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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
führen. So bekam der Pabst das Heft in die
Hände, um allen Christlichen Völkern Gesetze vor-
schreiben zu können, und um Kaiser und Könige
und Fürsten und Edle nach Gutfinden zu entfer-
nen, so oft ihre nähere Anwesenheit nur den Ab-
sichten des päbstlichen Stuhls im Wege zu stehen
schien. Was hätte aber kräftiger wirken können,
als auf solche Art die Lenkung aller weltlichen Mächte
in seiner Gewalt zu haben, und auf alle Fälle so-
wohl die Macht der Könige und Fürsten als den
Kern ganzer Völker und Staaten zu entkräften?


XIV.

Freylich hatten diese Züge auf der andern Seite
in der Folge wieder heilsame Wirkungen, da eine
solche Gemeinschaft zwischen abend- und morgen-
ländischen Gegenden aus letzteren in jene mehr
Kenntnisse und Geschicklichkeiten verbreitete, und
neue Reizungen und Gegenstände zur Schifffahrt
und Handlung an die Hand gab. Aber das ent-
stand dann doch ganz unabsichtlich daraus, ohne
daß es zum eigentlichen Entwurfe und Hauptzwecke
gehörte. Auch zeigten sich solche heilsame Folgen
meist erst in entfernteren Zeiten, und nach Art der
göttlichen Vorsehung, wie solche ganz über alle Er-
wartung oft Böses noch zum Guten zu lenken weiß.
Allemal waren es für diejenigen, denen es zu gute
kam, sehr theuer erkaufte Vortheile.


XV.

Alles das zeigte nun zwar noch nicht gleich un-
ter Henrich dem IV. seine volle Wirkung, auch nach-
her nicht zu gleicher Zeit auf einmal, sondern so,
wie in der Natur die meisten Veränderungen bey-
nahe unbemerkt und nur stuffenweise hervorgebracht
werden. Aber die wirkende Kraft blieb doch nie

unthä-

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
fuͤhren. So bekam der Pabſt das Heft in die
Haͤnde, um allen Chriſtlichen Voͤlkern Geſetze vor-
ſchreiben zu koͤnnen, und um Kaiſer und Koͤnige
und Fuͤrſten und Edle nach Gutfinden zu entfer-
nen, ſo oft ihre naͤhere Anweſenheit nur den Ab-
ſichten des paͤbſtlichen Stuhls im Wege zu ſtehen
ſchien. Was haͤtte aber kraͤftiger wirken koͤnnen,
als auf ſolche Art die Lenkung aller weltlichen Maͤchte
in ſeiner Gewalt zu haben, und auf alle Faͤlle ſo-
wohl die Macht der Koͤnige und Fuͤrſten als den
Kern ganzer Voͤlker und Staaten zu entkraͤften?


XIV.

Freylich hatten dieſe Zuͤge auf der andern Seite
in der Folge wieder heilſame Wirkungen, da eine
ſolche Gemeinſchaft zwiſchen abend- und morgen-
laͤndiſchen Gegenden aus letzteren in jene mehr
Kenntniſſe und Geſchicklichkeiten verbreitete, und
neue Reizungen und Gegenſtaͤnde zur Schifffahrt
und Handlung an die Hand gab. Aber das ent-
ſtand dann doch ganz unabſichtlich daraus, ohne
daß es zum eigentlichen Entwurfe und Hauptzwecke
gehoͤrte. Auch zeigten ſich ſolche heilſame Folgen
meiſt erſt in entfernteren Zeiten, und nach Art der
goͤttlichen Vorſehung, wie ſolche ganz uͤber alle Er-
wartung oft Boͤſes noch zum Guten zu lenken weiß.
Allemal waren es fuͤr diejenigen, denen es zu gute
kam, ſehr theuer erkaufte Vortheile.


XV.

Alles das zeigte nun zwar noch nicht gleich un-
ter Henrich dem IV. ſeine volle Wirkung, auch nach-
her nicht zu gleicher Zeit auf einmal, ſondern ſo,
wie in der Natur die meiſten Veraͤnderungen bey-
nahe unbemerkt und nur ſtuffenweiſe hervorgebracht
werden. Aber die wirkende Kraft blieb doch nie

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[150/0184] II. Mittlere Zeiten a) 888-1235. fuͤhren. So bekam der Pabſt das Heft in die Haͤnde, um allen Chriſtlichen Voͤlkern Geſetze vor- ſchreiben zu koͤnnen, und um Kaiſer und Koͤnige und Fuͤrſten und Edle nach Gutfinden zu entfer- nen, ſo oft ihre naͤhere Anweſenheit nur den Ab- ſichten des paͤbſtlichen Stuhls im Wege zu ſtehen ſchien. Was haͤtte aber kraͤftiger wirken koͤnnen, als auf ſolche Art die Lenkung aller weltlichen Maͤchte in ſeiner Gewalt zu haben, und auf alle Faͤlle ſo- wohl die Macht der Koͤnige und Fuͤrſten als den Kern ganzer Voͤlker und Staaten zu entkraͤften? Freylich hatten dieſe Zuͤge auf der andern Seite in der Folge wieder heilſame Wirkungen, da eine ſolche Gemeinſchaft zwiſchen abend- und morgen- laͤndiſchen Gegenden aus letzteren in jene mehr Kenntniſſe und Geſchicklichkeiten verbreitete, und neue Reizungen und Gegenſtaͤnde zur Schifffahrt und Handlung an die Hand gab. Aber das ent- ſtand dann doch ganz unabſichtlich daraus, ohne daß es zum eigentlichen Entwurfe und Hauptzwecke gehoͤrte. Auch zeigten ſich ſolche heilſame Folgen meiſt erſt in entfernteren Zeiten, und nach Art der goͤttlichen Vorſehung, wie ſolche ganz uͤber alle Er- wartung oft Boͤſes noch zum Guten zu lenken weiß. Allemal waren es fuͤr diejenigen, denen es zu gute kam, ſehr theuer erkaufte Vortheile. Alles das zeigte nun zwar noch nicht gleich un- ter Henrich dem IV. ſeine volle Wirkung, auch nach- her nicht zu gleicher Zeit auf einmal, ſondern ſo, wie in der Natur die meiſten Veraͤnderungen bey- nahe unbemerkt und nur ſtuffenweiſe hervorgebracht werden. Aber die wirkende Kraft blieb doch nie unthaͤ-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/184>, abgerufen am 24.11.2024.