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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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I. Alte Zeiten bis 888.

VIII.

Nur in die von Vandalen, Burgundern
und anderen Teutschen Völkern an der Ostsee und
am rechten Ufer der Elbe verlaßenen Plätze rückten
aus Preussen, Polen, Rußland, andere Wendische
oder Slavische Völker ein. Selbige erscheinen seit-
dem unter vielerley Namen, als Moraver in Mäh-
ren, Czechen in Böhmen, Lusitzer in der Lausitz,
Sorben in Meissen, Heveller und Uckern im Bran-
denburgischen, Obotriten, Kyziner, Circipaner,
Wilzen, Welataber, Tholenzer, Redarier in
Mecklenburg und Pommern, Polaber im Lauen-
burgischen, Wagrier im heutigen Wagerlande im
Holsteinischen. Ein jedes dieser Völker hatte wie-
der seine ganz eigne Verfassung; doch alle waren
sie in so weit einerley Herkunft, daß sie in Sprache
und Sitten übereinkamen, wie noch jetzt die Böh-
mische, Polnische, Russische, Slavonische Sprachen in
solcher Verwandtschaft stehen, daß sie nur als ver-
schiedene Dialecte einer Hauptsprache anzusehen sind.


IX.

Hier liegt nun schon in so weit eine der ersten
Quellen unserer heutigen Staatsverfassung, daß
Teutschland, was die ursprüngliche Herkunft seiner
Einwohner anbetrifft, in zweyerley Gattungen von
Ländern abzutheilen ist; -- eine Gattung von sol-
chen Ländern, deren Einwohner nicht ursprünglich
Teutscher, sondern Wendischer Herkunft sind, als
Mecklenburg, Pommern, Wagrien, Lauenburg,
Brandenburg, Meissen, Lausitz, Böhmen, Mäh-
ren, und seit dem VII. Jahrhundert auch Steier-
mark, Kärnthen, Krain; -- die andere Gattung
solcher Länder, deren Einwohner von je her ursprüng-
lich Teutsche gewesen sind, als Niedersachsen, Fran-
ken, Schwaben, und der größte Theil von West-

pha-
I. Alte Zeiten bis 888.

VIII.

Nur in die von Vandalen, Burgundern
und anderen Teutſchen Voͤlkern an der Oſtſee und
am rechten Ufer der Elbe verlaßenen Plaͤtze ruͤckten
aus Preuſſen, Polen, Rußland, andere Wendiſche
oder Slaviſche Voͤlker ein. Selbige erſcheinen ſeit-
dem unter vielerley Namen, als Moraver in Maͤh-
ren, Czechen in Boͤhmen, Luſitzer in der Lauſitz,
Sorben in Meiſſen, Heveller und Uckern im Bran-
denburgiſchen, Obotriten, Kyziner, Circipaner,
Wilzen, Welataber, Tholenzer, Redarier in
Mecklenburg und Pommern, Polaber im Lauen-
burgiſchen, Wagrier im heutigen Wagerlande im
Holſteiniſchen. Ein jedes dieſer Voͤlker hatte wie-
der ſeine ganz eigne Verfaſſung; doch alle waren
ſie in ſo weit einerley Herkunft, daß ſie in Sprache
und Sitten uͤbereinkamen, wie noch jetzt die Boͤh-
miſche, Polniſche, Ruſſiſche, Slavoniſche Sprachen in
ſolcher Verwandtſchaft ſtehen, daß ſie nur als ver-
ſchiedene Dialecte einer Hauptſprache anzuſehen ſind.


IX.

Hier liegt nun ſchon in ſo weit eine der erſten
Quellen unſerer heutigen Staatsverfaſſung, daß
Teutſchland, was die urſpruͤngliche Herkunft ſeiner
Einwohner anbetrifft, in zweyerley Gattungen von
Laͤndern abzutheilen iſt; — eine Gattung von ſol-
chen Laͤndern, deren Einwohner nicht urſpruͤnglich
Teutſcher, ſondern Wendiſcher Herkunft ſind, als
Mecklenburg, Pommern, Wagrien, Lauenburg,
Brandenburg, Meiſſen, Lauſitz, Boͤhmen, Maͤh-
ren, und ſeit dem VII. Jahrhundert auch Steier-
mark, Kaͤrnthen, Krain; — die andere Gattung
ſolcher Laͤnder, deren Einwohner von je her urſpruͤng-
lich Teutſche geweſen ſind, als Niederſachſen, Fran-
ken, Schwaben, und der groͤßte Theil von Weſt-

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[6/0040] I. Alte Zeiten bis 888. Nur in die von Vandalen, Burgundern und anderen Teutſchen Voͤlkern an der Oſtſee und am rechten Ufer der Elbe verlaßenen Plaͤtze ruͤckten aus Preuſſen, Polen, Rußland, andere Wendiſche oder Slaviſche Voͤlker ein. Selbige erſcheinen ſeit- dem unter vielerley Namen, als Moraver in Maͤh- ren, Czechen in Boͤhmen, Luſitzer in der Lauſitz, Sorben in Meiſſen, Heveller und Uckern im Bran- denburgiſchen, Obotriten, Kyziner, Circipaner, Wilzen, Welataber, Tholenzer, Redarier in Mecklenburg und Pommern, Polaber im Lauen- burgiſchen, Wagrier im heutigen Wagerlande im Holſteiniſchen. Ein jedes dieſer Voͤlker hatte wie- der ſeine ganz eigne Verfaſſung; doch alle waren ſie in ſo weit einerley Herkunft, daß ſie in Sprache und Sitten uͤbereinkamen, wie noch jetzt die Boͤh- miſche, Polniſche, Ruſſiſche, Slavoniſche Sprachen in ſolcher Verwandtſchaft ſtehen, daß ſie nur als ver- ſchiedene Dialecte einer Hauptſprache anzuſehen ſind. Hier liegt nun ſchon in ſo weit eine der erſten Quellen unſerer heutigen Staatsverfaſſung, daß Teutſchland, was die urſpruͤngliche Herkunft ſeiner Einwohner anbetrifft, in zweyerley Gattungen von Laͤndern abzutheilen iſt; — eine Gattung von ſol- chen Laͤndern, deren Einwohner nicht urſpruͤnglich Teutſcher, ſondern Wendiſcher Herkunft ſind, als Mecklenburg, Pommern, Wagrien, Lauenburg, Brandenburg, Meiſſen, Lauſitz, Boͤhmen, Maͤh- ren, und ſeit dem VII. Jahrhundert auch Steier- mark, Kaͤrnthen, Krain; — die andere Gattung ſolcher Laͤnder, deren Einwohner von je her urſpruͤng- lich Teutſche geweſen ſind, als Niederſachſen, Fran- ken, Schwaben, und der groͤßte Theil von Weſt- pha-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/40>, abgerufen am 21.11.2024.