Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.3) Otto der Große a) 936-974. Selbst das, was bey einer wohl geordneten Ge-richtsverfassung nach rechtlichem Gehöre beider Theile und nach unpartheyischer Prüfung der Be- weise und in Anwendung zu bringenden Gesetze durch Urtheil und Recht entschieden werden sollte, ward jetzt großentheils auf den Ausschlag des De- gens gesetzt. Sogar der Gesetzgebung Stelle sollte dadurch vertreten werden. Man stritt z. B. über die Frage: ob Enkel in Beerbung ihrer Großeltern mit deren noch lebenden Kindern gleichgesetzt wer- den sollten? Es kam in Vorschlag, zu Prüfung dieser Frage eine Commission niederzusetzen Otto selbst hielt es aber für anständiger, die Sache durch einen Zweykampf entscheiden zu laßen; da dann derjenige, der zum Vortheil der Enkel focht, den Sieg davon trug (x). Seiner eignen Tochter Ehre ließ Otto gegenXXV. wun- (x) Den Ausschlag eines solchen Kampfes hielt
man für Gottes Urtheil. Eben so gut hätte Otto die Sache auf das Loos ankommen laßen können. Nach der damaligen Denkungsart schien das alle- mal weniger bedenklich, als einem willkührlichen Ausspruche zu folgen, der zum Abbruche der her- gebrachten Autonomie gereichen konnte. So recht- fertiget Möser dieses Verfahren Otto des Großen in der Berliner Monathsschrift 1785. Oct. S. 289. 3) Otto der Große a) 936-974. Selbſt das, was bey einer wohl geordneten Ge-richtsverfaſſung nach rechtlichem Gehoͤre beider Theile und nach unpartheyiſcher Pruͤfung der Be- weiſe und in Anwendung zu bringenden Geſetze durch Urtheil und Recht entſchieden werden ſollte, ward jetzt großentheils auf den Ausſchlag des De- gens geſetzt. Sogar der Geſetzgebung Stelle ſollte dadurch vertreten werden. Man ſtritt z. B. uͤber die Frage: ob Enkel in Beerbung ihrer Großeltern mit deren noch lebenden Kindern gleichgeſetzt wer- den ſollten? Es kam in Vorſchlag, zu Pruͤfung dieſer Frage eine Commiſſion niederzuſetzen Otto ſelbſt hielt es aber fuͤr anſtaͤndiger, die Sache durch einen Zweykampf entſcheiden zu laßen; da dann derjenige, der zum Vortheil der Enkel focht, den Sieg davon trug (x). Seiner eignen Tochter Ehre ließ Otto gegenXXV. wun- (x) Den Ausſchlag eines ſolchen Kampfes hielt
man fuͤr Gottes Urtheil. Eben ſo gut haͤtte Otto die Sache auf das Loos ankommen laßen koͤnnen. Nach der damaligen Denkungsart ſchien das alle- mal weniger bedenklich, als einem willkuͤhrlichen Ausſpruche zu folgen, der zum Abbruche der her- gebrachten Autonomie gereichen konnte. So recht- fertiget Moͤſer dieſes Verfahren Otto des Großen in der Berliner Monathsſchrift 1785. Oct. S. 289. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0161" n="127"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">3) Otto der Große <hi rendition="#aq">a</hi>) 936-974.</hi></fw><lb/> Selbſt das, was bey einer wohl geordneten Ge-<lb/> richtsverfaſſung nach rechtlichem Gehoͤre beider<lb/> Theile und nach unpartheyiſcher Pruͤfung der Be-<lb/> weiſe und in Anwendung zu bringenden Geſetze<lb/> durch Urtheil und Recht entſchieden werden ſollte,<lb/> ward jetzt großentheils auf den Ausſchlag des De-<lb/> gens geſetzt. Sogar der Geſetzgebung Stelle ſollte<lb/> dadurch vertreten werden. Man ſtritt z. B. uͤber<lb/> die Frage: ob Enkel in Beerbung ihrer Großeltern<lb/> mit deren noch lebenden Kindern gleichgeſetzt wer-<lb/> den ſollten? Es kam in Vorſchlag, zu Pruͤfung<lb/> dieſer Frage eine Commiſſion niederzuſetzen Otto<lb/> ſelbſt hielt es aber fuͤr anſtaͤndiger, die Sache<lb/> durch einen Zweykampf entſcheiden zu laßen; da<lb/> dann derjenige, der zum Vortheil der Enkel focht,<lb/> den Sieg davon trug <note place="foot" n="(x)">Den Ausſchlag eines ſolchen Kampfes hielt<lb/> man fuͤr Gottes Urtheil. Eben ſo gut haͤtte Otto<lb/> die Sache auf das Loos ankommen laßen koͤnnen.<lb/> Nach der damaligen Denkungsart ſchien das alle-<lb/> mal weniger bedenklich, als einem willkuͤhrlichen<lb/> Ausſpruche zu folgen, der zum Abbruche der her-<lb/> gebrachten Autonomie gereichen konnte. So recht-<lb/> fertiget <hi rendition="#fr">Moͤſer</hi> dieſes Verfahren Otto des Großen<lb/> in der Berliner Monathsſchrift 1785. Oct. S. 289.</note>.</p><lb/> <p>Seiner eignen Tochter Ehre ließ Otto gegen<note place="right"><hi rendition="#aq">XXV.</hi></note><lb/> uͤble Nachreden eines gewiſſen Grafen auf den Aus-<lb/> ſchlag eines Zweykampfs ankommen, der zum Gluͤck<lb/> zu ihrem Vortheile ausfiel. Auch in buͤrgerlichen<lb/> Rechtshaͤndeln uͤber Geld oder anderes Eigenthum<lb/> ließ man lieber mit dem Degen fechten, um Par-<lb/> theyen mit Eidesleiſtungen nicht in Gefahr von<lb/> Meineid zu ſetzen, wie man ſonſt beſorgte. —<lb/> Unter ſolchen Umſtaͤnden darf man ſich wohl nicht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wun-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0161]
3) Otto der Große a) 936-974.
Selbſt das, was bey einer wohl geordneten Ge-
richtsverfaſſung nach rechtlichem Gehoͤre beider
Theile und nach unpartheyiſcher Pruͤfung der Be-
weiſe und in Anwendung zu bringenden Geſetze
durch Urtheil und Recht entſchieden werden ſollte,
ward jetzt großentheils auf den Ausſchlag des De-
gens geſetzt. Sogar der Geſetzgebung Stelle ſollte
dadurch vertreten werden. Man ſtritt z. B. uͤber
die Frage: ob Enkel in Beerbung ihrer Großeltern
mit deren noch lebenden Kindern gleichgeſetzt wer-
den ſollten? Es kam in Vorſchlag, zu Pruͤfung
dieſer Frage eine Commiſſion niederzuſetzen Otto
ſelbſt hielt es aber fuͤr anſtaͤndiger, die Sache
durch einen Zweykampf entſcheiden zu laßen; da
dann derjenige, der zum Vortheil der Enkel focht,
den Sieg davon trug (x).
Seiner eignen Tochter Ehre ließ Otto gegen
uͤble Nachreden eines gewiſſen Grafen auf den Aus-
ſchlag eines Zweykampfs ankommen, der zum Gluͤck
zu ihrem Vortheile ausfiel. Auch in buͤrgerlichen
Rechtshaͤndeln uͤber Geld oder anderes Eigenthum
ließ man lieber mit dem Degen fechten, um Par-
theyen mit Eidesleiſtungen nicht in Gefahr von
Meineid zu ſetzen, wie man ſonſt beſorgte. —
Unter ſolchen Umſtaͤnden darf man ſich wohl nicht
wun-
XXV.
(x) Den Ausſchlag eines ſolchen Kampfes hielt
man fuͤr Gottes Urtheil. Eben ſo gut haͤtte Otto
die Sache auf das Loos ankommen laßen koͤnnen.
Nach der damaligen Denkungsart ſchien das alle-
mal weniger bedenklich, als einem willkuͤhrlichen
Ausſpruche zu folgen, der zum Abbruche der her-
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Zitationshilfe: | Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/161>, abgerufen am 22.07.2024. |