Erziehung war, läßt sich daraus abnehmen, daß Otto selbst erst nach dem Tode seiner ersten Ge- mahlinn etwas Latein, und also lesen und schrei- ben lernte (denn man schrieb damals nichts als in dieser Sprache.) Alle Ausfertigungen gescha- hen unter Aufsicht eines Erzbischofs, der eben bey Hofe war, oder in dessen Dioeces die Sache ein- schlug. So vertrat damals noch nicht allein der Erzbischof von Mainz die Stelle eines Erzcanzlers, sondern eben die Stelle bekleideten auch die Erz- bischöfe von Trier, Cölln, Salzburg, wenn sie eben bey Hofe waren, oder wenn Geschäffte aus ihren Gegenden vorkamen. Es hat aber nicht lange mehr gewährt, daß dem Erzstifte Mainz alleine die Erzcanzlerstelle in Teutschen Sachen zu Theil geworden.
XVII.
Auf der andern Seite fiengen Herzoge und Grafen an sich in ihren Gebieten mehr heraus- zunehmen, als die Eigenschaft bloßer Befehlsha- ber, wie sie nach der Carolinger-Fränkischen Staats- verfassung seyn sollte, ihnen zu gestatten schien; in- sonderheit begann es schon merklich zu werden, daß sie damit umgiengen ihre Stellen erblich zu machen, und Krongüter, die sie nur zur Benutzung haben sollten, mit ihrem Eigenthume zu vermengen. In dieser Rücksicht konnten die Bischöfe und Erzbi- schöfe überall von der Krone zu einem guten Gleich- gewichte gebraucht werden; auch fühlten das die Herzoge bald so, daß sie die Bischöfe ihrer Ge- genden gleichsam wie Spionen des Hofes ansahen. Diese hingegen kamen schon so empor, daß man zu Einschränkung ihres Uebermuthes nöthig fand zu verordnen, daß bey Kirchenvisitationen ein Bi-
schof
II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
Erziehung war, laͤßt ſich daraus abnehmen, daß Otto ſelbſt erſt nach dem Tode ſeiner erſten Ge- mahlinn etwas Latein, und alſo leſen und ſchrei- ben lernte (denn man ſchrieb damals nichts als in dieſer Sprache.) Alle Ausfertigungen geſcha- hen unter Aufſicht eines Erzbiſchofs, der eben bey Hofe war, oder in deſſen Dioeces die Sache ein- ſchlug. So vertrat damals noch nicht allein der Erzbiſchof von Mainz die Stelle eines Erzcanzlers, ſondern eben die Stelle bekleideten auch die Erz- biſchoͤfe von Trier, Coͤlln, Salzburg, wenn ſie eben bey Hofe waren, oder wenn Geſchaͤffte aus ihren Gegenden vorkamen. Es hat aber nicht lange mehr gewaͤhrt, daß dem Erzſtifte Mainz alleine die Erzcanzlerſtelle in Teutſchen Sachen zu Theil geworden.
XVII.
Auf der andern Seite fiengen Herzoge und Grafen an ſich in ihren Gebieten mehr heraus- zunehmen, als die Eigenſchaft bloßer Befehlsha- ber, wie ſie nach der Carolinger-Fraͤnkiſchen Staats- verfaſſung ſeyn ſollte, ihnen zu geſtatten ſchien; in- ſonderheit begann es ſchon merklich zu werden, daß ſie damit umgiengen ihre Stellen erblich zu machen, und Kronguͤter, die ſie nur zur Benutzung haben ſollten, mit ihrem Eigenthume zu vermengen. In dieſer Ruͤckſicht konnten die Biſchoͤfe und Erzbi- ſchoͤfe uͤberall von der Krone zu einem guten Gleich- gewichte gebraucht werden; auch fuͤhlten das die Herzoge bald ſo, daß ſie die Biſchoͤfe ihrer Ge- genden gleichſam wie Spionen des Hofes anſahen. Dieſe hingegen kamen ſchon ſo empor, daß man zu Einſchraͤnkung ihres Uebermuthes noͤthig fand zu verordnen, daß bey Kirchenviſitationen ein Bi-
ſchof
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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
Erziehung war, laͤßt ſich daraus abnehmen, daß
Otto ſelbſt erſt nach dem Tode ſeiner erſten Ge-
mahlinn etwas Latein, und alſo leſen und ſchrei-
ben lernte (denn man ſchrieb damals nichts als
in dieſer Sprache.) Alle Ausfertigungen geſcha-
hen unter Aufſicht eines Erzbiſchofs, der eben bey
Hofe war, oder in deſſen Dioeces die Sache ein-
ſchlug. So vertrat damals noch nicht allein der
Erzbiſchof von Mainz die Stelle eines Erzcanzlers,
ſondern eben die Stelle bekleideten auch die Erz-
biſchoͤfe von Trier, Coͤlln, Salzburg, wenn ſie
eben bey Hofe waren, oder wenn Geſchaͤffte aus
ihren Gegenden vorkamen. Es hat aber nicht
lange mehr gewaͤhrt, daß dem Erzſtifte Mainz
alleine die Erzcanzlerſtelle in Teutſchen Sachen zu
Theil geworden.
Auf der andern Seite fiengen Herzoge und
Grafen an ſich in ihren Gebieten mehr heraus-
zunehmen, als die Eigenſchaft bloßer Befehlsha-
ber, wie ſie nach der Carolinger-Fraͤnkiſchen Staats-
verfaſſung ſeyn ſollte, ihnen zu geſtatten ſchien; in-
ſonderheit begann es ſchon merklich zu werden, daß
ſie damit umgiengen ihre Stellen erblich zu machen,
und Kronguͤter, die ſie nur zur Benutzung haben
ſollten, mit ihrem Eigenthume zu vermengen. In
dieſer Ruͤckſicht konnten die Biſchoͤfe und Erzbi-
ſchoͤfe uͤberall von der Krone zu einem guten Gleich-
gewichte gebraucht werden; auch fuͤhlten das die
Herzoge bald ſo, daß ſie die Biſchoͤfe ihrer Ge-
genden gleichſam wie Spionen des Hofes anſahen.
Dieſe hingegen kamen ſchon ſo empor, daß man
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/156>, abgerufen am 22.07.2024.
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