatte es allerdings seine gute Richtigkeit, daß ein Protestant kein catholischer der päbstlichen Hierarchie unter- worfener Bischof seyn konnte. Allein wie unsere Teutsche Bisthümer und Erzbisthümer nun einmal beschaffen waren, da ihre Besitzer zugleich als Teutsche Reichsfürsten Land und Leute zu regieren hatten, so war vors erste in der doppelten Eigen- schaft, die ein jeder Bischof eines Theils als Bi- schof, aber andern Theils zugleich als Teutscher Reichsfürst und Landesherr in seiner Person mit einander verband, unstreitig das Verhältniß so ungleich, daß, wenn man die Sache aufrichtig nehmen will, wie sie ist, die bischöfliche Würde in Teutschland in der fürstlichen und landesherr- lichen Würde sich beynahe gänzlich verliehrt. Nicht jene, sondern diese ist es, die unsern hohen und niedern Adel reizt, sich darum zu bewerben. Selbst
die
D d 5
8) Relig. Fr. 1555. c) Kloͤſter ꝛc.
unmittelbaren Stiftern gehalten werden ſollte, wenn ein Biſchof oder Erzbiſchof oder anderer Praͤ- lat, oder auch nur ein Domherr ſich zur Augsbur- giſchen Confeſſion bekaͤnnte? Auch hier beſtand der evangeliſche Religionstheil darauf, daß eine allgemeine Gewiſſensfreyheit ſtatt finden, und alſo einem jeden frey geſtellt werden muͤßte, ob er bey der catholiſchen Religion bleiben, oder zur evan- geliſchen hinuͤbergehen wolle.
Freylich wenn man bloß auf die biſchoͤflicheVI. Wuͤrde, als ein Kirchenamt, ſehen wollte, ſo ſchien es dem erſten Anblick nach eben ſo unthunlich, daß ein catholiſcher Biſchof, wenn er evangeliſch wuͤrde, ſeine Stelle behalten koͤnnte, als ein evan- geliſcher Paſtor, wenn er catholiſch wuͤrde, bey ſei- ner Pfarre bleiben koͤnnte. In ſo weit hatte es allerdings ſeine gute Richtigkeit, daß ein Proteſtant kein catholiſcher der paͤbſtlichen Hierarchie unter- worfener Biſchof ſeyn konnte. Allein wie unſere Teutſche Biſthuͤmer und Erzbiſthuͤmer nun einmal beſchaffen waren, da ihre Beſitzer zugleich als Teutſche Reichsfuͤrſten Land und Leute zu regieren hatten, ſo war vors erſte in der doppelten Eigen- ſchaft, die ein jeder Biſchof eines Theils als Bi- ſchof, aber andern Theils zugleich als Teutſcher Reichsfuͤrſt und Landesherr in ſeiner Perſon mit einander verband, unſtreitig das Verhaͤltniß ſo ungleich, daß, wenn man die Sache aufrichtig nehmen will, wie ſie iſt, die biſchoͤfliche Wuͤrde in Teutſchland in der fuͤrſtlichen und landesherr- lichen Wuͤrde ſich beynahe gaͤnzlich verliehrt. Nicht jene, ſondern dieſe iſt es, die unſern hohen und niedern Adel reizt, ſich darum zu bewerben. Selbſt
die
D d 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0459"n="425"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">8) Relig. Fr. 1555. <hirendition="#aq">c</hi>) Kloͤſter ꝛc.</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">unmittelbaren Stiftern</hi> gehalten werden ſollte,<lb/>
wenn ein Biſchof oder Erzbiſchof oder anderer Praͤ-<lb/>
lat, oder auch nur ein Domherr ſich zur Augsbur-<lb/>
giſchen Confeſſion bekaͤnnte? Auch hier beſtand<lb/>
der evangeliſche Religionstheil darauf, daß eine<lb/>
allgemeine Gewiſſensfreyheit ſtatt finden, und alſo<lb/>
einem jeden frey geſtellt werden muͤßte, ob er bey<lb/>
der catholiſchen Religion bleiben, oder zur evan-<lb/>
geliſchen hinuͤbergehen wolle.</p><lb/><p>Freylich wenn man bloß auf die biſchoͤfliche<noteplace="right"><hirendition="#aq">VI.</hi></note><lb/>
Wuͤrde, als ein Kirchenamt, ſehen wollte, ſo ſchien<lb/>
es dem erſten Anblick nach eben ſo unthunlich,<lb/>
daß ein catholiſcher Biſchof, wenn er evangeliſch<lb/>
wuͤrde, ſeine Stelle behalten koͤnnte, als ein evan-<lb/>
geliſcher Paſtor, wenn er catholiſch wuͤrde, bey ſei-<lb/>
ner Pfarre bleiben koͤnnte. In ſo weit hatte es<lb/>
allerdings ſeine gute Richtigkeit, daß ein Proteſtant<lb/>
kein catholiſcher der paͤbſtlichen Hierarchie unter-<lb/>
worfener Biſchof ſeyn konnte. Allein wie unſere<lb/>
Teutſche Biſthuͤmer und Erzbiſthuͤmer nun einmal<lb/>
beſchaffen waren, da ihre Beſitzer zugleich als<lb/>
Teutſche Reichsfuͤrſten Land und Leute zu regieren<lb/>
hatten, ſo war vors erſte in der doppelten Eigen-<lb/>ſchaft, die ein jeder Biſchof eines Theils als Bi-<lb/>ſchof, aber andern Theils zugleich als Teutſcher<lb/>
Reichsfuͤrſt und Landesherr in ſeiner Perſon mit<lb/>
einander verband, unſtreitig das Verhaͤltniß ſo<lb/>
ungleich, daß, wenn man die Sache aufrichtig<lb/>
nehmen will, wie ſie iſt, die biſchoͤfliche Wuͤrde<lb/>
in Teutſchland in der fuͤrſtlichen und landesherr-<lb/>
lichen Wuͤrde ſich beynahe gaͤnzlich verliehrt. Nicht<lb/>
jene, ſondern dieſe iſt es, die unſern hohen und<lb/>
niedern Adel reizt, ſich darum zu bewerben. Selbſt<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D d 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[425/0459]
8) Relig. Fr. 1555. c) Kloͤſter ꝛc.
unmittelbaren Stiftern gehalten werden ſollte,
wenn ein Biſchof oder Erzbiſchof oder anderer Praͤ-
lat, oder auch nur ein Domherr ſich zur Augsbur-
giſchen Confeſſion bekaͤnnte? Auch hier beſtand
der evangeliſche Religionstheil darauf, daß eine
allgemeine Gewiſſensfreyheit ſtatt finden, und alſo
einem jeden frey geſtellt werden muͤßte, ob er bey
der catholiſchen Religion bleiben, oder zur evan-
geliſchen hinuͤbergehen wolle.
Freylich wenn man bloß auf die biſchoͤfliche
Wuͤrde, als ein Kirchenamt, ſehen wollte, ſo ſchien
es dem erſten Anblick nach eben ſo unthunlich,
daß ein catholiſcher Biſchof, wenn er evangeliſch
wuͤrde, ſeine Stelle behalten koͤnnte, als ein evan-
geliſcher Paſtor, wenn er catholiſch wuͤrde, bey ſei-
ner Pfarre bleiben koͤnnte. In ſo weit hatte es
allerdings ſeine gute Richtigkeit, daß ein Proteſtant
kein catholiſcher der paͤbſtlichen Hierarchie unter-
worfener Biſchof ſeyn konnte. Allein wie unſere
Teutſche Biſthuͤmer und Erzbiſthuͤmer nun einmal
beſchaffen waren, da ihre Beſitzer zugleich als
Teutſche Reichsfuͤrſten Land und Leute zu regieren
hatten, ſo war vors erſte in der doppelten Eigen-
ſchaft, die ein jeder Biſchof eines Theils als Bi-
ſchof, aber andern Theils zugleich als Teutſcher
Reichsfuͤrſt und Landesherr in ſeiner Perſon mit
einander verband, unſtreitig das Verhaͤltniß ſo
ungleich, daß, wenn man die Sache aufrichtig
nehmen will, wie ſie iſt, die biſchoͤfliche Wuͤrde
in Teutſchland in der fuͤrſtlichen und landesherr-
lichen Wuͤrde ſich beynahe gaͤnzlich verliehrt. Nicht
jene, ſondern dieſe iſt es, die unſern hohen und
niedern Adel reizt, ſich darum zu bewerben. Selbſt
die
VI.
D d 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/459>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.