Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.6) Sig. 1414-1437. Costn. Concil. zu retten wußte. Eines vom Kaiser erhaltenensichern Geleites ungeachtet wurde Huß gefangen gesetzt und (1415. Jul. 6.) zu Costnitz verbrannt, -- weil er ein Ketzer sey. -- Und seine ganze Ketze- rey bestand nur darin, daß er die Sitten des geist- lichen Standes, insonderheit des Pabstes, der Car- dinäle, der Bischöfe, Erzbischöfe, Domherren und Mönche, so, wie sie waren, geschildert hatte. Wer wollte es nun noch wagen, von solchen Dingen nur laut zu sprechen? Wer wollte nun noch hof- fen, daß je eine Kirchenversammlung solchen Kla- gen abhelfen möchte? Was blieb dann übrig, als das Joch, dessen man sich nicht entschütten konnte, das man selbst ohne Lebensgefahr nicht mit einem Finger rütteln durfte, nur ferner gedultig zu tragen? Ein von Hussens Sache eigentlich unabhängi-VII. man (f) Spittlers Kirchengesch. (2. Ausg. 1785.) S. 349. T 2
6) Sig. 1414-1437. Coſtn. Concil. zu retten wußte. Eines vom Kaiſer erhaltenenſichern Geleites ungeachtet wurde Huß gefangen geſetzt und (1415. Jul. 6.) zu Coſtnitz verbrannt, — weil er ein Ketzer ſey. — Und ſeine ganze Ketze- rey beſtand nur darin, daß er die Sitten des geiſt- lichen Standes, inſonderheit des Pabſtes, der Car- dinaͤle, der Biſchoͤfe, Erzbiſchoͤfe, Domherren und Moͤnche, ſo, wie ſie waren, geſchildert hatte. Wer wollte es nun noch wagen, von ſolchen Dingen nur laut zu ſprechen? Wer wollte nun noch hof- fen, daß je eine Kirchenverſammlung ſolchen Kla- gen abhelfen moͤchte? Was blieb dann uͤbrig, als das Joch, deſſen man ſich nicht entſchuͤtten konnte, das man ſelbſt ohne Lebensgefahr nicht mit einem Finger ruͤtteln durfte, nur ferner gedultig zu tragen? Ein von Huſſens Sache eigentlich unabhaͤngi-VII. man (f) Spittlers Kirchengeſch. (2. Ausg. 1785.) S. 349. T 2
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6) Sig. 1414-1437. Coſtn. Concil.
zu retten wußte. Eines vom Kaiſer erhaltenen
ſichern Geleites ungeachtet wurde Huß gefangen
geſetzt und (1415. Jul. 6.) zu Coſtnitz verbrannt, —
weil er ein Ketzer ſey. — Und ſeine ganze Ketze-
rey beſtand nur darin, daß er die Sitten des geiſt-
lichen Standes, inſonderheit des Pabſtes, der Car-
dinaͤle, der Biſchoͤfe, Erzbiſchoͤfe, Domherren und
Moͤnche, ſo, wie ſie waren, geſchildert hatte. Wer
wollte es nun noch wagen, von ſolchen Dingen
nur laut zu ſprechen? Wer wollte nun noch hof-
fen, daß je eine Kirchenverſammlung ſolchen Kla-
gen abhelfen moͤchte? Was blieb dann uͤbrig, als
das Joch, deſſen man ſich nicht entſchuͤtten konnte,
das man ſelbſt ohne Lebensgefahr nicht mit einem
Finger ruͤtteln durfte, nur ferner gedultig zu tragen?
Ein von Huſſens Sache eigentlich unabhaͤngi-
ger Zufall war es, daß in der Zeit, da Huß ſchon
nach Coſtnitz abgegangen war, ein gewiſſer Johann
von Mieß zu Prag die Entdeckung machte, daß
erſt durch einen Mißverſtand neuerer Zeiten den
Laien der Kelch beym Abendmahle entzogen ſey.
”Mit einer Gierigkeit, womit man ſich gewoͤhnlich
fuͤr lange Unterdruͤckung raͤcht, fieng er ſo gleich
ſelbſt an, den Laien den Kelch auszutheilen. Neu-
heit und allgemeinfuͤhlbare Wahrheit verſchafften
ihm alsbald einen großen Anhang, und ſeine Par-
they, ſelbſt durch Huſſens Schickſal gewarnet,
wollte den offenbaren Mißbrauch der Kirche nicht
erſt auf die Beurtheilung der Coſtnitzer Synode
ausgeſetzt ſeyn laßen” (f). Zu Coſtnitz verwarf
man
VII.
(f) Spittlers Kirchengeſch. (2. Ausg. 1785.)
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