und selbst auf den Zustand von ganz Europa, als der Fortgang der Bewegungen, die nun einmal über den päbstlichen Ablaß in der Kirche entstanden waren.
Fast um eben die Zeit, als Luther zu Witten-II. berg diesen Mißbrauch zu bestreiten angefangen hatte, war auch Ulrich Zwingli zu Zürch dawider aufgetreten, und noch um manchen Schritt weiter, als Luther, gegangen, um noch mehrere damalige Mißbräuche in der Kirche zu rügen. Luther selbst hatte über eine andere gelehrte Streitigkeit, worin er unabhängig von dem Streite mit Tetzel, schon vorher mit einem Doctor Eck von Ingolstadt ge- rathen war, mit diesem seinem Gegner nach des Kaiser Maxens Tode noch einen gelehrten Kampf in einer persönlich von beiden zu Leipzig gehaltenen Disputation übernehmen müßen, wo doch schon manches sich hinein verflocht, was in jene Strei- tigkeit über den Ablaß Einfluß hatte, und inson- derheit die Gränzen der päbstlichen Gewalt zur nähern Prüfung stellte. Auch fuhr er fort, in einer jedem faßlichen Schreibart in Teutscher Spra- che über einzelne Stücke der Bibel, als insonder- heit über den Brief an die Galater, zu schreiben, und immer nur den eigentlichen Kern des Christen- thums einem jeden ans Herz zu legen. Noch bekam er vorzüglich an seinem Collegen, Philipp Melanchthon, einen Gehülfen, der, was Luthers Muth und Hitze betraf, von ganz entgegengesetz- tem furchtsamen und gelinden Character war, aber an Gelehrsamkeit und Scharfsinn ihn noch übertraf. Wer aber auch sonst nur mit einiger Aufklärung und Freyheit dachte, gab Luthern und denen, die mit ihm gemeine Sache machten, in dem, was er noch zur Zeit behauptet hatte, Recht.
Na-
Z 2
2) D. Luther bis 1525.
und ſelbſt auf den Zuſtand von ganz Europa, als der Fortgang der Bewegungen, die nun einmal uͤber den paͤbſtlichen Ablaß in der Kirche entſtanden waren.
Faſt um eben die Zeit, als Luther zu Witten-II. berg dieſen Mißbrauch zu beſtreiten angefangen hatte, war auch Ulrich Zwingli zu Zuͤrch dawider aufgetreten, und noch um manchen Schritt weiter, als Luther, gegangen, um noch mehrere damalige Mißbraͤuche in der Kirche zu ruͤgen. Luther ſelbſt hatte uͤber eine andere gelehrte Streitigkeit, worin er unabhaͤngig von dem Streite mit Tetzel, ſchon vorher mit einem Doctor Eck von Ingolſtadt ge- rathen war, mit dieſem ſeinem Gegner nach des Kaiſer Maxens Tode noch einen gelehrten Kampf in einer perſoͤnlich von beiden zu Leipzig gehaltenen Disputation uͤbernehmen muͤßen, wo doch ſchon manches ſich hinein verflocht, was in jene Strei- tigkeit uͤber den Ablaß Einfluß hatte, und inſon- derheit die Graͤnzen der paͤbſtlichen Gewalt zur naͤhern Pruͤfung ſtellte. Auch fuhr er fort, in einer jedem faßlichen Schreibart in Teutſcher Spra- che uͤber einzelne Stuͤcke der Bibel, als inſonder- heit uͤber den Brief an die Galater, zu ſchreiben, und immer nur den eigentlichen Kern des Chriſten- thums einem jeden ans Herz zu legen. Noch bekam er vorzuͤglich an ſeinem Collegen, Philipp Melanchthon, einen Gehuͤlfen, der, was Luthers Muth und Hitze betraf, von ganz entgegengeſetz- tem furchtſamen und gelinden Character war, aber an Gelehrſamkeit und Scharfſinn ihn noch uͤbertraf. Wer aber auch ſonſt nur mit einiger Aufklaͤrung und Freyheit dachte, gab Luthern und denen, die mit ihm gemeine Sache machten, in dem, was er noch zur Zeit behauptet hatte, Recht.
Na-
Z 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0389"n="355"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">2) D. Luther bis 1525.</hi></fw><lb/>
und ſelbſt auf den Zuſtand von ganz Europa, als der<lb/>
Fortgang der Bewegungen, die nun einmal uͤber den<lb/>
paͤbſtlichen Ablaß in der Kirche entſtanden waren.</p><lb/><p>Faſt um eben die Zeit, als Luther zu Witten-<noteplace="right"><hirendition="#aq">II.</hi></note><lb/>
berg dieſen Mißbrauch zu beſtreiten angefangen<lb/>
hatte, war auch Ulrich <hirendition="#fr">Zwingli</hi> zu Zuͤrch dawider<lb/>
aufgetreten, und noch um manchen Schritt weiter,<lb/>
als Luther, gegangen, um noch mehrere damalige<lb/>
Mißbraͤuche in der Kirche zu ruͤgen. Luther ſelbſt<lb/>
hatte uͤber eine andere gelehrte Streitigkeit, worin<lb/>
er unabhaͤngig von dem Streite mit Tetzel, ſchon<lb/>
vorher mit einem <hirendition="#fr">Doctor Eck</hi> von Ingolſtadt ge-<lb/>
rathen war, mit dieſem ſeinem Gegner nach des<lb/>
Kaiſer Maxens Tode noch einen gelehrten Kampf<lb/>
in einer perſoͤnlich von beiden zu Leipzig gehaltenen<lb/>
Disputation uͤbernehmen muͤßen, wo doch ſchon<lb/>
manches ſich hinein verflocht, was in jene Strei-<lb/>
tigkeit uͤber den Ablaß Einfluß hatte, und inſon-<lb/>
derheit die Graͤnzen der paͤbſtlichen Gewalt zur<lb/>
naͤhern Pruͤfung ſtellte. Auch fuhr er fort, in<lb/>
einer jedem faßlichen Schreibart in Teutſcher Spra-<lb/>
che uͤber einzelne Stuͤcke der Bibel, als inſonder-<lb/>
heit uͤber den Brief an die Galater, zu ſchreiben,<lb/>
und immer nur den eigentlichen Kern des Chriſten-<lb/>
thums einem jeden ans Herz zu legen. Noch<lb/>
bekam er vorzuͤglich an ſeinem Collegen, Philipp<lb/><hirendition="#fr">Melanchthon,</hi> einen Gehuͤlfen, der, was Luthers<lb/>
Muth und Hitze betraf, von ganz entgegengeſetz-<lb/>
tem furchtſamen und gelinden Character war, aber<lb/>
an Gelehrſamkeit und Scharfſinn ihn noch uͤbertraf.<lb/>
Wer aber auch ſonſt nur mit einiger Aufklaͤrung und<lb/>
Freyheit dachte, gab Luthern und denen, die mit ihm<lb/>
gemeine Sache machten, in dem, was er noch zur Zeit<lb/>
behauptet hatte, Recht.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Na-</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[355/0389]
2) D. Luther bis 1525.
und ſelbſt auf den Zuſtand von ganz Europa, als der
Fortgang der Bewegungen, die nun einmal uͤber den
paͤbſtlichen Ablaß in der Kirche entſtanden waren.
Faſt um eben die Zeit, als Luther zu Witten-
berg dieſen Mißbrauch zu beſtreiten angefangen
hatte, war auch Ulrich Zwingli zu Zuͤrch dawider
aufgetreten, und noch um manchen Schritt weiter,
als Luther, gegangen, um noch mehrere damalige
Mißbraͤuche in der Kirche zu ruͤgen. Luther ſelbſt
hatte uͤber eine andere gelehrte Streitigkeit, worin
er unabhaͤngig von dem Streite mit Tetzel, ſchon
vorher mit einem Doctor Eck von Ingolſtadt ge-
rathen war, mit dieſem ſeinem Gegner nach des
Kaiſer Maxens Tode noch einen gelehrten Kampf
in einer perſoͤnlich von beiden zu Leipzig gehaltenen
Disputation uͤbernehmen muͤßen, wo doch ſchon
manches ſich hinein verflocht, was in jene Strei-
tigkeit uͤber den Ablaß Einfluß hatte, und inſon-
derheit die Graͤnzen der paͤbſtlichen Gewalt zur
naͤhern Pruͤfung ſtellte. Auch fuhr er fort, in
einer jedem faßlichen Schreibart in Teutſcher Spra-
che uͤber einzelne Stuͤcke der Bibel, als inſonder-
heit uͤber den Brief an die Galater, zu ſchreiben,
und immer nur den eigentlichen Kern des Chriſten-
thums einem jeden ans Herz zu legen. Noch
bekam er vorzuͤglich an ſeinem Collegen, Philipp
Melanchthon, einen Gehuͤlfen, der, was Luthers
Muth und Hitze betraf, von ganz entgegengeſetz-
tem furchtſamen und gelinden Character war, aber
an Gelehrſamkeit und Scharfſinn ihn noch uͤbertraf.
Wer aber auch ſonſt nur mit einiger Aufklaͤrung und
Freyheit dachte, gab Luthern und denen, die mit ihm
gemeine Sache machten, in dem, was er noch zur Zeit
behauptet hatte, Recht.
II.
Na-
Z 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/389>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.