Der Erfolg hat nur zu sehr gezeigt, wie ge-VI. nau erst dadurch dieser gesammte Stand unter sei- nem gemeinsamen Oberhaupte unter einander ver- kettet worden ist. Nimmt jeder Soldat Theil dar- an, wenn der Kriegsstaat in einem Lande vermehrt, oder mit größerer Achtung behandelt wird; so ist das noch nichts gegen die Theilnehmung eines jeden Geistlichen an den gemeinsamen Vorzügen seines Standes, dem er in Collisionsfällen selbst das In- teresse seiner Eltern und Verwandten ohne große Mühe aufopfern wird. Sobald er vollends Kirche und Staat in eben dem Verhältnisse, wie Seele und Leib, oder wie das Ewige und Zeitliche, gegen einander schätzen zu müßen glaubt; so wird er das Wohl der Kirche noch als einen weit höhern Grundsatz über das Wohl des Staats gelten laßen. In der besten Meynung wird er dann letzteres dem erstern aufopfern. Was konnte aber sicherer eine ewige Scheidewand zwischen Staat und Kirche be- festigen, als die allgemeine Ehelosigkeit des geist- lichen Standes, die selbst das natürliche Band der Blutsverwandtschaft reissen mußte; geschweige dann, daß irgend ein Verhältniß im Staate da- wider ein Gegengewicht zu bewirken vermögend ge- wesen wäre?
Ein wichtiger Schritt, um alles dieses, undVII. was sich noch irgend damit in Verbindung setzen ließ, geltend zu machen, bestand in dem Kirchen- bann, den von allen Teutschen Kaisern das erste- mal Henrich der IV. über sich ergehen laßen mußte. Unter anderen Umständen würde derselbe vielleicht wenig Eindruck gemacht haben. Aber Gregor der VII. nahm hierzu seine wohl überlegte Zuflucht
gera-
K
7) Henrich der IV. 1056-1106.
Der Erfolg hat nur zu ſehr gezeigt, wie ge-VI. nau erſt dadurch dieſer geſammte Stand unter ſei- nem gemeinſamen Oberhaupte unter einander ver- kettet worden iſt. Nimmt jeder Soldat Theil dar- an, wenn der Kriegsſtaat in einem Lande vermehrt, oder mit groͤßerer Achtung behandelt wird; ſo iſt das noch nichts gegen die Theilnehmung eines jeden Geiſtlichen an den gemeinſamen Vorzuͤgen ſeines Standes, dem er in Colliſionsfaͤllen ſelbſt das In- tereſſe ſeiner Eltern und Verwandten ohne große Muͤhe aufopfern wird. Sobald er vollends Kirche und Staat in eben dem Verhaͤltniſſe, wie Seele und Leib, oder wie das Ewige und Zeitliche, gegen einander ſchaͤtzen zu muͤßen glaubt; ſo wird er das Wohl der Kirche noch als einen weit hoͤhern Grundſatz uͤber das Wohl des Staats gelten laßen. In der beſten Meynung wird er dann letzteres dem erſtern aufopfern. Was konnte aber ſicherer eine ewige Scheidewand zwiſchen Staat und Kirche be- feſtigen, als die allgemeine Eheloſigkeit des geiſt- lichen Standes, die ſelbſt das natuͤrliche Band der Blutsverwandtſchaft reiſſen mußte; geſchweige dann, daß irgend ein Verhaͤltniß im Staate da- wider ein Gegengewicht zu bewirken vermoͤgend ge- weſen waͤre?
Ein wichtiger Schritt, um alles dieſes, undVII. was ſich noch irgend damit in Verbindung ſetzen ließ, geltend zu machen, beſtand in dem Kirchen- bann, den von allen Teutſchen Kaiſern das erſte- mal Henrich der IV. uͤber ſich ergehen laßen mußte. Unter anderen Umſtaͤnden wuͤrde derſelbe vielleicht wenig Eindruck gemacht haben. Aber Gregor der VII. nahm hierzu ſeine wohl uͤberlegte Zuflucht
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7) Henrich der IV. 1056-1106.
Der Erfolg hat nur zu ſehr gezeigt, wie ge-
nau erſt dadurch dieſer geſammte Stand unter ſei-
nem gemeinſamen Oberhaupte unter einander ver-
kettet worden iſt. Nimmt jeder Soldat Theil dar-
an, wenn der Kriegsſtaat in einem Lande vermehrt,
oder mit groͤßerer Achtung behandelt wird; ſo iſt
das noch nichts gegen die Theilnehmung eines jeden
Geiſtlichen an den gemeinſamen Vorzuͤgen ſeines
Standes, dem er in Colliſionsfaͤllen ſelbſt das In-
tereſſe ſeiner Eltern und Verwandten ohne große
Muͤhe aufopfern wird. Sobald er vollends Kirche
und Staat in eben dem Verhaͤltniſſe, wie Seele
und Leib, oder wie das Ewige und Zeitliche, gegen
einander ſchaͤtzen zu muͤßen glaubt; ſo wird er
das Wohl der Kirche noch als einen weit hoͤhern
Grundſatz uͤber das Wohl des Staats gelten laßen.
In der beſten Meynung wird er dann letzteres dem
erſtern aufopfern. Was konnte aber ſicherer eine
ewige Scheidewand zwiſchen Staat und Kirche be-
feſtigen, als die allgemeine Eheloſigkeit des geiſt-
lichen Standes, die ſelbſt das natuͤrliche Band
der Blutsverwandtſchaft reiſſen mußte; geſchweige
dann, daß irgend ein Verhaͤltniß im Staate da-
wider ein Gegengewicht zu bewirken vermoͤgend ge-
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Ein wichtiger Schritt, um alles dieſes, und
was ſich noch irgend damit in Verbindung ſetzen
ließ, geltend zu machen, beſtand in dem Kirchen-
bann, den von allen Teutſchen Kaiſern das erſte-
mal Henrich der IV. uͤber ſich ergehen laßen mußte.
Unter anderen Umſtaͤnden wuͤrde derſelbe vielleicht
wenig Eindruck gemacht haben. Aber Gregor
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/179>, abgerufen am 27.11.2024.
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