Rechte, die nur Obrigkeiten zukämen, sich anzu- maßen berechtiget seyn sollten. Auch erkannte man nunmehr, wie das Mönchswesen und der Coelibat des ganzen geistlichen Standes nur dahin abzweckte, die ganze Kette der Hierarchie desto fe- ster in einander zu schließen, und Unwissenheit und Aberglauben desto sicherer zu erhalten.
Also waren es nicht etwa nur ein oder andereXIX. Puncte, und nicht etwa nur zufällige oder gleich- gültige Nebendinge, sondern eine ganze Menge wich- tige in das ganze Lehrgebäude der Religion und in die ganze Einrichtung sowohl des öffentlichen gemeinschaftlichen Gottesdienstes als der ganzen kirchlichen Verfassung wesentlichen Einfluß habende Dinge, worin man jetzt anders dachte, als bis- her der gemeine Haufe gedacht hatte, und Pabst und Clerus gedacht haben wollte. In so weit galt es freylich um eine Aenderung in der Religion und Kirchenverfassung, die man die alte nennen konnte, so fern man es bey dem, was bisher im Gange war, ließ; oder neu, sofern man darin eine Aen- derung zu treffen nöthig fand; obgleich in der That die Frage nur davon war, ob man die Christ- liche Religion in ihre ursprüngliche Lauterkeit, wie sie zu Zeiten Christi und seiner Apostel gewesen, herstellen, oder ob man es bey den Zusätzen, die sie erst in neueren Zeiten meist aus sehr trüben Quellen erhalten hatte, laßen sollte. In diesem Betrachte enthielt die catholische Religion unstrei- tig ungemein viel neues, das sie von der alten ächt evangelischen Religion, deren Herstellung jetzt ins Werk kam, allerdings sehr unterschieden machte.
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2) D. Luther bis 1525.
Rechte, die nur Obrigkeiten zukaͤmen, ſich anzu- maßen berechtiget ſeyn ſollten. Auch erkannte man nunmehr, wie das Moͤnchsweſen und der Coelibat des ganzen geiſtlichen Standes nur dahin abzweckte, die ganze Kette der Hierarchie deſto fe- ſter in einander zu ſchließen, und Unwiſſenheit und Aberglauben deſto ſicherer zu erhalten.
Alſo waren es nicht etwa nur ein oder andereXIX. Puncte, und nicht etwa nur zufaͤllige oder gleich- guͤltige Nebendinge, ſondern eine ganze Menge wich- tige in das ganze Lehrgebaͤude der Religion und in die ganze Einrichtung ſowohl des oͤffentlichen gemeinſchaftlichen Gottesdienſtes als der ganzen kirchlichen Verfaſſung weſentlichen Einfluß habende Dinge, worin man jetzt anders dachte, als bis- her der gemeine Haufe gedacht hatte, und Pabſt und Clerus gedacht haben wollte. In ſo weit galt es freylich um eine Aenderung in der Religion und Kirchenverfaſſung, die man die alte nennen konnte, ſo fern man es bey dem, was bisher im Gange war, ließ; oder neu, ſofern man darin eine Aen- derung zu treffen noͤthig fand; obgleich in der That die Frage nur davon war, ob man die Chriſt- liche Religion in ihre urſpruͤngliche Lauterkeit, wie ſie zu Zeiten Chriſti und ſeiner Apoſtel geweſen, herſtellen, oder ob man es bey den Zuſaͤtzen, die ſie erſt in neueren Zeiten meiſt aus ſehr truͤben Quellen erhalten hatte, laßen ſollte. In dieſem Betrachte enthielt die catholiſche Religion unſtrei- tig ungemein viel neues, das ſie von der alten aͤcht evangeliſchen Religion, deren Herſtellung jetzt ins Werk kam, allerdings ſehr unterſchieden machte.
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2) D. Luther bis 1525.
Rechte, die nur Obrigkeiten zukaͤmen, ſich anzu-
maßen berechtiget ſeyn ſollten. Auch erkannte
man nunmehr, wie das Moͤnchsweſen und der
Coelibat des ganzen geiſtlichen Standes nur dahin
abzweckte, die ganze Kette der Hierarchie deſto fe-
ſter in einander zu ſchließen, und Unwiſſenheit und
Aberglauben deſto ſicherer zu erhalten.
Alſo waren es nicht etwa nur ein oder andere
Puncte, und nicht etwa nur zufaͤllige oder gleich-
guͤltige Nebendinge, ſondern eine ganze Menge wich-
tige in das ganze Lehrgebaͤude der Religion und
in die ganze Einrichtung ſowohl des oͤffentlichen
gemeinſchaftlichen Gottesdienſtes als der ganzen
kirchlichen Verfaſſung weſentlichen Einfluß habende
Dinge, worin man jetzt anders dachte, als bis-
her der gemeine Haufe gedacht hatte, und Pabſt
und Clerus gedacht haben wollte. In ſo weit galt
es freylich um eine Aenderung in der Religion und
Kirchenverfaſſung, die man die alte nennen konnte,
ſo fern man es bey dem, was bisher im Gange
war, ließ; oder neu, ſofern man darin eine Aen-
derung zu treffen noͤthig fand; obgleich in der
That die Frage nur davon war, ob man die Chriſt-
liche Religion in ihre urſpruͤngliche Lauterkeit, wie
ſie zu Zeiten Chriſti und ſeiner Apoſtel geweſen,
herſtellen, oder ob man es bey den Zuſaͤtzen, die
ſie erſt in neueren Zeiten meiſt aus ſehr truͤben
Quellen erhalten hatte, laßen ſollte. In dieſem
Betrachte enthielt die catholiſche Religion unſtrei-
tig ungemein viel neues, das ſie von der alten
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/401>, abgerufen am 22.11.2024.
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