zogen waren. Die evangelischen Fürsten waren aber auch weit entfernt, sich eine eigenwillige un- beschränkte Gewalt in diesen Sachen über ihre Un- terthanen anzumaßen. Sie thaten nichts als mit Zuziehung gelehrter angesehener Theologen und mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung ihrer Landschaften und Unterthanen.
III.
So ließ der Landgraf von Hessen in seinem Lande eine Synode halten, wo berathschlaget wurde, wie jetzt die Kirchenverfassung in Hessen der Bibel gemäß am besten einzurichten seyn möchte. Der Land- graf selbst war dabey zwar anwesend, schrieb aber nichts vor, sondern genehmigte nur die Schlüsse der Synode. Diese gab selbst ihre Schlüsse nicht für Befehle, sondern für solche Rathschläge aus, wie sie jetzt glaubte, daß sie dem Worte Gottes am gemäßesten wären, ohne daß man sie für unver- änderlich zu halten begehrte.
IV.
In Sachsen gab der Churfürst Johann bald nach Antritt seiner Regierung über einige schon vor- genommene Veränderungen seinen Beyfall zu erken- nen, und ließ jetzt ferner geschehen, daß evangeli- sche Prediger unter seinem landesfürstlichen Anse- hen ordinirt wurden, und mit Abschaffung der Messe das Abendmahl in Teutscher Sprache hielten. Er ließ eine Kirchenordnung abfassen, und eine Kirchenvisitation durch mehrere geistliche und welt- liche Räthe im ganzen Lande veranstalten, die be- sonders dafür sorgen mußte, daß an allen Orten soviel möglich tüchtige Pfarrer und Schullehrer angestellt wurden, und der Gottesdienst in gehö- rige Ordnung kam. Zuletzt wurde ein eignes Con-
sisto-
V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
zogen waren. Die evangeliſchen Fuͤrſten waren aber auch weit entfernt, ſich eine eigenwillige un- beſchraͤnkte Gewalt in dieſen Sachen uͤber ihre Un- terthanen anzumaßen. Sie thaten nichts als mit Zuziehung gelehrter angeſehener Theologen und mit ausdruͤcklicher oder ſtillſchweigender Einwilligung ihrer Landſchaften und Unterthanen.
III.
So ließ der Landgraf von Heſſen in ſeinem Lande eine Synode halten, wo berathſchlaget wurde, wie jetzt die Kirchenverfaſſung in Heſſen der Bibel gemaͤß am beſten einzurichten ſeyn moͤchte. Der Land- graf ſelbſt war dabey zwar anweſend, ſchrieb aber nichts vor, ſondern genehmigte nur die Schluͤſſe der Synode. Dieſe gab ſelbſt ihre Schluͤſſe nicht fuͤr Befehle, ſondern fuͤr ſolche Rathſchlaͤge aus, wie ſie jetzt glaubte, daß ſie dem Worte Gottes am gemaͤßeſten waͤren, ohne daß man ſie fuͤr unver- aͤnderlich zu halten begehrte.
IV.
In Sachſen gab der Churfuͤrſt Johann bald nach Antritt ſeiner Regierung uͤber einige ſchon vor- genommene Veraͤnderungen ſeinen Beyfall zu erken- nen, und ließ jetzt ferner geſchehen, daß evangeli- ſche Prediger unter ſeinem landesfuͤrſtlichen Anſe- hen ordinirt wurden, und mit Abſchaffung der Meſſe das Abendmahl in Teutſcher Sprache hielten. Er ließ eine Kirchenordnung abfaſſen, und eine Kirchenviſitation durch mehrere geiſtliche und welt- liche Raͤthe im ganzen Lande veranſtalten, die be- ſonders dafuͤr ſorgen mußte, daß an allen Orten ſoviel moͤglich tuͤchtige Pfarrer und Schullehrer angeſtellt wurden, und der Gottesdienſt in gehoͤ- rige Ordnung kam. Zuletzt wurde ein eignes Con-
ſiſto-
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V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
zogen waren. Die evangeliſchen Fuͤrſten waren
aber auch weit entfernt, ſich eine eigenwillige un-
beſchraͤnkte Gewalt in dieſen Sachen uͤber ihre Un-
terthanen anzumaßen. Sie thaten nichts als mit
Zuziehung gelehrter angeſehener Theologen und mit
ausdruͤcklicher oder ſtillſchweigender Einwilligung
ihrer Landſchaften und Unterthanen.
So ließ der Landgraf von Heſſen in ſeinem
Lande eine Synode halten, wo berathſchlaget wurde,
wie jetzt die Kirchenverfaſſung in Heſſen der Bibel
gemaͤß am beſten einzurichten ſeyn moͤchte. Der Land-
graf ſelbſt war dabey zwar anweſend, ſchrieb aber
nichts vor, ſondern genehmigte nur die Schluͤſſe der
Synode. Dieſe gab ſelbſt ihre Schluͤſſe nicht
fuͤr Befehle, ſondern fuͤr ſolche Rathſchlaͤge aus,
wie ſie jetzt glaubte, daß ſie dem Worte Gottes am
gemaͤßeſten waͤren, ohne daß man ſie fuͤr unver-
aͤnderlich zu halten begehrte.
In Sachſen gab der Churfuͤrſt Johann bald
nach Antritt ſeiner Regierung uͤber einige ſchon vor-
genommene Veraͤnderungen ſeinen Beyfall zu erken-
nen, und ließ jetzt ferner geſchehen, daß evangeli-
ſche Prediger unter ſeinem landesfuͤrſtlichen Anſe-
hen ordinirt wurden, und mit Abſchaffung der
Meſſe das Abendmahl in Teutſcher Sprache hielten.
Er ließ eine Kirchenordnung abfaſſen, und eine
Kirchenviſitation durch mehrere geiſtliche und welt-
liche Raͤthe im ganzen Lande veranſtalten, die be-
ſonders dafuͤr ſorgen mußte, daß an allen Orten
ſoviel moͤglich tuͤchtige Pfarrer und Schullehrer
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/408>, abgerufen am 22.07.2024.
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