Mit allem dem vereinigte sich endlich das all- gemeine Verbot der Priesterehe, das vollends am wirksamsten war, um den ganzen geistlichen Stand über alle Verbindung mit dem weltlichen Stande völlig hinauszusetzen. Bisher thaten nur Mönche und Ordensleute das Gelübde eines ehe- losen Standes. Mit anderen Geistlichen, Bischö- fen, Pfarrern, Domherren oder anderen Stifts- herren hatte es, verschiedener älteren und neueren Verordnungen ungeachtet, noch nicht dahin gebracht werden können, daß sie nicht häufig verheirathet gewesen wären, oder doch Beyschläferinnen gehal- ten hätten. So großen Widerstand es auch jetzt fand, als nach dem Hildebrandischen Entwurfe allen Geistlichen ohne Unterschied ein unwiederrufliches Gelübde einer beständigen Ehelosigkeit zugemuthet wurde; so glücklich wurde es doch am Ende durch- gesetzt. Eben damit ward aber auch das große Gebäude der Hierarchie erst recht zu seiner Vollkom- menheit gebracht, weil nunmehr ein jeder Geistlicher, von welcher Gattung er auch seyn mochte, kein größer Interesse in der Welt haben konnte, als das Ueber- gewicht seines Standes nur bey seinem Leben mög- lichst zu benutzen. Für eigne Familie und recht- mäßige Nachkommenschaft hatte er jetzt weiter nicht zu sorgen. Keine weltliche Obrigkeit konnte ihm nunmehr weiter beförderlich seyn. Je höher hin- gegen die Vorzüge des geistlichen Standes über- haupt nun noch hinauf getrieben werden konnten, je mehr konnte er sich schmeicheln, daß es auch ihm zu statten kommen könnte. Waren also bisher nur Ordensgeistliche der Welt abgestorben, und nur ihrem Orden zugethan, so galt eben das jetzt von allen Geistlichen ohne Unterschied.
Der
II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
V.
Mit allem dem vereinigte ſich endlich das all- gemeine Verbot der Prieſterehe, das vollends am wirkſamſten war, um den ganzen geiſtlichen Stand uͤber alle Verbindung mit dem weltlichen Stande voͤllig hinauszuſetzen. Bisher thaten nur Moͤnche und Ordensleute das Geluͤbde eines ehe- loſen Standes. Mit anderen Geiſtlichen, Biſchoͤ- fen, Pfarrern, Domherren oder anderen Stifts- herren hatte es, verſchiedener aͤlteren und neueren Verordnungen ungeachtet, noch nicht dahin gebracht werden koͤnnen, daß ſie nicht haͤufig verheirathet geweſen waͤren, oder doch Beyſchlaͤferinnen gehal- ten haͤtten. So großen Widerſtand es auch jetzt fand, als nach dem Hildebrandiſchen Entwurfe allen Geiſtlichen ohne Unterſchied ein unwiederrufliches Geluͤbde einer beſtaͤndigen Eheloſigkeit zugemuthet wurde; ſo gluͤcklich wurde es doch am Ende durch- geſetzt. Eben damit ward aber auch das große Gebaͤude der Hierarchie erſt recht zu ſeiner Vollkom- menheit gebracht, weil nunmehr ein jeder Geiſtlicher, von welcher Gattung er auch ſeyn mochte, kein groͤßer Intereſſe in der Welt haben konnte, als das Ueber- gewicht ſeines Standes nur bey ſeinem Leben moͤg- lichſt zu benutzen. Fuͤr eigne Familie und recht- maͤßige Nachkommenſchaft hatte er jetzt weiter nicht zu ſorgen. Keine weltliche Obrigkeit konnte ihm nunmehr weiter befoͤrderlich ſeyn. Je hoͤher hin- gegen die Vorzuͤge des geiſtlichen Standes uͤber- haupt nun noch hinauf getrieben werden konnten, je mehr konnte er ſich ſchmeicheln, daß es auch ihm zu ſtatten kommen koͤnnte. Waren alſo bisher nur Ordensgeiſtliche der Welt abgeſtorben, und nur ihrem Orden zugethan, ſo galt eben das jetzt von allen Geiſtlichen ohne Unterſchied.
Der
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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
Mit allem dem vereinigte ſich endlich das all-
gemeine Verbot der Prieſterehe, das vollends
am wirkſamſten war, um den ganzen geiſtlichen
Stand uͤber alle Verbindung mit dem weltlichen
Stande voͤllig hinauszuſetzen. Bisher thaten nur
Moͤnche und Ordensleute das Geluͤbde eines ehe-
loſen Standes. Mit anderen Geiſtlichen, Biſchoͤ-
fen, Pfarrern, Domherren oder anderen Stifts-
herren hatte es, verſchiedener aͤlteren und neueren
Verordnungen ungeachtet, noch nicht dahin gebracht
werden koͤnnen, daß ſie nicht haͤufig verheirathet
geweſen waͤren, oder doch Beyſchlaͤferinnen gehal-
ten haͤtten. So großen Widerſtand es auch jetzt
fand, als nach dem Hildebrandiſchen Entwurfe allen
Geiſtlichen ohne Unterſchied ein unwiederrufliches
Geluͤbde einer beſtaͤndigen Eheloſigkeit zugemuthet
wurde; ſo gluͤcklich wurde es doch am Ende durch-
geſetzt. Eben damit ward aber auch das große
Gebaͤude der Hierarchie erſt recht zu ſeiner Vollkom-
menheit gebracht, weil nunmehr ein jeder Geiſtlicher,
von welcher Gattung er auch ſeyn mochte, kein groͤßer
Intereſſe in der Welt haben konnte, als das Ueber-
gewicht ſeines Standes nur bey ſeinem Leben moͤg-
lichſt zu benutzen. Fuͤr eigne Familie und recht-
maͤßige Nachkommenſchaft hatte er jetzt weiter nicht
zu ſorgen. Keine weltliche Obrigkeit konnte ihm
nunmehr weiter befoͤrderlich ſeyn. Je hoͤher hin-
gegen die Vorzuͤge des geiſtlichen Standes uͤber-
haupt nun noch hinauf getrieben werden konnten,
je mehr konnte er ſich ſchmeicheln, daß es auch ihm
zu ſtatten kommen koͤnnte. Waren alſo bisher nur
Ordensgeiſtliche der Welt abgeſtorben, und nur
ihrem Orden zugethan, ſo galt eben das jetzt von
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/178>, abgerufen am 24.11.2024.
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