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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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2) D. Luther bis 1525.
ten dazwischen kamen; jedoch so, daß Spuhren
gnug übrig blieben, auch hierin die Wege der gött-
lichen Vorsehung bewundern zu müßen, wie sie oft
Mängel und Unvollkommenheiten doch in der Folge
und im Zusammenhange des Ganzen zum Besten
zu lenken weiß.

Vom Abendmahle hatte Luther schon zu EndeXXII.
des Jahrs 1519. in einer Predigt mit vieler Be-
scheidenheit den Wunsch geäußert, daß es unter
beiderley Gestalt ausgetheilt werden möchte. In
seiner Abwesenheit thaten im Jahre 1521. die Au-
gustiner zu Wittenberg zuerst den Schritt, daß sie
das Abendmahl mit Brod und Wein hielten, und
statt der bey der Messe bisher gewöhnlichen Latei-
nischen Formeln sich der Teutschen Sprache bedienten.

Ein anderer Schritt geschah zuerst in eben demXXIII.
Jahre, da der Probst Bartholomäus Bernhardi
zu Kemberg ohnweit Wittenberg sich in die Ehe
begab, welches Luther billigte. Ob auch Mönche
und andere, die freywillig einem ehelosen Stande
sich gewidmet, ihres Gelübdes ungeachtet heirathen
dürften, war Luther vorerst noch zweifelhaft, bis
er in der Folge auch dem Unwerthe solcher Ge-
lübde erst näher auf den Grund sah. Ueberhaupt
war Luther, so wenig es ihm auch an Muth und
Unternehmungsgeist fehlte, doch sehr behutsam in
solchen Fortschritten, die den Schein einer gewalt-
samen Aenderung haben möchten, oder vor der
Ueberzeugung schon vorangehen sollten. Er glaubte
immer, wenn erst das Volk mehr von der Wahr-
heit belehret wäre, würde sich manche Verände-
rung von selbsten geben, oder doch in guter Ord-

nung
A a

2) D. Luther bis 1525.
ten dazwiſchen kamen; jedoch ſo, daß Spuhren
gnug uͤbrig blieben, auch hierin die Wege der goͤtt-
lichen Vorſehung bewundern zu muͤßen, wie ſie oft
Maͤngel und Unvollkommenheiten doch in der Folge
und im Zuſammenhange des Ganzen zum Beſten
zu lenken weiß.

Vom Abendmahle hatte Luther ſchon zu EndeXXII.
des Jahrs 1519. in einer Predigt mit vieler Be-
ſcheidenheit den Wunſch geaͤußert, daß es unter
beiderley Geſtalt ausgetheilt werden moͤchte. In
ſeiner Abweſenheit thaten im Jahre 1521. die Au-
guſtiner zu Wittenberg zuerſt den Schritt, daß ſie
das Abendmahl mit Brod und Wein hielten, und
ſtatt der bey der Meſſe bisher gewoͤhnlichen Latei-
niſchen Formeln ſich der Teutſchen Sprache bedienten.

Ein anderer Schritt geſchah zuerſt in eben demXXIII.
Jahre, da der Probſt Bartholomaͤus Bernhardi
zu Kemberg ohnweit Wittenberg ſich in die Ehe
begab, welches Luther billigte. Ob auch Moͤnche
und andere, die freywillig einem eheloſen Stande
ſich gewidmet, ihres Geluͤbdes ungeachtet heirathen
duͤrften, war Luther vorerſt noch zweifelhaft, bis
er in der Folge auch dem Unwerthe ſolcher Ge-
luͤbde erſt naͤher auf den Grund ſah. Ueberhaupt
war Luther, ſo wenig es ihm auch an Muth und
Unternehmungsgeiſt fehlte, doch ſehr behutſam in
ſolchen Fortſchritten, die den Schein einer gewalt-
ſamen Aenderung haben moͤchten, oder vor der
Ueberzeugung ſchon vorangehen ſollten. Er glaubte
immer, wenn erſt das Volk mehr von der Wahr-
heit belehret waͤre, wuͤrde ſich manche Veraͤnde-
rung von ſelbſten geben, oder doch in guter Ord-

nung
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[369/0403] 2) D. Luther bis 1525. ten dazwiſchen kamen; jedoch ſo, daß Spuhren gnug uͤbrig blieben, auch hierin die Wege der goͤtt- lichen Vorſehung bewundern zu muͤßen, wie ſie oft Maͤngel und Unvollkommenheiten doch in der Folge und im Zuſammenhange des Ganzen zum Beſten zu lenken weiß. Vom Abendmahle hatte Luther ſchon zu Ende des Jahrs 1519. in einer Predigt mit vieler Be- ſcheidenheit den Wunſch geaͤußert, daß es unter beiderley Geſtalt ausgetheilt werden moͤchte. In ſeiner Abweſenheit thaten im Jahre 1521. die Au- guſtiner zu Wittenberg zuerſt den Schritt, daß ſie das Abendmahl mit Brod und Wein hielten, und ſtatt der bey der Meſſe bisher gewoͤhnlichen Latei- niſchen Formeln ſich der Teutſchen Sprache bedienten. XXII. Ein anderer Schritt geſchah zuerſt in eben dem Jahre, da der Probſt Bartholomaͤus Bernhardi zu Kemberg ohnweit Wittenberg ſich in die Ehe begab, welches Luther billigte. Ob auch Moͤnche und andere, die freywillig einem eheloſen Stande ſich gewidmet, ihres Geluͤbdes ungeachtet heirathen duͤrften, war Luther vorerſt noch zweifelhaft, bis er in der Folge auch dem Unwerthe ſolcher Ge- luͤbde erſt naͤher auf den Grund ſah. Ueberhaupt war Luther, ſo wenig es ihm auch an Muth und Unternehmungsgeiſt fehlte, doch ſehr behutſam in ſolchen Fortſchritten, die den Schein einer gewalt- ſamen Aenderung haben moͤchten, oder vor der Ueberzeugung ſchon vorangehen ſollten. Er glaubte immer, wenn erſt das Volk mehr von der Wahr- heit belehret waͤre, wuͤrde ſich manche Veraͤnde- rung von ſelbſten geben, oder doch in guter Ord- nung XXIII. A a

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/403>, abgerufen am 22.11.2024.