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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.

XII.

Der Umstand, daß nach der Gerichtsverfas-
sung des mittlern Zeitalters ein jeder nur von sei-
nes Gleichen, also Fürsten nur von Fürsten oder
doch nur von Personen des hohen Adels, geur-
theilt werden konnten, war ganz unvergleichlich.
Man konnte immer hoffen, daß ein jeder das,
was unter Personen seines Standes gewöhnlich
war, am besten wissen würde; und keiner durfte
leicht besorgen, daß Personen von eben dem Stan-
de, die vielleicht wieder in den Fall kommen könn-
ten, von ihm verurtheilet zu werden, ohne Grund
zu seinem Nachtheile sprechen dürften. Auch war
es ein großer Vortheil, daß alles kurz und gut
gieng, ohne große Weitläuftigkeiten zu machen,
und ohne viele Subtilitäten ins Spiel zu bringen.
Es hatte aber auch seine Unbequemlichkeiten, daß
man bey dem wandelbaren Aufenthalte des Kaisers
ihn immer erst aufsuchen und oft lange nachreisen
mußte, ehe sichs thun ließ, ein Fürstenrecht zu
Stande zu bringen. Und dann blieb sowohl beym
Fürstenrechte als beym Hofgerichte noch immer
eine wichtige Frage: wie ein Rechtsspruch, wenn
er an einem oder andern Orte ergieng, nun zur
Hülfsvollstreckung gebracht werden sollte?


XIII.

Diesen Mängeln der damaligen Gerichtsver-
fassung war es wohl mit zuzuschreiben, daß die
meisten Streitigkeiten der Fürsten mehr durch Be-
fehdungen und Selbsthülfe, als durch kaiserliche
Rechtssprüche, ausgemacht wurden. Wie aber
Kriege selten geendiget werden, ohne daß eine
dritte Macht den Frieden vermitteln hilft; so ge-
schah es auch häufig in den Fehden Teutscher Für-
sten, daß ein dritter Fürst sich ins Mittel legte,

und
II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.

XII.

Der Umſtand, daß nach der Gerichtsverfaſ-
ſung des mittlern Zeitalters ein jeder nur von ſei-
nes Gleichen, alſo Fuͤrſten nur von Fuͤrſten oder
doch nur von Perſonen des hohen Adels, geur-
theilt werden konnten, war ganz unvergleichlich.
Man konnte immer hoffen, daß ein jeder das,
was unter Perſonen ſeines Standes gewoͤhnlich
war, am beſten wiſſen wuͤrde; und keiner durfte
leicht beſorgen, daß Perſonen von eben dem Stan-
de, die vielleicht wieder in den Fall kommen koͤnn-
ten, von ihm verurtheilet zu werden, ohne Grund
zu ſeinem Nachtheile ſprechen duͤrften. Auch war
es ein großer Vortheil, daß alles kurz und gut
gieng, ohne große Weitlaͤuftigkeiten zu machen,
und ohne viele Subtilitaͤten ins Spiel zu bringen.
Es hatte aber auch ſeine Unbequemlichkeiten, daß
man bey dem wandelbaren Aufenthalte des Kaiſers
ihn immer erſt aufſuchen und oft lange nachreiſen
mußte, ehe ſichs thun ließ, ein Fuͤrſtenrecht zu
Stande zu bringen. Und dann blieb ſowohl beym
Fuͤrſtenrechte als beym Hofgerichte noch immer
eine wichtige Frage: wie ein Rechtsſpruch, wenn
er an einem oder andern Orte ergieng, nun zur
Huͤlfsvollſtreckung gebracht werden ſollte?


XIII.

Dieſen Maͤngeln der damaligen Gerichtsver-
faſſung war es wohl mit zuzuſchreiben, daß die
meiſten Streitigkeiten der Fuͤrſten mehr durch Be-
fehdungen und Selbſthuͤlfe, als durch kaiſerliche
Rechtsſpruͤche, ausgemacht wurden. Wie aber
Kriege ſelten geendiget werden, ohne daß eine
dritte Macht den Frieden vermitteln hilft; ſo ge-
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ſten, daß ein dritter Fuͤrſt ſich ins Mittel legte,

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[212/0246] II. Mittlere Zeiten a) 888-1235. Der Umſtand, daß nach der Gerichtsverfaſ- ſung des mittlern Zeitalters ein jeder nur von ſei- nes Gleichen, alſo Fuͤrſten nur von Fuͤrſten oder doch nur von Perſonen des hohen Adels, geur- theilt werden konnten, war ganz unvergleichlich. Man konnte immer hoffen, daß ein jeder das, was unter Perſonen ſeines Standes gewoͤhnlich war, am beſten wiſſen wuͤrde; und keiner durfte leicht beſorgen, daß Perſonen von eben dem Stan- de, die vielleicht wieder in den Fall kommen koͤnn- ten, von ihm verurtheilet zu werden, ohne Grund zu ſeinem Nachtheile ſprechen duͤrften. Auch war es ein großer Vortheil, daß alles kurz und gut gieng, ohne große Weitlaͤuftigkeiten zu machen, und ohne viele Subtilitaͤten ins Spiel zu bringen. Es hatte aber auch ſeine Unbequemlichkeiten, daß man bey dem wandelbaren Aufenthalte des Kaiſers ihn immer erſt aufſuchen und oft lange nachreiſen mußte, ehe ſichs thun ließ, ein Fuͤrſtenrecht zu Stande zu bringen. Und dann blieb ſowohl beym Fuͤrſtenrechte als beym Hofgerichte noch immer eine wichtige Frage: wie ein Rechtsſpruch, wenn er an einem oder andern Orte ergieng, nun zur Huͤlfsvollſtreckung gebracht werden ſollte? Dieſen Maͤngeln der damaligen Gerichtsver- faſſung war es wohl mit zuzuſchreiben, daß die meiſten Streitigkeiten der Fuͤrſten mehr durch Be- fehdungen und Selbſthuͤlfe, als durch kaiſerliche Rechtsſpruͤche, ausgemacht wurden. Wie aber Kriege ſelten geendiget werden, ohne daß eine dritte Macht den Frieden vermitteln hilft; ſo ge- ſchah es auch haͤufig in den Fehden Teutſcher Fuͤr- ſten, daß ein dritter Fuͤrſt ſich ins Mittel legte, und

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/246>, abgerufen am 23.11.2024.